Effizienz am Bau

Die Redaktion befragt Experten zu den aktuellen Herausforderungen in der Baubranche.
April 2018 Handelsblatt Bauen der Zukunft

»Das Potenzial der Solarenergie nicht verschenken.«

Carsten Körnig Geschäftsführer; Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar)

Seit bald einem Jahrzehnt müssen Neubauten anteilig mit Erneuerbaren Energien versorgt werden. Wer große Unabhängigkeit, hohe Preissicherheit und einen starken Beitrag zum Klimaschutz anstrebt, deckt die Strom- und Wärmeversorgung möglichst weitgehend mit Solarenergie ab – und macht sein Haus zukunftsfest für die Energiewelt von morgen. Die Preise für Solartechnik sind deutlich gesunken. Neue Photovoltaikanlagen erzeugen Solarstrom auf Wohnhäusern bereits ab 10 Cent je Kilowattstunde – beim Energieversorger zahlt man fast dreimal so viel. 2017 wurden rund 15 Prozent mehr Solarstromanlagen installiert als im Jahr zuvor. Insgesamt sind in Deutschland mehr als 1,6 Millionen Anlagen in Betrieb.

Bereits jede zweite neue Photovoltaikanlage wird mit einem Stromspeicher kombiniert. So muss man noch weniger Strom vom Energieversorger hinzukaufen. Die Kosten für Solarstromspeicher haben sich in den vergangenen vier Jahren halbiert, allein 2017 wurden in Deutschland mehr als 30.000 neue Solarstromspeicher installiert. Ein Stromspeicher ist schnell montiert und findet in jedem Keller oder jeder Garage Platz.

Angesichts der bevorstehenden Energiewende im Verkehrsbereich und dem Wunsch, bald auf saubere Elektromobilität umzusteigen, komplettieren viele Menschen die private Solarstromversorgung mit einer Ladesäule für Elektrofahrzeuge. Nach einer aktuellen Befragung planen 90 Prozent der Hausbesitzer, die demnächst ein E-Auto kaufen wollen, auch eine eigene Solarstromanlage anzuschaffen – und so ihre eigene Ökostromtankstelle zu betreiben.

Auch bei der Wärmeversorgung sollten Bauleute das Potenzial der Solarenergie nicht verschenken. Eine Solarwärmeanlage mit Wärmespeicher sorgt zuverlässig und viele Jahre lang für klimafreundliche Wärme – zu einem sicheren Preis, unabhängig von der Entwicklung der Gas- und Ölpreise. Solarwärmeanlagen lassen sich mit beinahe jedem erdenklichen Wärmeerzeuger kombinieren, etwa mit einem Holzheizkessel oder einer Wärmepumpe.
 

www.solartechnikberater.de

April 2018 Handelsblatt Bauen der Zukunft

»Einheitliche Standards für mehr digitale Wertschöpfung.«

Jan Peter Hinrichs Geschäftsführer; Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG)

Planer haben ein Problem. Wenn sie heute Produkte für ihre Gebäude bestimmen, dann stellt ihnen die jeweils verwendete Software nur eine sehr begrenzte Produkt-Auswahl zur Verfügung. Die Palette ähnelt so eher einem Tante Emma-Laden als Amazon.Der Grund: Bei der Vielzahl unterschiedlicher Programme und Standards, können die Hersteller unmöglich überall die notwendigen Produktinformationen hinterlegen. Das kann dazu führen, dass die Planer weder das technisch am besten geeignete noch das wirtschaftlichste Material auswählen. Am Ende wird damit ein Bau entweder teurer als nötig oder eben nicht so gut, wie eigentlich möglich. Uneinheitliche Daten-Standards entwickeln sich damit zu der zentralen Hürde für eine erfolgreiche und wertschöpfende Anwendung digitaler Prozesse. Das gilt für die Planer und Architekten genauso wie für die Bauherren und Hersteller der Bauprodukte. Wir brauchen deshalb eine Initiative, die sich dieser ungünstigen Entwicklung entgegenstellt. Ziel muss ein harmonisiertes, intelligentes und offenes Produktdatenmodell auf einer zentralen Plattform sein, das von allen eingesetzten IT-Systemen verwendet und interpretiert werden kann. Sie alle könnten dann auf eine einzige Datenbank zugreifen und so bessere Services mit besseren Ergebnissen anbieten.


