Alles geregelt?

In der zweiten Lebenshälfte gehen Menschen die Dinge besonnener an und regeln vieles vorzeitig. Auch mit Blick auf die Endlichkeit des eigenen Lebens ist es ratsam, Entscheidungen zu treffen, solange man sie noch treffen kann.

Illustration: Carina Crenshaw
Illustration: Carina Crenshaw
Julia Thiem Redaktion

Er war schon zu Lebzeiten ein ehrgeiziger, intelligenter, geschäftstüchtiger und gewiefter Mensch. Und genau deshalb war John D. Rockefeller auch der erste Milliardär der Weltgeschichte. Wer mit so viel Geschick ein derart großes Vermögen anhäuft, hat natürlich auch seinen Nachlass bis ins Detail geregelt. Und so staunten die Verantwortlichen im Staat Florida nicht schlecht, als zur Testamentseröffnung 1937 lediglich von 26 Millionen US-Dollar die Rede war. Schließlich hatte man kurz vor dem Tod des Patriarchen noch das Erbschaftssteuerrecht geändert, um an seinem Vermögen mitzuverdienen. Rockefeller hatte aber schon zu Lebzeiten – und zwar lange vor seinem Tod – große Teile seines Vermögens an seine vier Kinder übertragen.

Wenn einem also mal wieder das Sprichwort „Ich bin doch nicht Rockefeller“ auf der Zunge liegt, sollte man sich ins Gedächtnis rufen, dass man es zumindest mit Blick auf die Weitergabe eines etwaigen Vermögens durchaus sein könnte – und dafür muss es nicht einmal das Ausmaß eines Rockefellers haben. Denn nach aktuellem Erbschaftssteuerrecht können Kinder lediglich einen Freibetrag von 400.000 Euro geltend machen, die Enkelgeneration sogar nur noch von 200.000 Euro. Es lohnt sich also schon bei kleineren Vermögen, eine mögliche Weitergabe aktiv und geschickt zu planen.  

Erben versus Schenken: Langfristig planen

Grundsätzlich gilt: Bei Erbschaften jenseits des Freibetrags verdient der Staat in Form einer Erbschaftssteuer mit. Demnach kann eine potenzielle Steuerlast durch Schenkungen zu Lebzeiten verringert oder sogar komplett vermieden werden. Allerdings ist hierfür eine frühzeitige und langfristige Planung vonnöten. Denn grundsätzlich gelten beim Schenken dieselben Freibeträge wie beim Erben – nur können die bei der Schenkungssteuer alle zehn Jahre aufs Neue ausgeschöpft werden.

Ein weiterer Vorteil beim Schenken: Wer schenkt, hat Recht. Anders als beim Vererben, wo beispielsweise Pflichtanteile berücksichtig werden müssen, darf man sein Vermögen zu Lebzeiten aufteilen, wie man möchte. Im Zweifel kann man so auch dafür sorgen, dass unliebsame Verwandte komplett leer ausgehen – wenn nämlich am Ende nichts mehr vom Vermögen übrig ist. Aber auch hier gilt: Planung ist das A und O. Wenn die Schenkung noch keine zehn Jahre zurückliegt, haben die gesetzlichen Erben einen Anspruch auf ihren Pflichtteil.

Testament ist nicht gleich Testament

Wer dennoch das Vererben dem Verschenken vorzieht, sollte mindestens ein Testament aufsetzen und sich hier unbedingt beraten lassen. Denn in Deutschland ist beispielsweise bei Widersprüchen das zuletzt verfasste Testament gültig. Wer also auf die Idee kommt, jedem seiner Kinder ein Testament zu hinterlassen, sorgt trotz guter Absichten potenziell für mehr Chaos und Unstimmigkeiten unter den Erben. Denn gleichzeitig kann man keine zwei oder mehr Testamente verfassen. Prominentes Beispiel hierfür ist Opernstar Luciano Pavarotti. Nach seinem Tod im September 2007 war die Verwirrung mit insgesamt drei Testamenten genauso groß, wie die Streitigkeiten zwischen der Witwe und den Töchtern aus erster Ehe. Umso erstaunlicher, dass der Streit um das auf insgesamt 360 Millionen Euro geschätzte Vermögen dann doch noch eine gütliche Einigung fand. Von einer solchen Ausnahme darf man sich jedoch nicht täuschen lassen: Ist ein Erbschaftsstreit erst einmal entfacht, sind die Gräben meist tief und das Sprichwort „Blut ist dicker als Wasser“ gilt längst nicht mehr.

Außerdem sollte man sich gut überlegen, wo man ein Testament aufbewahrt. Im Nachtschrank hat es wenig Wirkung, wenn der Inhalt demjenigen nicht gefällt, der es findet. Man kann nur mutmaßen, aber sicherlich sind schon einige Testamente aus eben solchen Gründen verschwunden. Besser ist es daher, seinen letzten Willen bei einem Nachlassgericht, Rechtsanwalt oder Notar aufbewahren zu lassen.

Mit dem Vermögen Gutes tun?

