Forschung für den Menschen

Die Redaktion befragt Akteure zu aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitsforschung.
Juni 2021 Die Zeit Gesundheit & Volkskrankheiten

»Volkskrankheiten wie Diabetes ganzheitlich denken«

Dr. Marc-Pierre Möll Geschäftsführer Bundesverband Medizintechnologie – BVMed

Moderne Medizintechnologien helfen bei Volkskrankheiten den Betroffenen, ihr Leben zu meistern und eine bessere Lebensqualität zu erzielen. Beispiel Diabetes: Verbundene und miteinander digital kommunizierende Systeme der Glukosemessung und der Insulingabe unterstützen das Diabetes-Selbstmanagement.


Wichtig ist aus Sicht des BVMed, dass wir chronische Erkrankungen wie Diabetes, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland strategischer angehen und ganzheitlicher denken.


Beispiel Adipositas: Menschen mit Adipositas müssen strukturiert behandelt und ihre Therapie finanziert werden. Die dauerhafte Begleitung von erkrankten Menschen kann dabei über telemedizinische Lösungen unterstützt werden.


Beispiel Diabetes: Die Stärkung der Versorgung von Menschen mit Diabetes erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der die Lebenswelten der Diabetiker:innen berücksichtigt. Neben einer adäquaten medizinischen Versorgung setzt dies einen funktionierenden Rahmen aus Information, Ernährung und Bewegung voraus. Dies erfordert nicht allein die Zusammenarbeit der entsprechenden Ressorts, sondern in der Praxis vor allem einen interprofessionellen Ansatz aus ärztlichen und nicht-ärztlichen, therapeutischen Leistungserbringern.


Die Digitalisierung von Kommunikation und telemedizinische Möglichkeiten können hierzu einen besonderen Beitrag leisten.


Wichtig ist, dass unsere Bewertungs- und Erstattungssysteme mit dem medizintechnischen Fortschritt Schritt halten. Eine Diabetesversorgung, die dem aktuellen medizinisch-technischen Stand entspricht, erfordert Prozesse und Verfahren, die diesen Weiterentwicklungen Rechnung trägt und den Menschen damit zeitnahen Zugang zu Innovationen ermöglichen.

www.bvmed.de

Juni 2021 Die Zeit Gesundheit & Volkskrankheiten

»Langzeitforschung für die Gesundheit«

Prof. Dr. Annette Peters Vorstandsvorsitzende NAKO Gesundheitsstudie

Die Covid-19 Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wertvoll unsere Gesundheit ist. Aber wie sieht es lang-fristig aus? Wie werden sich die Volkskrankheiten Krebs, Herzkreislauf- und Lungenerkrankungen, Diabetes und Depression entwickeln?


Auf diese Fragen wird die NAKO Gesundheitsstudie Antworten geben. Mehr als 205.000 Frauen und Männer im Alter von 20 bis 69 Jahren beteiligen sich an dieser Langzeitstudie. Die zufällig ausgewählten Teilnehmer:innen wurden erstmals von 2014 bis 2019 in 18 Studienzentren in ganz Deutschland untersucht. Dieses für 30 Jahre angelegte Projekt wird von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, den beteiligten Ländern und der Helmholtz Gemeinschaft finanziert. Epidemiologen und Forscher:innen aus ganz Deutschland arbeiten gemeinsam für die NAKO.


Gegenwärtig wird die Zweituntersuchung durchgeführt, die nach zirka vier Jahren die Veränderungen der Gesundheit abbildet. Während der ersten Welle der Corona-Pandemie mussten die Studienzentren schließen. Seit Juli 2020 aber können sie ihre Arbeit wieder fortsetzen und untersuchten seitdem mehr als 20.000 Teilnehmer:innen.


Daten aus der ersten Welle der Covid-19-Pandemie zeigen, dass Stress, Ängste und depressive Symptome angestiegen sind. Auch die Einsamkeit nahm bei 30 Prozent der NAKO Teilnehmer:innen zu. Dennoch – die Angst vor Covid-19 war kleiner als die Sorge an Krebs zu erkranken. Auch der Klimawandel wurde als großes Problem für die Gesundheit angesehen. Damit wird klar, die vielen Bereiche, die unsere Gesundheit bestimmen, müssen gemeinsam analysiert werden: Genau das ist das Ziel der NAKO Gesundheitsstudie.


www.nako.de

Juni 2021 Die Zeit Gesundheit & Volkskrankheiten

»Trotz Covid-19 konnte Pharmaforschung weitergeführt werden«

Han Steutel Präsident Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)

In den letzten Monaten hat Covid-19 die Aufmerksamkeit für andere Krankheiten weitgehend verdrängt; nicht nur in den Medien, sondern auch im persönlichen Umgang mit der Gesundheit: Viele Menschen schieben Vorsorge-Termine und Arztbesuche trotz schwerer Krankheiten immer weiter hinaus. Damit richtet die Pandemie Schaden an, der weit über Covid-19 hinaus geht.


Auch in den forschenden Pharma-Unternehmen erhielt Covid-19 höchste Aufmerksamkeit. Nur so konnten rasch Impfstoffe entwickelt werden, auf die hoffentlich bald weitere Mittel zur Therapie folgen. Doch zugleich wollten die Firmen andere Krankheiten nicht aus dem Blick verlieren. Das verlangte unter Pandemiebedingungen verstärkte Anstrengungen, da neu erfundene Medikamente stets in klinischen Studien erprobt werden müssen. Die Kliniken hatten jedoch coronabedingt oft weniger Ressourcen dafür. Das hat viele Studien verlängert; aber meist konnten sie doch weitergeführt werden. Großes haben auch die Arzneimittelbehörden geleistet, die sich trotz zahlreicher Corona-Sitzungen weiter um die Zulassung anderer Medikamente kümmerten.


Im Ergebnis konnten Pharma-Unternehmen 2021 bis Mitte Mai schon 20 neue Medikamente auf den Markt bringen. Zum Vergleich: In ganz 2020 waren es 32, im Jahr davor 25. Etliche der Medikamente sind für Patientinnen und Patienten mit häufigen Krankheiten bestimmt: etwa Influenza, überhöhter Cholesterinspiegel, Brust- oder Lungenkrebs. Weitere Mittel erweitern die Möglichkeiten, gegen multiresistente Bakterien vorzugehen oder HIV-Positiven zu helfen, deren ältere Medikation nicht mehr richtig wirkt. Und auch für Betroffene von seltenen Erkrankungen – angeborene wie Muskelatrophie und plötzlich auftretende wie Cholangiokarzinom – konnten Unternehmen die Behandlungsmöglichkeiten erweitern.


www.vfa.de