Schritt für Schritt ans Ziel

Ein sehr weites Feld – so lässt sich Industrie 4.0 mit allen Auswirkungen wohl am besten beschreiben. Gewinnbringend nutzen kann sie nur, wer schrittweise und strukturiert vorgeht.
Lumir Boureanu
Lumir Boureanu
eurodata AG Beitrag

Herr Boureanu, warum tut sich gerade der Mittelstand schwer mit der Transformation in die digitale Industrie 4.0?

 

   Das liegt vor allem an der Komplexität des Themas. Die entscheidende Frage für jedes Unternehmen ist: Wo fange ich an? So simpel das zunächst klingen mag, ist es doch unter Umständen eine der am schwersten zu beantwortenden Fragen. Der Mittelstand hat die Industrie 4.0 mit ihren Chancen also sehr wohl erkannt, bis auf ein paar „Early Adopters“ ist es aber die Umsetzung, die für die meisten große Herausforderungen mit sich bringt. 

 

Wie kann man die Umsetzung leichter gestalten?

 

Unser Credo lautet hier ganz klar: Nicht die Technik sollte der Einstieg in die Industrie 4.0 sein, Unternehmen müssen bei ihren Geschäftsmodellen anfangen. Was nützt es mir, wenn ich alles von A bis Z digitalisiert habe, mein Geschäftsmodell aber in dieser neuen digitalen Welt nicht mehr funktioniert? Nehme ich jedoch mein bisheriges Geschäftsmodell als Grundlage, schaue vielleicht auch, was sonst noch in meiner Branche oder im erweiterten Umfeld passiert, bekomme ich schon ein klareres Bild davon, wie ich die neuen Chancen ganz individuell in meinem Unternehmen umsetzen kann.

 

Gibt es hier auch schon standardisierte Ansätze?

 

Wir sehen zwei Muster, denen die meisten Unternehmen folgen. Viele Unternehmen konzentrieren sich vor allem auf ihre Produkte und die Produktion. Ein Stichwort ist „Predictive Maintance“. Das Auto ist ein einfaches Beispiel hierfür. Es muss nicht mehr nach einer bestimmten Zeit oder Laufleistung zur Wartung, sondern meldet Verschleiß automatisch. Das ist eine wichtige Entwicklung. Allerdings sehen wir auch, dass Kunden diese Services bereits als selbstverständlich ansehen und nicht bereit sind, hierfür extra zu zahlen.

 

Weshalb das zweite Muster erfolgsversprechender ist?

 

In jedem Fall ist die zweite Sichtweise die wesentlich anspruchsvollere. Dabei geht es nämlich darum, die Sicht des Kunden einzunehmen und nicht mehr ein Produkt, sondern eine Dienstleistung anzubieten. Bleiben wir ruhig beim Auto: Sagen wir, Sie wollen in den Urlaub fahren und müssen dafür eine Strecke von 1.000 Kilometern zurücklegen. Statt sich ein eigenes Auto anzuschaffen, kaufen Sie die Dienstleistung 1.000 Kilometer und wählen dann zwischen dem Familienvan oder dem Cabrio. Alles Weitere wie Sprit, Service, Verschleiß ist in der Dienstleitung bereits enthalten. 

 

Gibt es solche Smart Services bereits?

 

Die Agrarindustrie ist hier weit vorn. Mähdrescher, Traktoren und anderes Erntegerät sind tatsächlich schon komplett digitalisiert, womit sich die Landwirte keine Maschine, sondern eine Rückversicherung einkaufen. Halte ich mich an die Vorgaben des Herstellers, wird mir ein bestimmter Ernteertrag garantiert. 

 

Das klingt nach vielversprechenden Chancen, aber auch hohen Risiken?

 

Absolut. Zum einen können sich deutsche Unternehmen eindeutig Wettbewerbsvorteile sichern, denn in China oder den USA ist man noch lange nicht so weit. Auf der anderen Seite können Smart Services auch zu deutlichen Verschiebungen am Markt führen. Und auch der Sicherheitsaspekt darf nicht unterschätzt werden. Niemand will, dass sein Mähdrescher fremdgesteuert werden kann.

 

Wie lassen sich diese Risiken umgehen?

 

In erster Linie über mehr Standardisierung. Und die fehlt derzeit noch. Wichtig ist auch, dass man systematisch und schrittweise vorgeht. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch immer sinnvoll. Ich denke, das ist die vielleicht wichtigste Lektion, an die man sich bei der Transformation in die Industrie 4.0 halten sollte.

 

Lumir Boureanu; Geschäftsführer und CTO eurodata tec

 

www.eurodata.de

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