Versenkung im Sound

Die Welt der Audio-Trends ist unübersichtlich geworden. Neben dem Wunsch nach Rückzug ist auch eine Lust zum sozialen Austausch spürbar.
Illustrationen: Merle Schewe
Illustrationen: Merle Schewe
Marc Peschke Redaktion

Früher war alles ganz einfach. Damals, als der Begriff „Hi-Fi“ erfunden wurde. „High Fidelity“, als Qualitätsanspruch und -versprechen absoluter Wiedergabetreue. Heute ist die Welt der Hi-Fi- und Audio-Trends unübersichtlicher geworden. Komfort und Leistungsfähigkeit, die Qualität der Wiedergabe sind nicht mehr die einzigen Themen. Eine Vielzahl von Neuentwicklungen lassen technikbegeisterte Menschen jubeln. Seit einigen Jahren schon. Innovationen, Innovationen, Innovationen.

 

Hier den Überblick zu behalten ist gar nicht so einfach. Inzwischen schon fast klassisch sind tragbare Bluetooth-Lautsprecher, die immer größer und leistungsstärker werden. Immer häufiger blinken und blitzen sie auch. Die hybriden Geräte lassen sich schon via Sprachsteuerung bedienen – und taugen nebenbei auch als DJ-Mixer.

 

Überhaupt geht der Trend zur Multifunktionalität: Soundsysteme mit Netzwerk-Vollverstärkern können mit der eigenen Stimme angewiesen werden, bitte dieses oder jenes Lied zu spielen. Selbstverständlich nicht nur über eine Soundquelle, sondern dort, wo gewünscht – im ganzen Haus und Garten. Plattenspieler spielen heute keineswegs mehr nur Platten ab. Nein, mit ihnen kann man selbstverständlich auch Vinyl digitalisieren. Auch hier ist natürlich Bluetooth-Technik am Start – und ein Verstärker unnötig: Kabellos wird der Sound an Lautsprecher oder Kopfhörer übertragen, inzwischen auch ganz ohne Riemenantrieb. Aktuell sind natürlich auch kabellose In-Ear-Bluetooth-Kopfhörer, die inzwischen mit langen Laufzeiten überzeugen. Sie werden immer schlauer, passen sich den Geräuschen der Umgebung an – und machen totale Versenkung im Sound möglich.

 

Doch es ist auch ein gegenläufiger Trend zu beobachten, inzwischen beschrieben mit den Begriffen  „Social Audio“ oder „Connected Audio“: Konnektivität ist ein großes Thema, sozialer Austausch und Interaktion, die Verschmelzung von Audio, Internet und Endgeräten. Audiogenuss ist heute für jeden etwas anderes: Rückzug und Entspannung beim Lauschen der Lieblingssendung im Internetradio für die einen – eine Möglichkeit smarter Verbindung von etwa Smartphone oder Tablet, Wohnung mit Multi-Speaker-System und smartem Auto für die anderen.

 

Die alten Audio-Freaks, die Liebhaber des Haptischen, die gibt es auch noch. Sie lesen Fachmagazine wie „Mint – Das Magazin für Vinylkultur“, sammeln alte Schallplatten und neuerdings sogar wieder Musikkassetten. Doch es werden weniger: Die digitale Audio-Society ist schon seit ein paar Jahren zur Mehrheit geworden. Aber obwohl immer mehr Audio-Lovers die Schönheit immersiver, dreidimensionaler Audiowiedergabe beschwören, findet gleichzeitig eine Renaissance der kratzenden Vinylplatte statt. Dieser Audio-Trend ist ein Phänomen auch anderer Branchen: Es wachsen Nischenmärkte.

 

Schon haben Trendforscher die neue Lust auf „Slow Media“ ausgemacht. Das riesige Interesse an Podcasts deutet an, dass es vielen Nutzern und Nutzerinnen heute keineswegs nur um Zerstreuung oder Berieselung geht. Auch Sehnsucht nach Ruhe und Einkehr macht sich breit. Der US-amerikanische Marketingfachmann Seth Godin hat es auf den Punkt gebracht, wenn er feststellt, „dass wir mitten im 140-Zeichen-Zeitalter auch in einem goldenen Zeitalter der langsamen Medien leben.“

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