Lieb & teuer

 Alles ist kostspieliger geworden – auch tierärztliche Behandlungen. Welche Kosten können auf die Halter:innen von Hunden, Katzen und Kleintieren im Laufe eines Leben zukommen? Und was tun, wenn sie das Haushaltsbudget übersteigen?

Illustration: Vanessa Chromik
Illustration: Vanessa Chromik
Natalie Decker Redaktion

Wer ein junges, verspieltes Kätzchen über den Teppich tapsen sieht, kann (oder will) sich oftmals nicht vorstellen, dass aus dem niedlichen Katzenkind einmal ein gemächlicher Senior wird – mit allen Zipperlein, die nun einmal zum Älterwerden dazugehören. Denn mit steigendem Alter nimmt auch bei Haustieren das Risiko für altersbedingte Erkrankungen zu. Bei betagteren Stubentigern sind es häufig die Nieren, die nicht mehr richtig funktionieren. Schätzungsweise bis zu 20 Prozent aller Katzen, die älter als sieben Jahre sind, leiden an einer chronischen Nierenerkrankung (CNE). Diese ist auch als chronische Niereninsuffizienz (CNI) beziehungsweise umgangssprachlich als Nierenschwäche bekannt.

Gemeint ist eine typischerweise schleichend verlaufende Krankheit, bei der nach und nach das Nierengewebe der Katze zerstört wird. Erste Symptome wie eine zunehmende Müdigkeit der Samtpfote werden häufig übersehen. Erst wenn deutlich sichtbare Krankheitsanzeichen hinzukommen, etwa Appetitlosigkeit und vermehrter Harnabsatz, schrillen bei vielen Katzenhalter:innen die Alarmglocken und sie bringen ihre Mieze in die Tierarztpraxis. Doch dann ist die chronische Nierenerkrankung häufig schon weit fortgeschritten, was die Behandlung kompliziert und dadurch auch teuer macht.

Die Therapie umfasst meist eine Ernährungsumstellung sowie die Gabe von Medikamenten, um die Begleiterscheinungen und die Folgeschäden der Krankheit zu lindern. Heilbar ist die chronische Niereninsuffizienz allerdings nicht. Je nach Krankheitsstadium bleiben dem tierischen Patienten nur noch wenige Tage oder sogar noch viele glückliche Jahre – regelmäßige Check-ups beim Tierarzt vorausgesetzt. Eine chronisch verlaufende Krankheit wie die Nierenschwäche der Katze belastet natürlich den Geldbeutel der Halter:innen. Wie hoch die Kosten konkret ausfallen, hängt unter anderem von der Schwere der Krankheit ab. Muss die Mieze in der Tierklinik stationär aufgenommen und mit Infusionen versorgt werden, um ihr Leben zu retten, kann das schnell zwischen 400 und 1.000 Euro kosten. Dazu kommen dann regelmäßige Kontrollen der Blutwerte, die pro Monat mit etwa 50 bis 120 Euro zu Buche schlagen, sowie Medikamente für monatlich ca. 30 bis 100 Euro.

WIE DIE TIERARZTRECHNUNG ZUSTANDE KOMMT

Wie viel Tierärzt:innen für ihre Leistungen abrechnen dürfen, ist gesetzlich festgelegt. Die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT), die beispielsweise auf der Webseite der Bundestierärztekammer einsehbar ist, listet verschiedenste Dienstleistungen, Behandlungen und Eingriffe detailliert auf. Allerdings gibt sie lediglich einen Gebührenrahmen vor. Denn tierärztliche Behandlungen können nach verschiedenen Gebührensätzen abgerechnet werden. Daher finden sich in der GOT für jede Leistung drei verschiedene Preise – jeweils berechnet nach 1-fachem, 2-fachem und 3-fachem Satz. Ein Beispiel: Die Leistung „Verband anlegen oder abnehmen“ kostet mit 1-fachem Satz 17,25 Euro, mit 2-fachem Satz 34,50 Euro und mit 3-fachem Satz 51,75 Euro. „Welcher Satz zur Anwendung kommt, können Tierärzte ,nach billigem Ermessen‘ selbst entscheiden“, erklärt Dr. Thomas Steidl, Fachtierarzt für Klein- und Heimtiere. „Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, etwa die Schwierigkeit des Falles, die lokalen Ortsmieten oder auch der Wert des Tieres.“ Das heißt: Dieselbe Leistung ist in einer modernen Tierklinik in bester Innenstadtlage höchstwahrscheinlich teurer als in einer kleinen Tierarztpraxis auf dem Land. Ebenso wird die Behandlung eines edlen Rennpferds wohl deutlich kostenintensiver ausfallen als jene eines einfachen Freizeitpferds.

