Auf dem Weg zu einer neuen Mobilität

Die Redaktion befragt Akteure zu den Herausforderungen der Verkehrswende.
April 2020 stern Mobilität der Zukunft

»Alle reden von on-demand – und meinen ÖPNV.«

Dr. Jan Schilling VDV-Geschäftsführer ÖPNV

Die Zukunft der Mobilität hat angesichts von Klima, Stau, Lärm und sauberer Luft vier Buchstaben: ÖPNV. Viele denken dabei an den Linienbus und übersehen, dass Pooling und Sharing stets Kernkompetenz und DNA des öffentlichen Verkehrs sind. Deutschlands Verkehrsunternehmen haben innovative Mobilitätsangebote auf den Weg gebracht, die aber bislang nicht überall finanziert werden konnten. Man sollte vorsichtig sein mit der Formel innovativer Dienstleister plus Digitalisierung plus Deregulierung ist gleich gute Mobilität. Diese geht nicht auf! Öffentliche Mobilität sollte so gestaltet sein: Die Metropolen werden durch den Bahn-Fernverkehr verknüpft und bieten vor Ort einen attraktiven ÖPNV, die Regionen sind über Regionalzüge angebunden: Ihr Netz bildet das Rückgrat für die letzte Meile, die flexibel mit (Sharing-)Angeboten bedient wird. Denn die Modelle der Mobilität außerhalb der Zentren – neben dem Linienbus – heißen: PlusBus, MultiBus, RufBus, KombiBus und Anrufsammeltaxi. All diese Angebote gibt es. Entscheidend ist das nachfragegerechte Gesamtsystem.


www.vdv.de

April 2020 stern Mobilität der Zukunft

»Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick.«

Dr. Christian Jacobi Mitglied des Vorstands Bundesvereinigung Logistik (BVL)

Der Handlungsdruck in den Städten ist enorm, urbane Räume stehen vor einer Reihe von großen Herausforderungen: Das Paketaufkommen steigt, insgesamt nimmt der Wirtschaftsverkehr zu. Zugleich gilt es, auf Stickoxid, Feinstaub und Verkehrsüberlastung zu reagieren.

 

Der interdisziplinäre Themenkreis Urbane Logistik der Bundesvereinigung Logistik (BVL) fördert seit drei Jahren den Austausch unter allen Beteiligten - Vertretern von Städten, (Bundes-)Ländern, Handel, Industrie, Logistikdienstleistern, Verkehrsplanern, Wissenschaftlern und Initiativen. „Aufeinander zugehen, miteinander reden – für die lebenswerte Stadt der Zukunft“, so das Credo der BVL. Denn die Verantwortlichkeiten, Handlungsspielräume und Interessenlagen unterscheiden sich erheblich. Mit unterschiedlichen Stakeholdern diskutieren wir gemeinsam gute Beispiele, bewährte Konzepte und innovative Projekte, die es lohnt, weiterzuverfolgen. Außerdem geht es darum, Wege und Kooperationsansätze mit einem ganzheitlichen Blick auf Logistik und Mobilität zu finden – und das akteursübergreifend.


www.bvl.de

 

April 2020 stern Mobilität der Zukunft

»Die Ladeinfrastruktur muss intelligent und zukunftssicher sein.«

Caroline Mayer wissenschaftliche Beirätin Bundesverband eMobilität e.V. (BEM)

Wenn die Entwicklung und Förderung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur weiterhin alle Produkt-Generationen zulässt, wird der Kunde noch lange auf Alltagstauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit warten. Das Wissen über den Zustand und Zugang zum Ladepunkt sowie eine intuitive Benutzerführung wird flächendeckend und zeitnah benötigt. Dabei können bestehende einheitliche Terminologien, Symbole und Standards zu mehr Akzeptanz von Anbietern und Nutzern führen, branchenübergreifend erarbeitete Empfehlungen hierzu sind vorhanden. Aber anstatt Roadmaps konsensbasierter Diskussionen zu Rate zu ziehen, werden Themen wie Interoperabilität und Investitionssicherheit von Umsetzern unterschätzt und nicht nachhaltig verfolgt. Dies kann technologische Fortschritte wie kürzere Ladedauer, automatisierte Ladevorgänge und intelligentes Lastmanagement verzögern. Der BEM e.V. begrüßt deshalb Qualitätskriterien für den Auf- und Umbau öffentlicher Ladeinfrastruktur und den Einsatz von Fördermitteln im Sinne der Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit für den Kunden.


