„Fracking“: Schlüssel- und nicht selten Reizwort, das seit einigen Jahren die energiepolitische Debatte nicht nur in Deutschland mitprägt. Fragen Sie einen Bergbauingenieur nach Fracking, so sieht er darin eine langbewährte Technologie zur Erschließung von Erdgasvorkommen, alternativ auch von Erdöl, Geothermie oder Sole für Heilquellen. In der politischen Debatte aber steht
„Fracking“ für die Frage: Wollen wir künftig noch Erdgasvorkommen im eigenen Land nutzen oder aber mittelfristig auf 100 Prozent Importe setzen. Weil es sich ökonomisch nicht lohne, ökologisch nicht vertretbar sei oder aber weil Deutschland als Energiewende-Vorreiter andere Zeichen setzen will. Die Entscheidung ist nicht trivial und wird weitreichende Konsequenzen haben: Für den Know-how-Standort Deutschland, für Arbeitsplätze und wohl nicht zuletzt auch für den Erdgaspreis, den beispielsweise jeder zweite Haushalt fürs Heizen zahlt.
Fakt ist: Die fossilen Energieträger sind auf lange Zeit unverzichtbar, sie decken den Löwenanteil des Energiebedarfs und werden das auch in den kommenden Jahrzehnten noch tun – weltweit, aber auch hier in Deutschland. Wer sich hier aus Importabhängigkeiten lösen will und die Möglichkeiten hat, sich breiter aufzustellen, ist gut beraten das auch zu tun. Ist das ein Widerspruch zur Energiewende?
Gerade nicht: Dass Investitionen in Erdgas gleichbedeutend seien mit einem Ausbremsen der Erneuerbaren, ist ein Trugschluss. Das zeigt ein genauerer Blick auf die verschiedenen Energiesektoren: Beim Hauptthema der Energiewende, der Stromerzeugung, spielt Erdgas eine eher kleine Rolle. Nur gut 10 Prozent des Stroms werden mit Erdgas erzeugt. Erdgas ist hier nicht Konkurrent der Erneuerbaren, sondern Konkurrent der Kohle, denn es geht in erster Linie um die Frage, wer in die Lücke stößt, die durch den Wegfall der Kernenergie entsteht? Unter Klimagesichtspunkten wäre Erdgas hier eindeutig die bessere Option, da es bis zu 50 Prozent weniger CO2 emittiert als Kohle.
Auch im Industriesektor steht Erdgas nicht in Konkurrenz zu den Erneuerbaren. Wie auch im Wärmemarkt ist Erdgas hier Energieträger Nr. 1 und dient der heimischen Industrie als wichtiger Rohstoff. Dieser lässt sich weder durch Wind noch durch Sonne ersetzen: Aus Wind lassen sich weder Möbel, noch Autoreifen oder Medikamente herstellen.
Deutschland braucht Erdgas nicht trotz, sondern wegen der Energiewende. Gerade deshalb ist die eigentliche Frage: Setzen wir künftig nur noch auf Importe und machen uns und unseren Industriestandort vollständig abhängig von Lieferländern – oder aber nutzen wir die eigenen Vorkommen? Einem zentralen Anliegen der Energiewende, der Reduzierung von CO2, würde letzteres zugute kommen: Die heimische Erdgasproduktion spart schon heute mehrere Millionen Tonnen CO2 gegenüber Importgas.
Allein die bisherige Erdgasproduktion im eigenen Land hat soviel CO2 eingespart wie sämtliche PKW auf unseren Straßen über einen Zeitraum von drei Jahren emittieren.
Die heimische Erdgasförderung bietet aber noch mehr: Über Jahrzehnte gewachsenes Know-how, hochqualifizierte Arbeitsplätze und weltweit einmalig hohe Umwelt- und Sicherheitsstandards. Hinzu kommen signifikante Förderabgaben, die in die Länderhaushalte fließen und nennenswerte Gewerbesteuern für die Kommunen. Die Chance auf ökonomische Vorteile haben aber nicht nur die öffentlichen Haushalte: Einer jüngsten Studie des renommierten Instituts IHS zufolge könnte die Nutzung des europäischen Potenzials an eigenem Erdgas die europäischen Gaspreise um bis zu 20 Prozent senken. Wie wichtig die sind, zeigen die jüngsten Investitionsentscheidungen in der energieintensiven Industrie. Milliarden-Investitionen, die einmal ins Ausland verlagert wurden, werden nicht wieder zurückkommen.