Dazu kommt: Tierärzte im Notdienst dürfen bis zum 4-fachen Gebührensatz abrechnen und eine pauschale Notdienstgebühr in Höhe von 50 Euro netto erheben. Wenn der Hund also beispielsweise am Sonntagnachmittag vor ein Auto läuft, dabei schwer verletzt wird und sofort tierärztlich versorgt werden muss, ist die Tierarztrechnung höher als sie es nach demselben Ereignis an einem Montagvormittag gewesen wäre. Dr. Thomas Steidl ergänzt: „Nach dem 1-fachen Satz abzurechnen, ist für Tierärzte in der Regel nicht wirtschaftlich. Schließlich treffen uns aktuelle Entwicklungen wie die Inflation und die Energiekrise auch. Es gibt daher die allgemeine Empfehlung, mindestens den 1,2- beziehungsweise den 1,5-fachen Satz anzuwenden.“

NEUE GEBÜHRENORDNUNG

Zwar ist die Gebührenordnung für Tierärzte erst im letzten Jahr reformiert worden – doch der Ukrainekrieg und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen wurden bei der neuen Preiskalkulation noch nicht berücksichtigt. „Die alte Gebührenordnung stammte aus dem Jahr 1999, also noch aus D-Mark-Zeiten. Neue Untersuchungsmethoden, etwa bildgebende Verfahren wie CT und MRT, waren darin noch gar nicht berücksichtigt“, gibt Dr. Thomas Steidl zu bedenken. Für die Halter:innen von Katzen, Hunden, Kleintieren und Pferden bedeutet die Anhebung der Gebühren natürlich eine finanzielle Mehrbelastung. Seit am 22. November 2022 die neue GOT in Kraft getreten ist, werden beispielsweise für die Grundleistung „Allgemeine Untersuchung mit Beratung von Hund, Katze, Frettchen“ 23,62 Euro nach 1-fachem Satz fällig. Vor der Gebührenreform wurde dieser Posten mit 13,47 Euro bei Hunden und 8,98 Euro bei Katzen abgerechnet. Die Preissteigerung beträgt demnach bei Hunden 75 Prozent bei Katzen 163 Prozent. Sogar Preissprünge von über 200 Prozent sieht die neue Gebührenordnung vor, etwa bei der Leistung „Infusion (Schwerkraft)“ für Pferde. Diese wurde nach der alten GOT und 1-fachem Satz mit 12,84 Euro abgerechnet, seit 2022 mit 42 Euro.

Beim Deutschen Tierschutzbund hat man durchaus Verständnis für die Notwendigkeit der Gebührenreform. „Aus Sicht des Tierschutzes ist eine gute tierärztliche Versorgung aller gehaltenen Heim- und Nutztiere von allerhöchster Bedeutung. Hierzu braucht es selbstverständlich eine angemessene Entlohnung der in der Praxis tätigen Tierärzt:innen, damit in Deutschland langfristig ein flächendeckendes Netz von Tierarztpraxen und Kliniken, aber auch von Notdiensten erhalten bleiben kann“, sagt Pressereferentin Nadia Wattad. Gleichzeitig übt sie Kritik am Zeitpunkt der Gebührenerhöhung: „Hätte der Gesetzgeber schon vor Jahren reagiert und die Gebührenordnung immer wieder den aktuellen Rahmenbedingungen entsprechend angepasst, wäre der Sprung nicht so spürbar ausgefallen und es wäre auch eine bessere Planungssicherheit für Tierhalter:innen möglich gewesen.“

