»Das Infektionsrisiko geht grundsätzlich vom Menschen aus«

Wie gefährlich kann Corona in diesem Herbst für Haustiere werden? Können die Tiere uns Menschen anstecken? Und umgekehrt? Ein Interview mit Professor Dr. Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostika am Friedrich- Loeffler-Institut.

 

Professor Dr. Martin Beer, Fachtierarzt und Leiter des Instituts für Virusdiagnostika am Friedrich-Loeffler-Institut
Professor Dr. Martin Beer, Fachtierarzt und Leiter des Instituts für Virusdiagnostika am Friedrich-Loeffler-Institut
Interview: Mirko Heinemann Redaktion

Im Herbst wird die nächste Corona-Welle erwartet. Kann man bereits absehen, ab wann es gefährlich wird?
Man kann heute schwer einschätzen, ab wann und in welchem Umfang es erneut zu einer Corona-Welle kommt. Mit verstärkter Verlagerung der menschlichen Aktivitäten in Innenräume, die wetterbedingt im Herbst normalerweise zu beobachten ist, werden die Bedingungen für eine Übertragung von SARS-CoV-2 sowie auch für Erkältungs- und Grippeviren günstiger. Es wird wohl nicht zuletzt von der dann dominierenden Virusvariante, den Boosterimpfungen und der Zahl der bisherigen Infektionen abhängen, wie die nächste Welle ausfällt.

Wie gefährlich ist Covid-19 für meinen Hund oder meine Katze?
Bei Hunden sind bis auf wenige Fälle bei alten und gesundheitlich bereits angeschlagenen Tieren nur symptomlose bis milde Infektionsverläufe bekannt. In Hunden vermehrt sich SARS-CoV-2 nicht besonders gut, sodass sie das Virus in der Regel nicht weitergeben. Bei Katzen kann es ähnlich wie beim Menschen zu sehr unterschiedlichen Verläufen kommen und auch die Ansteckung von Artgenossen ist möglich. Es gibt allerdings keinerlei Anzeichen für Infektionsketten bei Hund oder Katze. Man kann davon ausgehen, dass sich unsere Haustiere in der Regel beim Kontakt zu infizierten Menschen anstecken, das nennt man Anthropozoonose. Bisher ist nur eine Übertragung von einer Katze auf den behandelten Tierarzt in Thailand beschrieben worden.

Machen die verschiedenen Covid-Varianten bei Haustieren Unterschiede?
Es gibt nur sehr wenige Hinweise auf das Verhalten der unterschiedlichen Varianten bei Haustieren. Verfügbare Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass die Omikron-Varianten unter Umständen zu weniger Infektionen und auch noch milderen Verläufen führen. Insgesamt nimmt die Zahl der gemeldeten Tierfälle national wie international eher ab.

Kann ich mein Tier mit Covid anstecken oder umgekehrt?
Hunde, Katzen, Kaninchen, Goldhamster und Frettchen sind empfänglich für eine Infektion mit  SARS-CoV-2, Meerschweinchen hingegen nicht. Von Nerzen aus Pelztierfarmen ist bekannt, dass sie nach Infektion durch Menschen das Virus auch wieder auf Menschen übertragen können. Aus Hongkong wurden wenige Rückübertragungen von Goldhamstern auf Menschen bekannt. Hier waren infizierte Hamster aus Europa importiert worden und hatten insbesondere bei Personal in den belieferten Tierhandlungen zu einzelnen Infektionen geführt. Generell gilt aber, dass sich Haustiere in der Regel vom Menschen anstecken und es nicht zu weiteren Infektionsketten kommt. SARS-CoV-2-positive Personen sollten daher, wenn möglich, den engen Kontakt zu ihren Haustieren vermeiden. Also kein ausgiebiges Schmusen, Tiere nicht ins Bett lassen, sondern wenn möglich eher separieren. Auch die Impfung der Tierhalter ist eine sinnvolle Maßnahme, um das Ansteckungsrisiko für Haustiere zu reduzieren.

Sollte ich meine Katze zuhause lassen oder meinen Hund andere Hunde meiden lassen?
Haustiere wie Hunde und Katzen können und sollten im „Covid-Haushalt“ verbleiben. Unbedingt beachten sollte man allgemeine Hygieneregeln wie Händewaschen vor und nach Kontakt mit den Tieren und die Vermeidung von sehr engem Kontakt, beispielsweise ausgiebiges Schmusen oder Übernachten im gleichen Bett. Zum Schutz der Haustiere vor Infektionen durch infizierte Personen empfehlen wir das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch für infizierte Tierhalter. Eine „Maskenpflicht“ für Tiere ist aus Gründen des Infektionsschutzes nicht relevant, da die Infektionen von infizierten Menschen ausgehen. Außerdem ist sie aus Gründen des Tierschutzes abzulehnen.  Personen, die sich in Quarantäne oder häuslicher Isolation befinden, sollten geeignete Personen außerhalb ihres Haushaltes um Unterstützung bei der Pflege der Tiere bitten. Dies gilt insbesondere für den Spaziergang mit Hunden. Dies könnten Nachbarn oder Freunde sein, die die Personen in Quarantäne oder häuslicher Isolation zum Beispiel auch mit Lebensmitteln versorgen oder, etwa in städtischen Regionen, professionelle Hundesitter.