Da sollte man meinen, es sei eine gute Nachricht, dass Deutschland ein großes Potenzial an eigenem Erdgas hat. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt allein das Potenzial im Schiefergestein, also das sogenannte Schiefergas, auf bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter. Zum Vergleich: Das ist etwa dreimal soviel Erdgas, wie hierzulande seit den 1960er Jahren gefördert wurde. Während die herkömmlichen Erdgasvorkommen im Sandstein innerhalb einiger Jahre zur Neige gehen werden, bietet das heimische Schiefergas eine reelle Chance, um über Jahrzehnte einen signifikanten Anteil des Erdgasbedarfs aus eigenen Quellen zu decken.
Ja, um dieses Schiefergas zu fördern, braucht es das vieldiskutierte Fracking (genauer: Hydraulic Fracturing) Verfahren. Industrie und Fachbehörden haben damit seit Jahrzehnten Erfahrung, weltweit, aber auch hier im eigenen Land: Ein Drittel des in Deutschland geförderten Erdgases geht schon heute auf Fracking zurück. Die erste Fracking-Maßnahme wurde in Niedersachsen bereits im Jahr 1961 durchgeführt, bisher kam die Technologie hierzulande im Sandstein über 300 mal allein für die Erschließung von Erdgasvorkommen zum Einsatz. Umweltschäden hat es dadurch nicht gegeben. Trotzdem hat die Industrie gerade auch in den vergangenen Jahren alles daran gesetzt, die Technologie weiter zu verbessern. Das gilt vor allem für die eingesetzte Flüssigkeit in den neu zu erschließenden Schiefergaslagerstätten: Hier stehen nun Rezepturen zur Verfügung, die neben 99,8 Prozent Wasser lediglich noch zwei chemische Zusätze enthalten. Beide sind weder giftig, noch umweltgefährlich oder gesundheitsgefährdend, und beide sind biologisch leicht abbaubar. Damit haben wir eine wichtige Forderung aus Öffentlichkeit und Politik erfüllt. Zudem haben wir raumsparende Konzepte entwickelt, so dass die Förderung von Schiefergas nicht mehr Platz beansprucht als die Förderung von herkömmlichem Erdgas; deutlich weniger Platz als die Energieproduktion aus Wind und Sonne braucht Schiefergas allemal. Parallel hat sich eine Vielzahl von Studien mit der Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Schiefergaserkundung und –förderung befasst. Keine dieser Studien sieht einen Anlass für ein grundsätzliches Verbot. Vielmehr bereiten sie den Weg zu wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekten. Wir stehen bereit, diesen Weg zu gehen.
Was braucht es noch? Umweltverträglichkeitsprüfung für Fracking-Maßnahmen? Ja. Tragen wir mit. Transparenz? Ja, so legen wir beispielweise die genaue Zusammensetzung der Fracking-Flüssigkeiten offen. Was es aber auch braucht, ist ein klarer politischer Wille und ein Bekenntnis für den Rohstoff- und Industriestandort Deutschland. Engere Leitplanken setzen? Können wir akzeptieren. Schrauben fester ziehen? Einverstanden. Aber klar muss sein: Nach „fest“ kommt „ab“. Auch das ist dann eine Entscheidung. Ich bin sicher: Deutschland hat einen Schatz zu seinen Füßen, der es wert ist, ihn zu heben – gemeinsam, behutsam und getragen von dem Willen, bei der
Erschließung eines der wichtigsten Energieträger der Zukunft vorne mit dabei zu sein.
Dr. Ritva
Westendorf-Lahouse
Leiterin Unternehmenskommunikation, ExxonMobil Production Deutschland GmbH