PROBLEMATISCHE QUALZUCHTEN

Doch auf welche möglichen Krankheitsbilder müssen sich Haustierhalter:innen überhaupt einstellen? Hunde leiden einer Studie zufolge häufig an orthopädischen und dermatologischen Beschwerden, Katzen eher an Beschwerden des Respirations- und Harntrakts. Bei Kleintieren wie Kaninchen, Meerschweinchen und Hamstern sind es vor allem Zahn- und Hautprobleme, die einen Gang in die Tierarztpraxis erforderlich machen. Nadia Wattad vom Deutschen Tierschutzbund weiß: „Das Auftreten von Krankheiten ist stark von verschiedenen Faktoren wie der Rasse oder dem Alter beeinflusst. Insbesondere bei kleinen Heimtieren wie Kaninchen und Meerschweinchen ist zu betonen, dass viele Erkrankungen haltungsbedingt sind und sich zum Beispiel auf eine falsche Ernährung, falsche

Unterbringung oder die Verwendung von tierschutzwidrigem Zubehör zurückführen lassen. Diese Erkrankungen wären also im Grunde vermeidbar, wenn die Tiere ihrer Art entsprechend gehalten werden würden.“ Die Tierarztrechnung, die die Tierbesitzer:innen am Ende überreicht bekommen, enthält alle Behandlungsschritte sowie eventuelle Laborkosten, Medikamente sowie verwendetes Material wie etwa Handschuhe, Tupfer und Verbände. Zu den angegebenen Honoraren kommt dann noch die Mehrwertsteuer. Eine aufwendige Zahnsanierung unter Narkose kann bei Kaninchen daher schnell zwischen 300 und 1.000 Euro kosten. „Zu den teuersten Behandlungen in der tiermedizinischen Praxis gehören Operationen, etwa an den Gelenken oder der Wirbelsäule“, erklärt Dr. Thomas Steidl. Für eine Kreuzband-OP beim Hund sollten Halter:innen zum Beispiel mindestens 1.600 Euro einplanen. Aber auch sogenannte Qualzuchten verursachen oftmals hohe Kosten, wie Nadia Wattad betont: „Bestes Beispiel hierfür sind brachyzephale Rassen wie Mops, Französische oder Englische Bulldogge, Boxer, und Chihuahua, aber auch Faltohrkatzen wie Scottish Fold oder Widder-Kaninchen.

Aufgrund der einhergehenden Qualzuchtmerkmale leiden die Tiere oftmals ihr Leben lang.“ Ein Mops, der aufgrund seiner züchterisch gewollten platten Nase kaum Luft bekommt, braucht meist eine Atemnot-OP. Bei diesem chirurgischen Eingriff wird das Gaumensegel gekürzt, eventuell werden auch die Nasenlöcher vergrößert und Schleimhaut aus den Nasenmuscheln entfernt. Bis zu 4.000 Euro kostet es, bis der überzüchtete kurznasige Vierbeiner endlich „mopsfidel“ ist.

Illustration: Vanessa Chromik
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DAS KINDCHENSCHEMA WIRKT

An derartige gesundheitliche Probleme denken natürlich die wenigsten Hundeliebhaber:innen, deren Herz für den niedlichen Mops schlägt. Runder Kopf, kurze Nase, große Kulleraugen: Das Kindchenschema wirkt. „Der Wunsch, ein Tier zu kaufen, kommt aus dem Bauch heraus“, sagt Dr. Thomas Steidl. „Besonders kritisch ist es, wenn Tiere über Online-Portale gekauft werden, ohne sie vorher anzuschauen. Niemand würde auf diese Weise ein Auto kaufen.

»Der Wunsch, ein Tier zu kaufen, kommt aus dem Bauch heraus«

Warum sollte es also bei einem Lebewesen eine gute Idee sein?“ Auch die Gesamtkosten, die im Laufe eines Tierlebens entstehen, werden gerne verdrängt, wenn einem der sprichwörtliche Dackelblick in den Kleinanzeigen begegnet. „Für einen 14-jährigen, nicht gelisteten mittelgroßen Hund sollte man mindestens 17.500 bis 20.000 Euro kalkulieren, bei Katzen mindestens 13.300 Euro“, erklärt Nadia Wattad vom Deutschen Tierschutzbund.