www.bem-ev.de

April 2020 stern Mobilität der Zukunft

»Wir müssen Mobilität neu denken.«

Kerstin Andreae Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung

E-Auto statt Verbrenner – sonst alles beim Alten: So stellen sich viele die Zukunft der Mobilität vor. Aber für eine echte Verkehrswende müssen wir Mobilität neu denken, statt zu versuchen, alte Konzepte in eine Zeit zu hieven, in die sie nicht mehr passen. Das Tanken eines Verbrenners beispielsweise lässt sich nicht mit dem Laden eines E-Autos vergleichen: Über 80 Prozent der Ladevorgänge finden zu Hause oder am Arbeitsplatz statt. Niemand muss extra zur Ladesäule fahren und warten, bis der Akku voll ist. Das Auto wird wie das Smartphone einfach über Nacht an den Strom angeschlossen. Die Politik sollte daher lieber den Bau privater Ladesäulen fördern, statt überdimensionierte Ziele für den Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur zu setzen. Anderes Beispiel: Heute besitzt rund jeder Zweite ein Auto. Doch gerade in Städten könnten Carsharing, E-Bikes und der ÖPNV künftig das eigene Auto überflüssig machen. Hier gilt es, Konzepte zu entwickeln, in denen die Fortbewegungsmittel nicht mehr nebeneinanderstehen, sondern einander ergänzen.


www.bdew.de

April 2020 stern Mobilität der Zukunft

„Die Zukunft der Mobilität ist digital.“

Achim Berg Präsident Bitkom

Die Coronakrise trifft die gesamte Wirtschaft mit voller Wucht. Mobilitätsanbieter leiden besonders unter Lockdown, geschlossenen Grenzen, Reise- und Veranstaltungsverboten. Vor allem junge und innovative Unternehmen vom E-Scooter-Verleih über Ride-Sharing-Anbieter bis zu Plattformen für Fernreisen erleben, dass ihr Geschäft praktisch auf Null zusammengebrochen ist. Wir müssen jetzt verhindern, dass dadurch die beginnende Verkehrswende hin zu einer intermodalen, digital vernetzten und ressourcenschonenderen Mobilität zurückgeworfen wird. Diese Krise lehrt uns, dass wir alle Lebensbereiche noch viel stärker digitalisieren müssen. Die Zukunft der Mobilität ist digital, vernetzt und autonom. Sie braucht unter anderem Datenplattformen, die Echtzeitinformationen über die verschiedensten Mobilitätsangebote liefern. Deren Basis wiederum sind eine vollständig digitalisierte Verkehrsinfrastruktur und funktionierende Standards für den Datenaustausch zwischen Verkehrsmitteln und Verkehrsteilnehmern. Auf dieser Basis können wir Mobilität völlig neu denken.


www.bitkom.org

April 2020 stern Mobilität der Zukunft

Mobilität ist essenziell in Zeiten der Krise.“

Axel Schäfer Geschäftsführer des Bundesverband Fuhrparkmanagement e.V.

Die globale Coronavirus-Pandemie hat auf viele Unternehmen einen noch nicht vorhersehbaren Einfluss. Mobilität ist erschwert. Die Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen Produkten und Dienstleistungen – ist essenziell. Dazu gehören vor allem Lebensmittel, für den ein oder anderen besonders auch Toilettenpapier und ein funktionierendes Gesundheitssystem.

 

Gesundheit, der Kampf gegen das Virus, geht in diesen Tagen absolut vor. Neben Ärzten, dem Krankhauspersonal und MitarbeiterInnen in den Supermärkten, Bäcker- und Metzgereien, sind es auch die Mobilitätsverantwortlichen in den Unternehmen, die einen verantwortungsvollen Beitrag dazu leisten, dass unser Versorgungssystem nicht zusammenbricht und die Fahrzeugnutzer in den Unternehmen mobil und sicher ihre Aufgaben bewältigen können. Hier zahlt es sich besonders aus, wenn Unternehmen bereits vor der Krise in die Digitalisierung ihrer Prozesse investiert haben, Online-Tools nutzen und Sicherheits- und Hygieneaspekte nie auf die leichte Schulter genommen haben.


 www.fuhrparkverband.de