Technologien der Zukunft

Die Redaktion befragt Akteure zur Innovationskraft der deutschen Wirtschaft.
Juli 2020 Handelsblatt Innovation 4.0

»Die Innovationsdynamik im Bereich E-Mobilität nimmt zu – auch dank eines veränderten Mobilitäts- bewusstseins.«

Markus Emmert Leiter der Arbeitsgruppen des Bundesverbandes eMobilität BEM

Mit dem Markthochlauf für E-Autos wächst das Bewusstsein für den Aufbau ausreichender Ladeinfrastruktur. Batteriebetriebene Autos können nur fahren, wenn Strom verfügbar ist, sei es an öffentlichen, teilöffentlichen, privaten oder Arbeitgebergebundenen Ladepunkten. Die Freiheit der Techniknutzung wächst aber auch dann, wenn die Strommengen steigen, Verbrauch sinkt und sich die Ladezeit verkürzt.


Von dieser Erwartung profitieren technische Weiterentwicklungen der nächsten Jahre, sei es bei den Batterien und den Fahrzeugen oder an den Ladesäulen und in den Stromleitungen. Sie alle werden ständig optimiert werden und den Markt beleben, von allen beteiligten Akteuren. Schon heute fährt ein normaler Kleinwagen mit einer 40kW-Batterie und einer 60-minütigen Schnellladung von 40 kWh ca. 250 Kilometer. Dass sich diese Werte ändern, ist sicher. Der Hypercharger ist das beste Beispiel dafür, dass Anbieter und auch Hersteller schon für die Zukunft produzieren. Die Hypercharger-Ladesäulen mit ihren 350kW Ladeleistungsmöglichkeit sind auf die Veränderung eingestellt. Derzeit gibt es zwar kein Elektroauto, das für eine solche Ladeleistung konzipiert ist. Doch der Trend ist gesetzt und das Henne-Ei-Problem gelöst: das Fahrzeug darf wachsen in seinen Leistungsmöglichkeiten, die Säule steht schon da. So geht Zukunft.


PS: In Deutschland geschieht das alles etwas spät, aber immer mehr Fachkräfte erkennen das Biotop Elektromobilität, Hersteller-Konsortien bündeln den Verstand und bearbeiten Schnittstellen-Probleme. Das ist der Weg.


www.bem-ev.de

Juli 2020 Handelsblatt Innovation 4.0

»Wir sollten die Krise nutzen, um uns auf Zukunftstechnologien zu besinnen.«

Dr. Oliver Grün Präsident Bundesverband IT-Mittelstand

Überall ist nun von einem Digitalisierungsschub durch Corona die Rede. Auf den ersten Blick stimmt diese Einschätzung für viele Bereiche auch. Doch dieser Schub ist ein zweischneidiges Schwert: Die gerade stattfindende Digitalisierung konzentriert sich auf die Bereiche Kommunikation und Kollaboration. Gleichzeitig werden viele digitale Zukunftsprojekte in Mittelstand und Industrie gerade jetzt gestoppt. Und diese Entwicklung ist sehr bedenklich. Denn in diesen Projekten würde in Technologien der Zukunft investiert und damit eine wirkliche digitale Transformation vorangetrieben werden.


Einigen Unternehmen bleibt angesichts der Krisensituation nichts anderes übrig, als Investitionen zu stoppen – sie müssen ihre Liquidität sichern und das hat natürlich Priorität. Doch bei längst nicht allen ist die Lage so ernst und die Krise darf nicht als Ausrede genutzt werden, um eine digitale Transformation anzuhalten. Denn so beschneiden sich die Unternehmen mittelfristig nur selbst ihrer Zukunft. Auch sollten die Unternehmer jetzt nicht in den Irrglauben verfallen, erfolgreich digitalisiert zu haben, weil sie im Homeoffice arbeiten können. Eine echte digitale Transformation erfordert eine Erweiterung oder Neugestaltung des Geschäftsmodells, in das Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz (KI) integriert werden. Die Krisenzeit sollte deshalb genutzt werden, um sich auf Zukunftsvisionen zu besinnen und nicht nach der Vergangenheit zu sehnen!


In manchen deutschen Traditionsunternehmen ist es eine Tugend, vor großen Visionen zurückzuschrecken und Vorsicht zu üben bei Trends. Doch das Zukunftsthema KI ist schon längst darüber hinweg nur ein Trend zu sein, der in der Zukunft liegt. Für viele Unternehmen der internationalen Konkurrenz gehört es schon zum Alltagsgeschäft dazu. Corona darf nun für die Unternehmen kein Grund sein, hier eine Entwicklung weiterhin zu verschlafen.


www.bitmi.de

Juli 2020 Handelsblatt Innovation 4.0

»Europa braucht eine KI-Plattform.«

Jörg Bienert Vorsitzender KI-Bundesverband

Mit großem Medienecho wurde am 4.Juni 2020 in einer virtuellen Konferenz mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire und vielen Vertretern aus Wirtschaft und Verbänden der Startschuss für das EU-Datencloud-Projekt Gaia-X gegeben. Erklärtes Ziel ist es, einen sogenannten virtuellen Hyperscaler zu etablieren, eine umfassende Cloud-Infrastruktur, an die sämtliche europäische Dienste andocken können. Mittels dieses „Goldstandards“ soll die Abhängigkeit von großen US-Anbietern reduziert und die digitale Souveränität Europas gestärkt werden.


Wir als KI-Verband begrüßen dies, dennoch sollte das Konzept weiter optimiert werden. Gaia-X fokussiert sich aktuell sehr auf die Bereitstellung von virtuellen Servern (Infrastructure-as-a-Service). Die Attraktivität von großen Cloud-Anbietern liegt aber zunehmend in der Verfügbarkeit von höherwertigen Diensten, Datenspeicherung und Datenbanken sowie ganzen Anwendungspaketen (Software-as-a-Service). Auch lassen sich einzelne Softwaremodule über Programmschnittstellen zu komplexen Applikationen zusammenschalten, ohne die darunterliegende Infrastruktur berücksichtigen zu müssen (Serverless Computing). Gerade hier punkten die amerikanischen Cloud-Anbieter, da sie neben der erforderlichen Rechnerkapazität auch über große Datenmengen verfügen.


Zur Etablierung eines wettbewerbsfähigen Cloud-Angebots aus Europa ist also auch Bereitstellung von höherwertigen Services inklusive eines Ökosystems von KI-Anwendungen erforderlich. Hierfür müssen neben der Bereitstellung von Datenpools vor allem einheitliche Schnittstellen und Prozesse definiert werden, über die die KI-Unternehmen Cloud-Nutzern ihre Produkte anbieten können. Vor allem Start-ups wird hierdurch erst die Möglichkeit gegeben, ihre Produkte zu skalieren und erfolgreiche Geschäftsmodelle zu etablieren.

 

www.ki-verband.de