Diese Datenbank sollte drei wesentliche Eigenschafen haben:
1.    Nur so viele Daten wie nötig: Die heute zur Verfügung gestellten 3D-Informationen und Produktattribute zeigen oft sehr detailliert den genauen Aufbau des Produktes. Hierdurch werden, insbesondere in frühen Planungsphasen, viele eigentlich unnötige Informationen durch den Planungsprozess „geschleppt“.
2.    Produktneutralität. Die Datenbank muss produktneutral sein, damit Compliance-Probleme im Planungsprozess vermieden werden.
3.    Offene Schnittstellen: Jede IT-Lösung muss seine Services auf Grundlage der Datenbank anbieten können.


Der BuVEG setzt sich dafür ein, ein solches zentrales Modell zu entwickeln.


www.buveg.de

April 2018 Handelsblatt Bauen der Zukunft

»Nachhaltig Bauen, aber wie?«

Dr. Christine Lemaitre Geschäftsführender Vorstand; Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB)

Der Wunsch, nachhaltig zu bauen, ist beileibe keine kurzweilige Trenderscheinung. Wer sagt schon freiwillig „Nein“ zu einem Plus an Gesundheit und Komfort, zu umweltverträglichen Materialien, mehr Energieeffizienz und geringeren Nebenkosten. Die Themen der Nachhaltigkeit sind vielfältig und ihre besondere Kraft entfaltet sich dann, wenn sie zusammenkommen anstatt für sich alleine zu stehen.


Nur, wie schaffe ich es als Bauherr oder Architekt, an all diese Aspekte zum richtigen Zeitpunkt zu denken und in der Planung und Bauausführung adäquat zu berücksichtigen? Wie gelingt es, die erhoffte Qualität auch tatsächlich sicherzustellen und alle regulatorischen Fallstricke zu umgehen? Ein Weg, der sich in den vergangenen zehn Jahren vermehrt durchgesetzt hat, ist die Nachhaltigkeitszertifizierung der DGNB, die bereits von über 2.800 Bauprojekten erfolgreich abgeschlossen wurde. Das Zertifizierungssystem gibt anhand von mehr als 30 Kriterien die notwendige Orientierung und zeigt über eine Vielzahl von Indikatoren, worauf es in der Umsetzung ankommt.


Worauf muss ich bei der Materialauswahl achten, wenn ich auf Schad- und Risikostoffe verzichten will? Wie kann ich meinen akustischen oder thermischen Komfort im Gebäude optimieren? Was kann ich tun, um spätere Kosten für Reinigung und Instandhaltung niedrig zu halten? Wer hier die richtigen Lösungen wählt, die helfen, das Gebäude besser und zukunftsfit zu machen, wird mit einem Zertifikat belohnt – als unabhängiger Beleg über die ganzheitliche Qualität der Immobilie.


Bei all dem steht der Mensch als Gebäudenutzer im Mittelpunkt. In diesem Sinne darf die Frage nach der Nachhaltigkeit auch nicht gleichgesetzt werden mit dem reflexartigen Ruf nach smarter Gebäudetechnik. Jedes Projekt ist individuell. Als Planungstool richtig eingesetzt kann die DGNB dabei helfen, sich frühzeitig und intensiv mit der jeweiligen Bauaufgabe im Detail zu beschäftigen und die richtigen Entscheidungen mit der notwendigen Weitsicht zu treffen.

 

www.dgnb.de