Wachstumsmotor Raumfahrt: Hightech für den Alltag

Mit nationalem Know-how und internationalen Kooperationen kann Deutschland weiter „nach den Sternen greifen“ – „New Space“ erfordert flexiblere Prozesse und mehr privatwirtschaftliches Engagement
Thomas Jarzombek (MdB), Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt (links) und Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur, bei der ESA-Ministerratskonferenz Ende 2019 im spanischen Sevilla.
Thomas Jarzombek (MdB), Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt (links) und Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur, bei der ESA-Ministerratskonferenz Ende 2019 im spanischen Sevilla.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Beitrag

Raumfahrt ist eine Schlüsseltechnologie. Ohne satellitengestützte Kommunikation gäbe es keinen Mobilfunk, kein Fernsehen und kein mobiles Internet. Auch Navigationsdienste für Auto, Flugzeug, Schiff oder Bahn und Verkehrsmeldungen in „Echtzeit“ wären unmöglich. Der globale Handel basiert wesentlich auf Raumfahrt-Infrastruktur. Satelliten liefern uns essenzielle Informationen für Wettervorhersage, Forst- und Landwirtschaft, für den Klimaschutz und unsere Sicherheit. Raumfahrt ist aus unserem modernen Alltag nicht mehr wegzudenken.

 

Raumfahrt ist ein Wachstumsmarkt. Über Jahrzehnte eine staatliche Domäne, entstehen mit der „New Space“ genannten, privatwirtschaftlich finanzierten Raumfahrt neue Geschäftsmodelle. Mit durchschnittlich 6,7 Prozent pro Jahr ist die Raumfahrtökonomie in den vergangenen 15 Jahren mehr als doppelt so stark gewachsen wie die Weltwirtschaft insgesamt (3,5 Prozent).

 

Motor dieses Wachstums ist der steigende Bedarf an Raumfahrtservices. Stichworte sind hier Breitbandanbindung aus dem All, Ausbau des 5G-Netzes und belastbare Daten zur Beobachtung und Bekämpfung des Klimawandels. Diese Dienstleistungen gibt es nicht ohne Satelliten. Experten gehen davon aus, dass das Marktvolumen von 348 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 auf 900 Mrd. US-Dollar 2031 und bis 2045 sogar auf 2,7 Billionen US-Dollar wachsen wird. Deutsche Radarsatelliten oder die in Deutschland entwickelten optischen Kommunikationssysteme, die Laserstrahlen für eine sehr schnelle Datenübertragung von Satellit zu Satellit einsetzen, sind weltweit Spitzenklasse. Seit fünf Jahren entstehen zudem vermehrt Start-ups, die sich in dem Geschäft mit Kleinsatelliten engagieren wollen. Um hier nicht den Anschluss an die dynamische Marktentwicklung zu verlieren sowie angemessen an neuen EU-Programmen teilhaben zu können, muss Deutschland klug investieren.

 

Vergleicht man alle Raumfahrtländer auf der Erde, spielen die deutschen Raumfahrtunternehmen und Forschungsinstitute technologisch in der ersten Liga: Wir bauen High-Tech-Nutzlasten für Raumsonden und Satelliten, wir bauen das Service-Modul (ESM – European Service Module) des amerikanischen Orion-Raumschiffs, das in dieser Dekade zum Mond fliegen soll, oder auch die Navigationssatelliten für die europäische Galileo-Konstellation.

 

Neben einigen Großunternehmen finden sich Mittelständler und mehr als 120 Raumfahrt-KMU in Deutschland. Die Branche befindet sich mit über 10.000 Beschäftigten auf Wachstumskurs, die Umsätze nahmen von 2,1 Milliarden auf 3,0 Milliarden Euro zu. Deutschland besitzt eine vielfältige Industriestruktur und bildet mit Frankreich die zentrale Achse der europäischen Raumfahrt.