Besonders häufig unterschätzt werden die laufenden Kosten für kleine Heimtiere wie Kaninchen und Meerschweinchen, aber auch für Ziervögel wie Wellensittiche. Denn diese Tiere sind in der Anschaffung verhältnismäßig günstig. Während eine Rassekatze beziehungsweise ein Rassehund beim Züchter schnell über 1.000 Euro kostet, gibt es Nager und Langohren im Zoohandel meist zum Taschengeldpreis zwischen 30 und 50 Euro. Das verleitet zu unüberlegten Spontankäufen. Nadia Wattad warnt: „Nur weil die Tiere kleiner sind als Hund und Katze, bedeutet das keinesfalls, dass ein geringerer Aufwand für deren Haltung erforderlich ist – im Gegenteil. Auch die Kosten für die tiermedizinische Betreuung dieser Tiere sind nicht zu vernachlässigen und können unvorhersehbare Ausmaße annehmen.“

Dazu kommt, dass gesellige Kleintiere immer mindestens zu zweit gehalten werden müssen. So entstehen für ein Kaninchen-Pärchen im Laufe von zehn Jahren beispielsweise Haltungskosten in Höhe von mindestens 10.770 Euro, rechnet der Deutsche Tierschutzbund vor. Und auch ein Goldhamster, der zwar ein Einzelgänger ist und mit drei Jahren eine geringe Lebenserwartung hat, verursacht Kosten im vierstelligen Bereich. Mindestens 3.130 Euro müssen Hamster-Fans für seine Haltung einplanen – sollten zusätzlich unvorhergesehene tierärztliche Behandlungen notwendig werden, kann dies die Gesamtkosten in die Höhe treiben.

BEDEUTUNG VON TIERKRANKENVERSICHERUNGEN

„Angesichts steigender Preise wird es immer wichtiger, mögliche Kosten vor der Anschaffung eines Tieres zu bedenken. Gerade die Tierarztkosten, die bei Krankheit oder Unfall eines Tieres anfallen können, werden im Vorfeld häufig unterschätzt beziehungsweise nicht einkalkuliert, ebenso auch Kosten für die regelmäßig notwendigen Tierarztbesuche, wie beispielsweise im Rahmen einer jährlichen Impfung“, sagt Nadia Wattad.

„In keinem Fall darf dem Tier aber eine notwendige medizinische Behandlung aus Kostengründen verweigert werden. Dies würde bedeuten, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen – ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.“ Wer Probleme hat, eine hohe Tierarztrechnung auf einen Schlag zu begleichen, kann den oder die behandelnde:n Veterinär:in um eine Ratenzahlung bitten. „Wenn man das vorab abklärt, etwa bei OPs, ist das in der Regel kein Problem“, berichtet Dr. Thomas Steidl. Und auch den Abschluss einer Tierkrankenversicherung sieht er als gute Möglichkeit, um als Halter:in auf die gestiegenen Tierarztkosten zu reagieren: „Es gibt Vollkrankenversicherungen, die alles abdecken, sowie spezielle OP-Versicherungen um Kostenspitzen abzufangen. In Großbritannien sind inzwischen fast 90 Prozent aller Hunde krankenversichert.“ Und auch Nadia Wattad vom Deutschen Tierschutzbund empfiehlt allen Tierfreund:innen, sich frühzeitig mit dem Thema Tierkrankenversicherung auseinanderzusetzen: „Ob und welche Versicherung für das jeweilige Tier am sinnvollsten ist, muss individuell entschieden werden. In Einzelfällen, etwa wenn der Abschluss einer Versicherung nicht möglich oder sinnvoll ist, zum Beispiel aufgrund des Alters oder bekannten Vorerkrankungen des Tieres, sollte privat Geld zur Seite gelegt werden, um im Bedarfsfall finanziell in der Lage zu sein, das Tier medizinisch versorgen zu lassen.“

Was passiert, wenn Menschen die Tierhaltung nicht mehr stemmen können (oder wollen), sieht man aktuell in den deutschen Tierheimen. Viele Einrichtungen sind überfüllt und haben einen Aufnahmestopp verhängt. Nadia Wattad sagt: „Über die Gründe, warum Tiere im Tierheim landen, kann man häufig nur spekulieren, weil die wahren Gründe oft verschwiegen werden. Bei Fundtieren hat man überhaupt keine Info. Meist spielt Überforderung die entscheidende Rolle – sei es, dass man die benötigte Zeit, die anfallenden Kosten und/oder das Zusammenleben mit dem Tier im Alltag grundsätzlich unterschätzt hat. Die finanzielle Überforderung spielt also sicherlich mit rein.“ Illustration: Vanessa Chromik

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