Der antike griechische Dichter Hesiod beschrieb um 700 vor Christus die Entstehung von Welt und Göttern. Auch für das Leben der gewöhnlichen Sterblichen hatte er ein Konzept. „Arbeit schändet nicht, Trägheit entehrt uns“ und „Im Unglück altern die Menschen früher“ wusste Hesiod, selbst Bauer und Viehhalter. Diese Haltung durchzieht viele Religionen und Philosophien. So gab sich der Benediktiner-Orden das Motto „Ora et labora“, bete und arbeite – ein Motto, das auch Langlebigkeits- und Glücksforschende unterschreiben. Ihnen folgen viele sogenannte Best Ager im Alter von 50 bis 70 Jahren, oft auch als junge Alte, Generation Gold oder Silver Surfer bezeichnet. Ganz in Hesiods Sinn ist für sie Arbeit im Alter ein Glücksfaktor. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) profitieren Menschen, die in Rente weiterarbeiten, von Struktur, sozialem Kontakt und dem Gefühl, gebraucht zu werden.
Wichtige Voraussetzung für die fortgesetzte Erwerbstätigkeit ist die psychische und physische Gesundheit, die vice versa wiederum durch die Arbeit gefördert wird. Damit die Leistungsfähigkeit erhalten bleibt, investieren Best Ager viel in Gesundheit und körperliche Attraktivität. Sie legen sich unters Skalpell der Schönheitschirurgie, lassen Gesicht und Körper straffen. Schwabbel ist inakzeptabel – auch wenn viele übergewichtig sind, bemüht sich der Rest, das Beste aus Körper und Lebenszeit zu machen.
Das hat gute Gründe. Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt, aber oft sind die letzten Jahre eher Qual als Vergnügen. Demenz, Krebs, Herz- und psychische Erkrankungen sind einige der Geißeln, unter denen Menschen im hohen Alter leiden. Das muss nicht sein, wie man inzwischen weiß; im Unterschied zu Hesiods Zeiten gibt es heute eine Menge Mittel und Wege, möglichst lange zu den Best Agern zu gehören und den Eintritt in den moribunden Lebensabschnitt hinauszuzögern.
LANGLEBIGKEIT ALS TREND
Für Fitness und Wellbeing gibt es Präparate von Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie. Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt, allein die Apotheken in Deutschland setzen mit ihnen pro Jahr mehr als drei Milliarden Euro um. Longevity, gesunde Langlebigkeit, ist das absolute Trendthema, auf das immer mehr Unternehmen und Social-Media-Influencer aufspringen. Dank zahlreicher Umfragen und Forschungsvorhaben aus Medizin, Biologie, Soziologie und Psychologie ist bekannt, dass ein krankheitsgeprägtes Alter kein unabwendbares Schicksal ist. Die Erfahrung zeigt, dass Glück und Zufriedenheit gerade im Alter überwiegend selbstgemacht sind. Epigenetik ist das Zauberwort – Gene und Lebensführung wirken jeweils zur Hälfte. Das bedeutet, das Glücksprogramm besteht aus dem weitgehenden Verzicht auf Genussmittel wie Alkohol und Nikotin, regelmäßiger Bewegung, mäßigem Essen, Fasten und dem gelegentlichen Sprung ins Eisbad. Nicht zuletzt ist, so Ratgeberinnen und Ratgeber, das richtige Bewusstsein – auf Neudeutsch „Mindset“ – entscheidend für ein gutes Leben. Auch hierfür gibt es Referenzen früherer Autoren. „Alt ist man dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude als an der Zukunft hat“, behauptete zum Bespiel der Romanautor John Knittel. Pragmatisch stellte er fest, man könne nicht verlangen, Glück fix und fertig ins Haus geliefert zu bekommen. Ähnliches empfiehlt der Buddhismus, der verbale Glückskekse bereithält: „Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Fokussiere dich auf das Jetzt“, soll Buddha empfohlen haben.