Stets auf der Suche nach Information

Betroffene von seltenen Erkrankungen wissen oft nicht, ob sie zur Risikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf bei einer Corona-Infektion zählen.
Illustration: Malcolm Fisher
Mirko Heinemann Redaktion

Für Betroffene von seltenen Erkrankungen stellt die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung dar. „Das fängt schon damit an, dass es selten gesicherte Informationen darüber gibt, ob man mit einer bestimmen Erkrankung zur Corona-Risikogruppe zählt oder nicht”, erklärt Bianca Paslak-Leptien, Sprecherin des Dachverbands für Menschen mit Seltenen Erkrankungen, Achse e.V.


Was Informationen – oder vor allem: fehlende Informationen – bedeuten können, erschließt sich zu Pandemie-Zeiten auch für Menschen, die nicht von einer seltenen Erkrankung betroffen sind. Nur: Für Betroffene gilt das ein Leben lang. Das Informationsbedürfnis der Erkrankten sei zwar zu Pandemie-Zeiten besonders ausgesprägt, aber da Informationen für seltene Erkrankungen generell schwierig zu beschaffen sind, prägt diese Suche den Alltag der Patienten und schränkt ihre Lebensqualität massiv ein.


Zähle ich zur Risikogruppe oder nicht? Ein Beispiel: Betroffene der seltenen Lungenkrankheit Mukoviszidose. Im März wurde bekannt, dass ein deutscher Covid-19-Patient mit Mukoviszidose plötzlich massiv in seiner Lungenfunktion eingeschränkt wurde. Dies wurde als „kleiner Hinweis” darauf angesehen, dass Mukoviszidose tatsächlich einen Risikofaktor darstellt. Da aber das Virus noch so neu ist, gebe es bislang zu wenig Daten zu den Verläufen und so gut wie keine Daten zu den Verläufen mit Mukoviszidose, so der Selbsthilfeverein Mukoviszidose e.V. Deshalb könne man über den Verlauf von Covid-19 bei Mukoviszidose noch keine belastbaren Aussagen machen.


Anders sieht es bei den von rheumatischen Erkrankungen betroffen Patienten aus. Bei Rheuma finden sich über hundert unterschiedliche Formen, die äußerst selten sind und deshalb sowie aufgrund ihrer vielschichtigen Symptome nur schwer zu diagnostizieren sind. Ihre Ursachen sind oft nicht wirklich geklärt. Klar indes: Viele von ihnen zählen definitiv zur Risikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf bei einer Corona-Infektion. Darunter sind Menschen mit aktiven entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und Patienten unter immunsuppressiver Therapie.


Zwar lasse die derzeitige Datenlage keine gesicherten Schlüsse darüber zu, wie sich eine entzündlich-rheumatische Vorerkrankung auf den Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion auswirkt, so Hendrik Schulze-Koops, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Bekannt aber sei, dass aktive entzündlich-rheumatische Erkrankungen das Immunsystem unterdrücken und so die Infektanfälligkeit steigern können. Denn zum einen binde und erschöpft das entzündliche Geschehen die Kapazitäten des Immunsystems. Zum anderen nehmen viele Rheumapatienten Medikamente ein, die die Immunabwehr beeinträchtigen können.


Viele Patienten sind deshalb verunsichert. Deshalb möchte die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) nun mithilfe einer Patientenbefragung klären, wie diese Betroffenen mit der Information über ein erhöhtes Risiko umgehen, welche Sorgen und Ängste damit verbunden sind und wie sich die aktuelle Situation auf die rheumatologische Versorgung sowie die Grunderkrankung auswirkt. Die Befragung soll dazu beitragen, ihre Situation besser zu verstehen und zu untersuchen, ob die Pandemie sich auf die rheumatologische Versorgung auswirkt: Beeinflussen die Veränderungen im Rahmen der Coronakrise – angefangen bei möglicher Jobunsicherheit bis hin zu einer veränderten Schlafqualität oder dem Umfang an sportlicher Aktivität – die Versorgung und die Krankheitsaktivität unserer Patienten? Können wir sie mit Telemedizin derzeit adäquat erreichen und versorgen? Wie geht es den Patienten damit?


Die Umfrage ist eine Ergänzung zum so genannten Covid-19-Register, das die DGRh bereits vor einigen Wochen ins Leben gerufen hat. Darin dokumentieren Rheumatologen medizinische Informationen über ihre rheumatologischen Patienten, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben. Anonymisiert werden dort Angaben erfasst, wie Alter, Art der Erkrankung und Medikation sowie der Verlauf der Covid-19-Erkrankung. Bereits jetzt seien hier Daten von über 150 Patienten erfasst, so Schulze-Koops. Dies sei ein überaus wertvoller Datensatz. Denn mithilfe der ständig aktualisierten Daten lässt sich womöglich bald genauer abschätzen, welche Rheumapatienten während der SARS-CoV-2-Pandemie besonders gefährdet sind – und wie man dieser Gefahr begegnen kann.

 

 

Portale & Verbünde

 

Orphanet
...beinhaltet ein Verzeichnis der seltenen Krankheiten und stellt Informationen zu über 6000 dieser Krankheiten zur Verfügung. Die Datenbank gibt ebenfalls Auskunft über spezialisierte Leistungsangebote aus den beteiligten Ländern des Orphanet-Konsortiums. www.orpha.net

 

Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE)
...ist ein Koordinierungs- und Kommunikationsgremium mit dem Ziel, eine bessere Patientenversorgung für Menschen mit seltenen Erkrankungen auf den Weg zu bringen. Dazu bündelt es bestehende Initiativen, vernetzt Forscher und Ärzte und führt Informationen für Ärzte und Patienten zusammen.
www.namse.de

 

Zentrales Informationsportal über seltene Erkrankungen (ZIPSE)
...ist ein Linkverzeichnis, in dem man nach qualitätsgesicherten Informationen zu seltenen Erkrankungen suchen kann. ZIPSE selbst erstellt keine Informationen, sondern verweist auf bestehende Informationsanbieter. www.portal-se.de

 

Versorgungsatlas für Menschen mit Seltenen Erkrankungen
...ist ein Verzeichnis der Versorgungsmöglichkeiten für Menschen mit seltenen Erkrankungen als interaktive Landkarte oder als Liste. www.se-atlas.de

 

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