Natürlich ist es auch möglich, den Nachlass zu spenden. Schließlich hat das letzte Hemd keine Taschen. Allgemein wird dann gerne von einer „Testamentsspende“ gesprochen, was rein juristisch betrachtet allerdings unsauber ist. Auch für die Spende muss ein Testament aufgesetzt werden und dort als Erbe eine juristische oder natürliche Person benannt werden. Für alle, die darüber nachdenken, ihr Geld dem geliebten Haustier zu hinterlassen: Das ist in Deutschland nicht möglich. Auch sollten die Formulierungen möglichst sauber sein, wie die Spende verwendet werden soll. Wer „sein Vermögen dem Tierschutz“ hinterlassen und sichergehen will, dass es dort auch ankommt, sucht idealerweise konkrete Organisationen raus und bindet die Erbschaft vielleicht sogar an ein bestimmtes Projekt, das gefördert werden soll. Je klarer die Formulierung, desto eher passen Verwendungszweck und Vorstellung am Ende zusammen. Vom Pflichtteil, der möglichen Angehörigen zusteht, entbindet eine solche Testamentsspende jedoch nicht. Auch hier ist Beratung daher ratsam, damit nach dem Tod nicht unnötige juristische Kämpfe ums Erbe ausgefochten werden müssen.

Illustration: Carina Crenshaw
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Die Grauschattierungen zwischen Leben und Tod

Neben der eigenen Sterblichkeit verdrängen Menschen zudem gerne, dass sie jederzeit auch eine schlimme Krankheit ereilen kann oder sie durch einen Unfall nicht mehr handlungsfähig sind. Aber den wenigsten ist bekannt, dass dann weder Ehefrau oder Ehemann noch die eigenen Kinder und schon gar nicht Freunde oder andere Verwandte rechtsverbindliche Entscheidungen für sie treffen. Manch einer mag sich jetzt fragen: Warum sollten sie auch?

Nun, im Idealfall sollten und müssen sie es nicht. Denn dann ist man ein Leben lang selbst in der Lage, alle wichtigen Entscheidungen zu treffen. Wenn aber ein Verkehrsunfall oder eine schwere Krankheit das Leben innerhalb von Sekunden auf den Kopf stellen
– und sei es nur temporär –, sind wir auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen, und die – so sieht es das deutsche Gesetz vor – erhalten wir in Form eines rechtlichen Betreuers oder einer Betreuerin.

Richtig gehört. Anstatt des Lebenspartners oder  der Lebenspartnerin wird ein rechtlicher Betreuer zur Seite gestellt, der die Betroffenen unterstützen und vertreten soll – etwa bei der Regelung ihrer Finanzen, gegenüber der Pflege, Ärzteschaft oder auch Behörden. Geregelt wird all das durch das im Jahr 1992 verabschiedetes Betreuungsgesetz, das bisherige Konzepte wie Entmündigung oder Vormundschaft für Erwachsene abgelöst hat. Und eine rechtliche Betreuung ist gar nicht so selten. Laut Angaben des Bundesverbands der Berufsbetreuer:innen werden mittlerweile rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland rechtlich betreut.

Mir passiert schon nichts

Zugegeben, sich mit dem schlimmsten Fall zu beschäftigen, ist nie schön. Doch gerade die vergangenen Jahre mit dem Corona-Virus haben uns gezeigt, wie schnell man zumindest temporär handlungsunfähig werden kann. Covid-19 hat bei schwerem Verlauf so manchen Bundesbürger an die Beatmung oder in ein künstliches Koma gebracht, weil der Körper die Symptome anders nicht mehr bekämpfen konnte. Wer überweist in diesem Fall die Miete? Wer regelt alles Notwendige mit der Krankenkasse? Oder im Fall einer Selbstständigkeit: Wer leitet den Betrieb in dieser schwierigen Phase?

Katy Hoffmeister, Justizministerin in Mecklenburg-Vorpommern, appelliert deshalb: „Jeder Erwachsene sollte eine Vorsorgevollmacht erstellen, sofern eine Vertrauensperson diese Aufgabe übernimmt. Schon die Tatsache, dass noch viele glauben, Eheleute könnten sich im Fall einer Betreuungsbedürftigkeit automatisch gegenseitig, zum Beispiel in Gesundheitsangelegenheiten, vertreten, ist ein Irrtum.“

Das kann auch Matthias Olbert bestätigen. Der Generationenberater aus Nürnberg hat häufig Kunden vor sich, die bei einer schweren Erkrankung des Partners, nach einem Unfall oder auch dem Verlust eines geliebten Menschen schlicht und ergreifend nicht wissen, was zu tun ist – weil nie darüber geredet wurde. „So unangenehm das Thema auch sein mag, die Wahrheit ist, dass es wohl früher oder später jeden auf die eine oder andere Weise betreffen wird“, weiß Olbert zu berichten.

Von der Wiege bis zur Bahre

Neben den Unterschieden zwischen Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung kann es zudem sinnvoll sein, sich schon vor dem eigenen Ableben mit seiner Beerdigung auseinanderzusetzen – vor allem, wenn man konkrete Vorstellungen wie etwa einen Friedwald als letzte Ruhstätte, die Feuer- oder gar Seebestattung hat. Am besten eignet sich hierfür ein Bestattungsvorsorgevertrag. Neben den persönlichen Wünschen zum Rahmen der Trauerfeier werden dort in der Regel auch die Bestattungskosten geregelt. Wer nur sichergehen möchte, dass Angehörige die Kosten für die Beerdigung nicht tragen müssen, kann beispielsweise auch eine Sterbegeldversicherung abschließen. Hier werden die Kosten wie bei jeder Versicherung über die monatlichen Beiträge „vorfinanziert“. Und wie bei vielen anderen Versicherungsarten gilt auch hier: Je früher die Sterbegeldversicherung abgeschlossen wird, desto günstiger sind die monatlichen Beiträge. Sterben ist tatsächlich doch deutlich komplexer, als man zunächst glauben mag – zumindest, wenn man sich intensiver mit den dazugehörigen Themen beschäftigt.

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