Von der Stirne heiß…

Wer in die Sauna geht, tut etwas Gutes. Bei 90 Grad Celsius lässt sich die Welt einfach entspannter betrachten.

Illustration von Sophia Hummler
Illustration von Sophia Hummler
Axel Novak Redaktion

Bei allen Göttern, das tut so unendlich gut!“ seufzt der Philosoph Wolfram Eilenberger. „Nur noch ein einziges Mal, tief hinein in den Schlund der schwarzen Bestie!“ Nein, nicht Dantes Inferno meint Eilenberger, sondern den heißen Raum einer Sauna. In seinem Buch „Finnen von Sinnen“ macht er nicht nur seiner Frau eine Liebeserklärung, sondern auch den Menschen des nordischen Landes, deren Lebensgefühl so eng mit der Sauna verbunden ist. 

Schätzungsweise drei Millionen Saunen soll es in Finnland geben, genug für die knapp fünfeinhalb Millionen Einwohner. Selbst in vielen städtischen Wohnhäusern gibt es Saunen im Keller, die nach einem festen Plan gemeinschaftlich genutzt werden. Die hohen Temperaturen in der Sauna fördern das Schwitzen und die Durchblutung, reinigen die Haut und stärken die Abwehrkräfte. Ein Saunabesuch stärkt nicht nur das Immunsystem, sondern kann auch zu mehr Gelassenheit führen. Finnische Politiker laden Staatsgäste gerne in die Sauna ein: Nikita Chruschtschow, Alexej Kossygin, Michail Gorbatschow und Helmut Kohl saunierten in Helsinki. Wer etwas auf sich hält und es sich leisten kann, installiert sich eine eigene Anlage im Keller oder im Anbau. 

Sicher, Dampfbäder, Schwitzhütten und ähnliche Räume gibt es in fast allen Kulturen. Doch die finnische Sauna gilt als eine der ältesten und beliebtesten Saunen der Welt. Sie zeichnet sich durch eine geringe Luftfeuchtigkeit zwischen zehn und zwanzig Prozent und hohe Temperaturen zwischen 80 und 100 Grad Celsius aus.
 

WELTKULTURERBE OHNE REGELN


Traditionell sind finnische Saunen mit Holz ausgekleidet. Geheizt wird mit einem Ofen, dem Saunaofen, in dem Saunasteine für gleichmäßige Wärme sorgen. Ob ein Elektroofen oder ein traditioneller Holzofen die Anlage erwärmen soll, darüber lässt sich in der Saunahitze trefflich streiten. Aber wer in der Innenstadt wohnt, wird nicht so viel schleppen wollen, um das authentische Lebensgefühl des finnischen Sommerhauses heraufzubeschwören. Elektrische Öfen haben einige Vorteile, vor allem sind sie einfach und schnell zu bedienen. 

Ein weiteres heißes Thema sind die Aufgüsse, bei denen kalte Flüssigkeiten über die heißen Saunasteine gegossen werden – mit der Folge, dass die gefühlte Temperatur schnell ansteigt. In Finnland werden sie mit Birkenwasser durchgeführt, in Deutschland sind die Aufgüsse oft mit ätherischen Ölen angereichert.

Wer dann keinen See vor der Saunatür hat, in den er sich erhitzt und jauchzend stürzen kann, wählt stattdessen die kalte Dusche. Anschließend sorgt ein Ruheraum dafür, dass Seele, Körper und Kreislauf nach dem Saunagang zur Ruhe kommen. Kleine Stärkungen sind hier üblich – bis hin zu hochprozentigen Getränken. Dann geht es in die nächste Runde – so oft und so lange man will. 

Anders als in Deutschland sind Dauer und Häufigkeit in Finnland allerdings kaum reglementiert. Vielleicht ist gerade diese Regellosigkeit der Grund, warum die UNESCO die finnische Saunakultur vor vier Jahren zum Weltkulturerbe erklärt hat.

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