Könnten sich Gassigänger:innen bei meinem Hund mit Covid anstecken?
Es sollten nur junge, gesunde Personen als Gassi-gänger:innen tätig werden, je nach Charakter des Hundes Personen mit Hundekenntnissen. Im Einzelfall sollten pragmatische Lösungen gefunden werden, die das Wohl des Tieres so wenig wie möglich beeinträchtigen und die Quarantäne wahren. Es sollte eine eigene Leine verwendet werden, möglichst nicht die des Hundehalters. Immer bedenken: Nach dem Ausführen des Hundes stets die Hände waschen! Infizierte Besitzer:innen sollten vor der Übergabe des Hundes gründlich die Hände waschen und desinfizieren. Ein Infektionsrisiko geht grundsätzlich nicht von  dem Hund aus, sondern von den möglicherweise infizierten Besitzer:innen! Das Risiko wird durch eine (Booster)Impfung deutlich verringert, das gilt auch für Infektionen beim Haustier.

Illustration: Anne Reibold
Illustration: Anne Reibold
Illustration: Anne Reibold
Illustration: Anne Reibold

Welche Symptome könnten auf Covid hindeuten?
Gripppeähnliche Symptome, Atemnot, Schnupfen, Abgeschlagenheit, Fressunlust und Durchfall können auf eine Erkrankung hinweisen – alles Symptome, die generell bei Viruserkrankungen auftreten können. Wenn Hunde oder Katzen in einem Haushalt mit Personen leben, die an Covid-19 erkrankt sind und die genannten Symptome zeigen, sollte in Absprache mit dem zuständigen Veterinäramt eine Untersuchung erfolgen. Infektionen mit SARS-CoV-2 bei Tieren sind in Deutschland meldepflichtig. Der Test ist bei Mensch und Tier gleich, sowohl ein Schnelltest als auch ein PCR-Test sind möglich. Eine Herausforderung ist hier in manchen Fällen die Tupferprobennahme, welche viele Tiere sicher nicht als angenehm empfinden.

Ab wann sollte ich mit meinem Tier zum Tierarzt?
Generell: Wenn es einem Tier nicht gut geht. SARS-CoV-2-positive oder an Covid-19 erkrankte Personen müssen in Deutschland nach wie vor in Quarantäne beziehungsweise Eigenisolation gehen und während dieser natürlich nicht mit einem Haustier zum Tierarzt gehen.

Derzeit grassieren Infektionskrankheiten wie Affenpocken und die Schweinepest. Sind sie von Tier auf Mensch und vice versa übertragbar? Wie lassen sich Ansteckungen vermeiden?
Schweinepest ist nicht auf den Menschen übertragbar. Es gibt eine ganze Reihe sogenannter Zoonosen, zwischen Mensch und Tier übertragbaren Krankheiten. Sie reichen von Affenpocken – die diesen Namen übrigens zu Unrecht tragen: Natürliche Wirte sind vermutlich bestimmte Nagetiere in Afrika. Sie wurden nur erstmalig bei Affen nachgewiesen – über Brucellose, Ebola, Rindertuberkulose und West-Nil-Fieber bis hin zur ältesten bekannten viralen Zoonose, der Tollwut.

Wie verbreitet sind diese Krankheiten?
Bei Affenpocken sehen wir derzeit eine nahezu weltweite Epidemie, andere Infektionskrankheiten spielen häufig eher regional eine Rolle. Nach wie vor führt die Tollwut jährlich zu rund 60.000 Todesfällen, insbesondere in Asien und Afrika. Gegen Tollwut gibt es eine Impfung, die bei einem Verdacht auf eine Infektion durchaus noch schützen kann. Sie muss allerdings innerhalb kurzer Zeit nach Infektion (zumeist durch Bisse infizierter Hunde) erfolgen – geht die Infektion erst einmal an, bestehen kaum Chancen, diese zu überleben. Influenzaviren können vom Menschen insbesondere auf Schweine übertragen werden und bei engem Kontakt bestimmte aviäre Influenzaviren („Vogelgrippe“) von Geflügel auf den Menschen. Prinzipiell schützen die Vermeidung von Kontakten, der Schutz von Lebensräumen von Wildtieren und eine gute Reisevorbereitung – wer eine Individualreise nach Afrika oder Asien plant, kann sich prophylaktisch nicht nur gegen Gelbfieber, sondern auch gegen Tollwut impfen lassen. Und sich informieren, welche Krankheiten mit welchen Symptomen im Urlaubsland vorkommen.

 

Professor Dr. Martin Beer
ist Fachtierarzt für Mikrobiologie und für Virologie sowie Leiter des Instituts für Virusdiagnostika am Friedrich-Loeffler-Institut. Das Friedrich-Loeffler-Institut ist das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit: Gegründet wurde es 1910 von dem Bakteriologen Friedrich Loeffler; seinen Hauptsitz hat es auf der zur Hansestadt Greifswald gehörenden Insel Riems. 

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