Ruhiger Blick in die Zukunft

Mitten im Leben schmieden wir Pläne, träumen von Reisen und neuen Projekten. Doch manchmal schleicht sich eine unbequeme Frage ein: Was passiert, wenn ich plötzlich nicht mehr für mich selbst entscheiden kann?

Illustration: Sophie Mildner
Illustration: Sophie Mildner
Carola Hoffmeister Redaktion

Marianne Becker hat ihre Entscheidung getroffen. Ordentlich gefaltet liegt der DIN-A4-Zettel mit der Patientenverfügung in der Schublade ihres Nachttisches. „Es war kein leichtes Thema, sich damit zu beschäftigen“, gibt die 58-Jährige zu. „Aber jetzt fühle ich mich erleichtert, weil ich weiß, dass ich alles für den Ernstfall geregelt habe. Ich habe festgelegt, was geschieht, wenn ich auf der Intensivstation lande.“
 

SELBSTBESTIMMT IN JEDEM MOMENT


Die Generation der Best Ager weiß aus Erfahrung, dass das Leben nicht immer nach Plan verläuft. Umso wichtiger ist es, auch in schwierigen Momenten die eigenen Wünsche durchsetzen zu können. Warum sollte das bei medizinischen Fragen anders sein? Seit 2009 ermöglicht das Patientenverfügungsgesetz in Deutschland, den persönlichen Willen verbindlich festzuhalten. Dadurch bleibt die Selbstbestimmung auch dann erhalten, wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist, sich zu äußern. Für Angehörige bedeutet das eine enorme Entlastung – denn Entscheidungen über Leben und Tod gehören wohl zu den denkbar schwersten Aufgaben.

Eine Patientenverfügung zu erstellen, ist einfacher, als viele denken. Ein selbst verfasstes Dokument, das am Computer geschrieben, ausgedruckt und – ganz wichtig – eigenhändig unterschrieben wird, reicht bereits aus, um rechtlich bindend zu sein. Weder ein Anwalt noch ein Notar sind dafür notwendig. Entscheidend ist jedoch die Präzision der Angaben. Allgemeine Formulierungen wie „würdevolles Sterben“ oder „keine unnötigen Maßnahmen“ sind zu vage. Besser ist es, konkrete Entscheidungen zu treffen: Möchte ich künstlich ernährt werden? Wenn ja, für wie lange? Soll eine Beatmung durchgeführt werden? Und wie stehe ich zu Schmerztherapien? Wer sich unsicher ist, kann sich bei medizinischem Fachpersonal oder auf Plattformen wie der Website des Bundesministeriums der Justiz beraten lassen. Dort gibt es Musterformulare und hilfreiche Leitfäden.
 

GEGENWART GENIESSEN


Damit die Patientenverfügung im Ernstfall griffbereit ist, sollte sie gut zugänglich aufbewahrt werden – idealerweise in Absprache mit einer Vertrauensperson. Regelmäßige Aktualisierungen am besten im Abstand von zwei Jahren sind ebenfalls wichtig. Ein Datum, das nicht zu lange in der Vergangenheit liegt, zeigt, dass die getroffenen Entscheidungen den aktuellen Überzeugungen entsprechen. Gespräche mit Angehörigen stellen ebenfalls einen wichtigen Schritt dar. Wenn sie über persönliche Herzensangelegenheiten informiert sind, können sie die individuellen Wünsche besser nachvollziehen und vertreten. Solche Unterhaltungen bieten außerdem die Gelegenheit, sich mit grundlegenden Fragen des Lebens zu beschäftigen. Die beste Zeit, um über die Zukunft nachzudenken, ist genau jetzt – nicht, weil das Ende naht, sondern weil man mitten im Leben steht. Eine Patientenverfügung ist kein düsteres Kapitel, sondern ein Ausdruck von Weitsicht und Mitgefühl – für sich selbst und die Menschen, die man liebt. Wer frühzeitig handelt, schafft Klarheit und kann die Gegenwart umso mehr genießen.

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