Vielfalt unter einem Dach

Was Familien in Deutschland heutzutage ausmacht, findet sich in zahlreichen Statistiken und Reports – sie belegen sogar, dass diese traditionellste aller Gemeinschaftsformen der Traum der Jugend ist.

Illustration: Ivonne Schreiber
Illustration: Ivonne Schreiber
Frank Burger Redaktion

Die Familie: Ihr widmen sich Politik und ganze Ministerien, Wissenschaft, Verbände, eine Flut an Ratgeberliteratur und Onlineangeboten, und das Grundgesetz stellt sie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. 

Stellt sich die Frage, an wen genau sich all diese Aufmerksamkeit eigentlich richtet, sprich: Was ist eine Familie? Nur Vater, Mutter und Kinder? Auch alle anderen Konstellationen? Und was brauchen oder wünschen sich Familien, wie und wovon leben sie, vor welchen Herausforderungen stehen sie?

Klar ist: Die Vorstellung von Familie unterliegt seit jeher einem permanenten Wandel – dennoch braucht es einen kleinsten gemeinsamen Begriffsnenner als Diskussions- und Handlungsbasis. Eine gesetzliche Definition von Familie existiert in Deutschland zwar nicht, in amtlichen Statistiken fallen darunter jedoch sämtliche Eltern-Kind-Gemeinschaften.
 

EIN FÜNFTEL SIND ALLEINERZIEHENDE


Wie sie hierzulande aussehen, zeigt ein Blick in den Familienreport des Bundesfamilienministeriums zur Situation 2023 und den Veränderungen gegenüber 2013: Die Zahl der Familien mit minderjährigen Kindern ist gestiegen, von 8,1 auf 8,5 Millionen. Die Daten entkräften überdies die landläufige Meinung, dass die Deutschen lauter Einzelkinder aufziehen – zwar lebt in fast der Hälfte aller Familien nur ein Kind, aber 2013 traf das sogar auf 54 Prozent zu und bereits 1975 waren es 46 Prozent. Zwei Kinder gibt es in 39 Prozent der Familien, 13 Prozent haben drei und mehr.

Nahezu unverändert ist der Partnerschaftsstatus: Rund 68 Prozent der Eltern sind verheiratet, nichteheliche Lebensgemeinschaften machen zwölf Prozent aus (2013: zehn Prozent), weitaus größer ist die Gruppe der Alleinerziehenden mit unverändert 20 Prozent. Mittlerweile sind 18 Prozent der Alleinerziehenden Männer, 2013 waren es nur zehn. Deutlich ist die Entwicklung bei sogenannten Regenbogenfamilien: Es gibt 11.000 unverheiratete gleichgeschlechtliche Paare, ein Anstieg um fast 60 Prozent; bei den Ehepaaren sind es 25.000 – der Zehnjahresvergleich entfällt, da es die Ehe für alle erst seit 2017 gibt.

Doch wo Partnerschaft, da auch Trennung: 2023 ließen sich etwa 65.600 Eltern mit minderjährigen Kindern scheiden, rund 109.000 Kinder waren davon betroffen, so das Statistische Bundesamt – hinzu kommt die unklare Zahl der Trennungen Unverheirateter. Insgesamt lebt ungefähr jedes fünfte Kind bei einem alleinerziehenden Elternteil, der häufigste Grund ist eine Trennung. Statistisch nicht erfassbar ist dagegen, wie viele Patchworkfamilien es gibt, in denen mindestens ein Partner Nachwuchs mitbringt, das Familienministerium geht von 9 bis 14 Prozent aller Familien aus. 

Bei einer Trennung, oder auch wenn Streit an der Tagesordnung ist, brauchen Familien oft Hilfe – sie finden sie beispielsweise auf der Online-Plattform www.stark-familie.info des Familienministeriums. Dort werden Fragen zu psychologischen, finanziellen oder juristischen Aspekten beantwortet, ein spezieller Bereich richtet sich explizit an Kinder und Jugendliche.
 

