Medizin der Zukunft

Die Redaktion befragt Akteure zu aktuellen Entwicklungen auf dem Gesundheitsmarkt.
Oktober 2019 Die Zeit Zukunft Medizin

»Wir müssen Forschungs- ergebnisse schneller in die Versorgungspraxis überführen.«

Dr. Marc-Pierre Möll Geschäftsführer Bundesverband Medizintechnologie (BVMed)

Den Menschen ein längeres, gesünderes, mobiles und schmerzfreies Leben zu ermöglichen: das ist die tägliche Herausforderung der Medizintechnologie. Der medizintechnische Fortschritt ist dabei das Ergebnis einer Vielzahl kontinuierlicher Produkt- und Prozessverbesserungen. Die Entwicklungszyklen sind in der MedTech-Branche sehr kurz. Die Unternehmen benötigen daher innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, damit der medizinische Fortschritt auch zeitnah bei den Menschen ankommt.


Auf europäischer Ebene benötigen die Medizinprodukte-Unternehmen praxisorientierte Lösungen, damit alle Produkte nach der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) zertifiziert werden und den Anwendern und Patienten zur Verfügung stehen können. Hier drohen Versorgungsengpässe und damit Gefährdungen für die Patientenversorgung, die unbedingt vermieden werden müssen.


Auf nationaler Ebene setzen wir uns für einen zwischen Forschungs-, Wirtschafts- und Gesundheitsministerium abgestimmten „Strategieprozess Medizintechnik“ ein: Wir wollen den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, indem die mittelständisch geprägte Medizinprodukte-Branche als Leitmarkt und starker Wirtschaftsfaktor anerkannt wird. Wir wollen einen schnellen Innovationszugang für moderne Medizintechnologien sicherstellen, insbesondere auch für digitale Gesundheitsanwendungen. Wir wollen abgestimmte Maßnahmen gegen offensichtliche Defizite in der Versorgung, beispielsweise bei Diabetes, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


Moderne medizintechnologische Lösungen sind faszinierend. Wir müssen sie noch besser wertschätzen und Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung künftig schneller in die Versorgungspraxis überführen und qualitätsorientiert vergüten.

 

www.bvmed.de

Oktober 2019 Die Zeit Zukunft Medizin

»Patienten haben die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Studie behandeln zu lassen.«

Dr. Siegfried Throm Geschäftsführer Forschung des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)

Einiges an Medizin der Zukunft findet schon heute statt – zumindest, wenn es um Medikamente geht. Denn lange bevor diese eine Zulassung für die ärztliche Verordnung erhalten, werden sie schon in klinischen Studien mit Patientinnen und Patienten erprobt.


Die meisten dieser Studien finden nicht nur in einer einzigen Klinik statt, sondern in etlichen medizinischen Einrichtungen in vielen Ländern zugleich. Deutsche Kliniken und Arztpraxen sind besonders häufig an solchen Studien beteiligt. Bei der Mitwirkung an Studien, die von Pharmafirmen beauftragt wurden, ist unser Land sogar weltweit die Nr. 3 nach den USA und Großbritannien. Allein 2018 wurden hierzulande von Firmen 540 Studien zu 196 verschiedenen Krankheiten initiiert.


Für Patienten ergibt sich damit hierzulande oft die Möglichkeit, im Rahmen einer Studie behandelt zu werden. In den meisten Studien wird ein neues mit einem schon zugelassenen Medikament verglichen; dann erhält nicht jeder Teilnehmer die gleiche Medikation. Gleich ist aber für alle, dass sie im Rahmen der Studie meist gründlicher untersucht und betreut werden können, als das bei Routinebehandlungen möglich ist. Schon das kann ein Grund sein, sich zu einer Studienteilnahme zu entschließen. Manche Patienten wollen aber damit auch zum Fortschritt in der Medizin beitragen.


Gut zu wissen: Eine Medikamentenstudie genehmigen die zuständige Arzneimittelbehörde und die Ethik-Kommissionen nur, wenn die Vorergebnisse zum neuen Medikament gut waren. Diese Institutionen überwachen zudem – wie das arzneimittelentwickelnde Unternehmen auch – engmaschig den Verlauf der Studien, um die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten und bei positiven Ergebnissen die Medizin der Zukunft zügig zur Zulassung zu bringen.

 

www.vfa.de

Oktober 2019 Die Zeit Zukunft Medizin

»Die Digitalisierung im Gesundheitswesen braucht klare Ziele.«

Susanne Mauersberg Referentin im Team Gesundheit und Pflege des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv)

Das Gesundheitswesen muss digitaler werden, darüber herrscht Konsens. Aber welche Ziele und Wege die Digitalisierung verfolgt und was die Patientinnen und Patienten erwartet, darüber herrscht nach wie vor Unklarheit.


Deutschland braucht dringend eine eHealth-Strategie, die die Gesetzgebung ähnlich verbindlich anleitet wie ein Koalitionsvertrag. Denn die Kooperation der beteiligten Ministerien ist verbesserungsbedürftig. Jedes Bundesland geht beim Datenschutz bislang eigene Wege, sodass es noch nicht einmal ein einheitliches Einwilligungsformular für die Patienten in die Datenverwendung gibt. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen braucht klare Ziele und eine gute öffentliche Kommunikation.


Wichtige Entscheidungen, wohin die Reise künftig geht, trifft die Gesellschafterversammlung der gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte), in der das Bundesgesundheitsministerium inzwischen Hauptanteilseigner ist. Doch das Gremium tagt nicht öffentlich und ohne Patientenbeteiligung. Das kann und muss sich schnell ändern. Mehr Transparenz ist nötig – ebenso wie verständliche Informationen in geeigneten digitalen Formaten, auf die alle Bürger an zentraler Stelle Zugriff haben.


Der größte Nutzen eines vernetzten Gesundheitswesens ist die bessere Kooperation aller Leistungserbringer, die an der Behandlung eines Patienten beteiligt sind, und die bessere Kommunikation mit dem Patienten selbst. Zudem muss die Pflege – speziell die Altenpflege – einbezogen werden, wo der Nachholbedarf besonders groß ist.


Allerdings kann Technik hier nur ein Baustein sein. Andere Faktoren wie die verschiedenen Honorarsysteme in den Versorgungssektoren begünstigen eine aktuell schlechte Zusammenarbeit und Doppeluntersuchungen. Erforderlich ist deshalb eine konsistente Reformagenda für das gesamte System.

 

www.vzbv.de