Mama, was ist Klimawandel?… Papa, warum fliegst du so viel? Das macht doch den Planeten kaputt…“, fragte die sechsjährige Lara, ohne zu ahnen, was sie damit in ihren Eltern auslöst. Keiner ihrer beiden Eltern hatte so schnell eine Antwort parat. Denn so einfach wie in der Welt der Kinder ist es für Erwachsene eben oft nicht. Die Antworten, die Stefanie Rocker ihrer Tochter spontan hätte geben können, fühlten sich damals nicht wirklich gut an. Und dann kam noch: „Mama, was arbeitest du eigentlich?“
Rocker ist keine Ingenieurin, die an einer der Quantensprungtechnologien tüftelt, die dem Planeten mehr Luft verschaffen könnten. Sie ist keine Ärztin, die Menschenleben rettet oder Polizistin, die für Schutz und Sicherheit sorgt. Sie hatte einen hochdotierten Managerposten und man könnte sagen, sie setzte sich für die Gleichberechtigung der Frauen ein, indem sie als Vice President eines E-Commerce-Unternehmens in einer Liga mitspielte, zu der nur ganz wenige Frauen Zugang haben. Doch all das änderte für die dreifache Mutter nichts daran, dass ihr damaliger Job angesichts der Fragen, die ihre Kinder bewegten, für sie nur noch wenig Sinn ergab.
Doch zuallererst sucht Rocker keinen neuen Job, sondern nur einen Weg aus der eigenen Sprachlosigkeit. Was es so knifflig macht, mit Kindern über den Klimawandel zu reden, ist, dass es sich – anders als beim Monster unter dem Bett – um ein reales und existenzielles Angstthema handelt, dem mit Fakten erstmal nicht beizukommen ist. Im Gegenteil: In Fachjournalen, in denen es ja üblicherweise um Zahlen und Fakten geht, bekennen sich Forscher inzwischen ganz öffentlich zu ihren überwältigenden Gefühlen: „Die Wahrheit ist, dass wir von der Heftigkeit der extremen Wetterereignisse im Jahr 2023 schockiert sind. Wir haben Angst vor dem Neuland, das wir jetzt betreten haben“, schreiben Klimaexperten um William J. Rippl, Professor für Ökologie an der Oregon State University, im „Bericht über den Zustand des Klimas 2023“ des Bioscience Journals.
Klimaangst ist Zukunftsangst
Wie also mit Kindern ehrlich über den Klimawandel reden, ohne in Schreckensszenarien zu verfallen oder mit dem Finger auf Einzelne zu zeigen? Es ist der klassische Balanceakt zwischen der Aufgabe, Kindern die Welt zu erklären und dem natürlichen Instinkt, ihnen ein sicherer Hafen zu sein. Das ist an sich nichts Neues, in vielerlei Hinsicht ist es vielleicht sogar die zentrale Herausforderung des Elternseins. Neu ist jedoch das Ausmaß der vielfach verzweigten Metakrise. Längst geht es nicht mehr nur um Flora und Fauna, sondern um Grundfeste menschlichen Lebens. Klimaschutz ist in Wahrheit Menschheitsschutz und Klimaangst ist Zukunftsangst.
Anstatt nun vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, hilft es, erst mal an die konkreten Fragen der Kinder anzuknüpfen – und auf das Gefühl hinter der Frage einzugehen, rät Felix Peter, Schulpsychologe und Co-Sprecher des Vereins Psychologists for Future. Hinter „Mama, was ist Klimawandel?“ könnte zum Beispiel Neugier stecken oder aber Angst. Wer sich dessen bewusst ist, kann wahlweise Informationen oder Sicherheit vermitteln. Generell gilt aber: „Je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist es, ihnen zuallererst Geborgenheit zu bieten“, sagt Peter. Im Grundschulalter sei es daher empfehlenswert nur einzelne Aspekte, nicht aber das ganze Ausmaß der Krise, möglichst alltagsnah zu besprechen.
Das Erste, was wir „tun“ können, kommt also noch vor den Worten und sichtbaren Taten. „Egal, ob es um Monster unter dem Bett oder reale Krisen geht – Kinder brauchen es, sich gesehen und gefühlt zu fühlen“, sagt Lienhard Valentin. Er ist Gestaltpädagoge, Verleger und Autor des Buches „Die Kunst, gelassen zu erziehen“. Das geht, indem wir ihnen zuhören, ehrlich informieren, ohne zu bagatellisieren oder dramatisieren und alle Gefühle der Kinder da sein lassen, ohne uns selbst in diesen Gefühlen zu verlieren.
Eltern haben damit eine zweifache Vorbildfunktion – im Umgang mit Gefühlen wie im Vorleben von Nachhaltigkeit. Hilfreich sei es, so die Experten, wenn Eltern sich zunächst selbst fragten, wie sie zu großen Zukunftsthemen wie dem Klimawandel stehen. Gibt es einen blauäugigen Optimismus, von wegen alles wird gut, der technologische Fortschritt wird es richten? Oder einen Hang zum Aufschieben oder Hyperaktionismus? Denn, wenn wir aus unseren eigenen Abwehrmechanismen heraus anfingen, halbherzig Pflaster zu verteilen, fühlten sich die Kinder nicht gesehen, sondern verlassen, so Valentin.
Stefanie Rocker findet ihren Weg aus der Sprachlosigkeit durch Kinderbücher und die Logo-Nachrichten, die sie mit ihrer Tochter guckt. Sie erlebt die Geschehnisse dieser Welt durch die Gemütszustände und Fragen ihrer Kinder. Mit vier Jahren läuft ihr Sohn ihr jedes Mal hinterher, wenn sie das Zimmer verlässt, um das Licht auszumachen – sein Beitrag zum Energiesparen. Und als der Ukraine-Krieg beginnt, fragt er, ob sie nicht ein Auto kaufen könnten, das schnell genug fährt, damit sie wegfahren können, wenn die Atombombe kommt.
„Die Kinder zwingen uns, ehrlich zu sein, auch mit uns selbst. Die kognitive Dissonanz aufrecht zu erhalten, war da nicht mehr so leicht“, erklärt Rocker. Und sie beginnt still zu trauern, um den Zustand der Welt, der nicht so viel zu tun haben scheint, mit der heilen Welt, in der sie selbst aufgewachsen ist. Und plötzlich war er da, dieser „What-the-fuck-Moment“. Der Moment, an dem alles keinen Sinn mehr ergab, und ihr klar wurde: „Die Zukunft hängt auch von mir ab. Es war nicht mehr ein: Ich kann etwas machen, sondern ich muss etwas machen – jetzt.“