 

Wir, die Deutsche Raumfahrt-agentur im DLR, verfügen über ein Jahresbudget von 1,4 Mrd. Euro, um im Auftrag der Bundesregierung den deutschen Beitrag für die Europäische Weltraumorganisation
ESA und das „Nationale Programm“ für Weltraum und Innovation zu steuern. Das ESA-Engagement dient vor allem der Beteiligung an großen, internationalen Raumfahrtprojekten wie der ISS oder dem Wissenschafts- und Erdbeobachtungsprogramm. Das Nationale Programm ist das wichtigste Werkzeug zur zielgenauen Umsetzung der Raumfahrtstrategie der Bundesregierung, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen mittelständischen Industrie und zur Förderung von ESA- und EU-Programmen in Deutschland.

 

Herausforderungen und Perspektiven

1. Wettbewerbsfähigkeit ausbauen:
Die privatwirtschaftlichen Raumfahrtaktivitäten erfordern Inves-titionen und Engagement, damit insbesondere Start-ups und KMU an der dynamischen Entwicklung etwa bei Kleinsatelliten und Mikrolaunchern partizipieren können. Erforderlich ist eine signifikante Unterstützung deutscher Unternehmen in kommerziell interessanten Feldern mit attraktiven Geschäftsmodellen.

 

2. Technologischen Fortschritt unterstützen: Die technologischen Errungenschaften der Raumfahrt leisten einen einzigartigen Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft, z. B. in der Digitalisierung. Diese Kompetenzen müssen ausgebaut werden, insbesondere erfolgreiche Technologielinien, bei denen Deutschland derzeit mit an der Weltspitze steht – wie Quantentechnologie, Robotik und Künstliche Intelligenz.

 

3. Raumfahrtanwendungen („Down-stream“) stärken: Neben der Raumfahrtindustrie sollen sogenannte „Downstream-Märkte“ für Erdbeobachtungsdaten, Satellitenkom-munikation und Navigationssignale ausgebaut werden. Damit soll die Satellitendatennutzung und die Entwicklung von Raumfahrt-dienstleistungen und -anwendun-gen im internationalen Wettbewerb gestärkt werden.  

 

4. ESA-Investitionen optimal nutzen: Deutschland hat mit seinen Entscheidungen bei der ESA-Ministerratskonferenz „Space 19+“ eine Führungsrolle innerhalb der 22 ESA-Mitgliedsstaaten übernommen. Dieser strategische Vorteil kann nur umgesetzt werden, wenn dies durch Maßnahmen und Projekte auf nationaler Ebene flankiert wird, um Mittel für die Industrie und Wissenschaft nach Deutschland zu lenken. Deshalb machen wir uns für eine Aufstockung des nationalen Raumfahrtbudgets stark.

 

5. Teilhabe an EU-Programmen sichern: Die neue EU-Generaldirektion DEFIS wird bis 2027 rund 14,8 Mrd. Euro in Raumfahrtprojekte investieren, den Löwenanteil in die Flaggschiffprogramme, das Navigationssystem Galileo und das Erdbeobachtungssystem Copernicus, aber auch in Weltraumlage und hoheitliche Satellitenkommunikation. Im EU-Rahmenprogramm „Horizon Europe“ werden erstmalig die Themen Digitalisierung, Industrie und Raumfahrt verbunden. Außerdem verfolgt die EU-Kommission ambitionierte Pläne für eine Breitbandanbindung und möchte über eine europäische Trägerraketenstrategie sprechen.

 

6. Aktive Rolle im Klima- und Katastrophenschutz: Internationale Kooperationen eröffnen neue Märkte für die deutsche Industrie und sind ein Mittel der Exportförderung. Die neue US-Regierung möchte sich wieder stärker für die Bekämpfung des Klimawandels einsetzen. Dies eröffnet gute Chancen für bilaterale Projekte. Im Klima- und Katastrophenschutz könnte Deutschland mit seinen Spitzentechnologien auch im Rahmen der Vereinten Nationen eine strategische Rolle einnehmen.

 

www.dlr.de/GermanSpaceAgency

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