OMA UND OPA HELFEN MIT


Aber auch intakte Eltern-Kind-Gemeinschaften haben Sorgen und Bedürfnisse. So haben beispielsweise 49,1 Prozent der Eltern von Kindern unter drei Jahren Bedarf an einem Betreuungsplatz, die Betreuungsquote liegt aber nur bei 36,4 Prozent, so der Familienreport. Bei den Drei- bis Sechsjährigen ist die Lage entspannter, neun von zehn Kindern besuchen eine Tageseinrichtung. Eine ganz andere Betreuungsinstanz wird immer wichtiger: Großeltern. Um mehr als die Hälfte des Nachwuchses unter sechs Jahren kümmern sich regelmäßig Oma und/oder Opa, sagt eine Studie, die unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellt hat. Weit oben auf der Liste der Herausforderungen für Familien steht immer das Finanzielle: Paare mit Kindern verfügten im Jahr 2019 über ein durchschnittliches Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen von 24.350 Euro, so das Familienbarometer des Familienministeriums, jenes von Alleinerziehenden lag mit 15.440 deutlich darunter. Fast 39 Prozent der Eltern beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als eher gut, 45 Prozent als teils gut, teils schlecht, weitere zwölf Prozent als schlecht.
 

Illustration: Ivonne Schreiber
Illustration: Ivonne Schreiber

AUCH FAMILIEN SIND OBDACHLOS


In puncto Wohnen stellt sich die Lage so dar: Rund 54 Prozent der Familien mit Kindern wohnen in den eigenen vier Wänden, etwa 46 Prozent zur Miete, so das DIW. Die Hälfte aller Familien mit Kindern empfindet ihre Wohnung als zu klein, bei den Alleinerziehenden sind es rund 40 Prozent. Als klein definiert die Bundesregierung eine Wohnung, wenn die Zahl verfügbarer Räume kleiner ist als die Personenzahl im Haushalt – demnach leben rund fünf Prozent der Familien in kleinen Wohnungen. Alarmierend ist der Jahresbericht 2021 der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAGW: 10,6 Prozent der wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen in Deutschland lebten in Haushalten mit Kindern.

Hat die Familie also Zukunft? Fragt man Deutsche zwischen 21 und 25 Jahren, ist die Antwort eindeutig: rund 79 Prozent der Frauen und 72 Prozent der Männer wollen ein Kind beziehungsweise haben oder erwarten eines, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Und in der Shell Jugendstudie 2024 nennen mehr als 90 Prozent der unter 25-Jährigen als Lebensziel „ein gutes Familienleben führen“. 
 

FAMILIENUNTERNEHMEN

Familien sind ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor und nicht nur als privater Verbund von Menschen, die Geld verdienen und ausgeben, sondern auch in der Firmenlandschaft: als Familienunternehmen – Firmen, „bei denen die Eigentums- und Leitungsrechte in der Person des Unternehmers oder der Unternehmerin beziehungsweise deren Familie vereint sind“, so die knappe Definition des Instituts für Mittelstandsforschung IfM in Bonn. Zu ihnen zählen in Deutschland sowohl die in siebter Generation geführte Bäckerei um die Ecke als auch der Schokoladentafelmacher Ritter Sport, Aldi oder die Volkswagen AG. Eine ganze Reihe wissenschaftlicher Institutionen und Verbände beschäftigt sich mit dem Thema und alle kommen zu dem Ergebnis, dass Familienunternehmen hierzulande eine herausgehobene Rolle spielen: Die rund drei Millionen Firmen dieser Kategorie machen ungefähr 90 Prozent der Gesamtheit aller Unternehmen aus – EU-weit sind es gut 60 Prozent. Die deutschen Familienfirmen erzielen 55 Prozent aller Umsätze und sind Arbeitgeber für etwa 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
 

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