Innovationstreiber Medizin

Die Redaktion befragt Akteure zu aktuellen Herausforderungen der Spitzenforschung.
April 2020 Die Zeit Zukunft Medizin

»Das E-Rezept betrifft alle Bürger.«

Dr. Markus Leyck Dieken Geschäftsführer Gematik GmbH

Der Patient steht im Mittelpunkt der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Seine Versorgung zu optimieren und zugleich seine Daten zu schützen sind dabei die Maßgabe. Darauf liegt auch der Fokus des Patientendaten-Schutzgesetzes. Mit diesem erhalten wir von der gematik eine Vielzahl an (neuen) Aufgaben, um die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens weiter voranzubringen – orientiert am tatsächlichen Versorgungsbedarf. Dafür stehen wir im intensiven Dialog mit allen Beteiligten. Zu keiner Zeit hat die gematik so viele direkte Gespräche mit Ärzten, Apothekern, Pflegenden und anderen geführt wie jetzt.


Das E-Rezept betrifft alle Bürger. Wir entwickeln die App dafür. Über diese sollen Versicherte ab 2022 ihr E-Rezept direkt auf das Smartphone laden und es dann in der Apotheke ihrer Wahl einlösen können. Die technischen Konzepte dafür werden wir zum 30. Juni 2020 veröffentlichen. Bei der elektronischen Patientenakte haben wir klar als Ziel den 1. Januar 2021 vor Augen. Die Krankenkassen sollen ihren Versicherten dann die Anwendung anbieten können. Darüber hinaus arbeiten wir schon an den im Gesetz genannten Ausbaustufen, um auch diese schnellstmöglich verfügbar zu machen.


Schließlich regelt das Patientendaten-Schutzgesetz auch Fragen des Datenschutzes: So sind Ärzte für Sicherheit ihrer IT-Praxissysteme verantwortlich. Dazu gehört unter anderem der sichere Anschluss der Technik – auch der Komponenten der Telematikinfrastruktur –, das regelmäßige Einspielen von Updates und der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Internet. Die gematik selbst ist für den sicheren Betrieb der Telematikinfrastruktur zuständig. Zudem werden wir künftig unter anderem die Identifikations- und Authentifizierungsverfahren der Telematikinfrastruktur koordinieren und überwachen.

 

www.gematik.de

 

 

 

April 2020 Die Zeit Zukunft Medizin

»Technologien sind Lösungstreiber.«

Dr. Marc-Pierre Möll Geschäftsführer Bundesverband Medizintechnologie BVMed

Die Herausforderungen an die Gesundheitsversorgung der Zukunft sind immens: Die Menschen werden immer älter. Die Zahl chronisch Kranker und multimorbider Patienten nimmt dramatisch zu. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte, beispielsweise Pfleger oder Ärzte in ländlichen Regionen.


Wie können wir diese Herausforderungen lösen? Ein Weg ist es, technologische Entwicklungen als Lösungstreiber zu fördern. Wir müssen stärker in technische Lösungen investieren und den technischen Fortschritt fördern, um die Patientenversorgung zu optimieren und das Personal effizienter einzusetzen.


Moderne Medizintechnologien können von dreifachem Nutzen sein: zum einen für den Patienten, indem sie Gesundheit wiederherstellen und die Lebensqualität verbessern. Zum anderen für den Beitragszahler, indem Sie Prozesse verbessern und effizienter gestalten und Krankheitstage vermindern. Außerdem für den Arbeitsmarkt, weil sie die Exportfähigkeit steigern und Arbeitsplätze schaffen.


Der rasante technische Wandel ist Treiber des medizintechnischen Fortschritts. Dieser dynamischen Entwicklung können wir aber nicht mit den herkömmlichen Bewertungs- und Erstattungsstrukturen der Selbstverwaltung in Deutschland begegnen. Wir brauchen neue und mutige Wege.

 

Konkret bedeutet das: Wir brauchen Fast-Track-Verfahren für digitale Medizin und Verfahren für kleine Patientengruppen und seltene Erkrankungen. Wir brauchen eine eigene Bewertungsmethodik für innovative Medizintechnologien. Und wir brauchen einen klaren Qualitätsfokus bei der Erstattung: bei Prozessen, Einrichtungen, Produkten und Dienstleistungen.

 


Alles in allem: Wir brauchen eine von der Politik begleitete Gesamtstrategie zur Förderungen technischer Lösungen in der Gesundheitsversorgung der Zukunft. Denn unser gemeinsames Ziel lautet: Länger gesünder leben!

 

www.bvmed.de

April 2020 Die Zeit Zukunft Medizin

»Biopharmazeutika sind vielseitige Medikamente mit großem Potenzial.«

Dr. Siegfried Throm Geschäftsführer Forschung Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)

Das Immunsystem eines Krebspatienten gezielt in die Tumorbekämpfung einbeziehen, vielen Rheumapatienten ein weitgehend symptomfreies Leben ermöglichen, sich mit Impfstoffen vor Hepatitis B, Ebola oder Gebärmutterhalskrebs schützen - das alles geht nur mit Biopharmazeutika, also gentechnisch hergestellten Medikamenten. Pharmaforscher wollen mit ihrer Hilfe künftig noch viel mehr Menschen helfen. Laut Biotech-Report 2019 von vfa bio und Boston Consulting Group werden dafür derzeit mehr als 600 neue Biopharmazeutika in klinischen Studien erprobt oder sind schon zur Zulassung eingereicht. Darunter sind Medikamente für Gentherapien, die es in den kommenden Jahren Patienten mit Gerinnungsstörungen oder anderen Erbkrankheiten ermöglichen sollen, mit einer einzigen Behandlung ganz oder weitgehend symptomfrei zu leben; bislang müssen sie ständig Injektionen oder Infusionen erhalten. Krebspatienten sollen vermehrt mit lebenden Medikamenten, nämlich gentechnisch veränderten Zellen, behandelt werden können, die Jagd auf Tumorzellen machen, oder mit anderen Biopharmazeutika, die huckepack ein zellabtötendes Molekül direkt bei Tumorzellen abladen und gesunde Zellen schonen.


Im Kampf gegen das neue Coronavirus (2019-nCoV) spielen Biopharmazeutika ebenfalls eine wichtige Rolle: Mehrere der Impfstoffe, die gerade dagegen entwickelt werden, sind Biopharmazeutika. Auch therapeutische Biopharmazeutika sind in Planung.


Zu ihrer Vielseitigkeit kommt bei Biopharmazeutika ein weiterer großer Vorteil: Sie sind gut biologisch abbaubar, so dass sie auch bei vielfachem Gebrauch nicht das Abwasser belasten können. Kein Wunder, dass heutzutage fast alle forschenden Pharma- und Biotech-Unternehmen auch Biopharmazeutika entwickeln.

 

www.vfa.de