Von vierzig bis fünfzig sei die beste Lebenszeit, meinte Theodor Fontane. Der Autor des Romans „Effie Briest“ lebte von 1819 bis 1898. Mit 79 Jahren übertraf Fontane die durchschnittliche damalige Lebenserwartung im Gebiet des Deutschen Reichs, die für Männer bei rund 35 und für Frauen bei rund 38 Jahren lag, deutlich. Trotz schwerer Krankheiten wie Typhus und einem Schlaganfall sowie Finanzproblemen und Ehestreitigkeiten traf ihn der Tod, wie die Presse berichtete, in „großer Rüstigkeit“.
KONTINUIERLICHE LEBENSFREUDE
Auch heute sind für die meisten Menschen die letzten Jahre alles andere als ein Zuckerschlecken; gestorben wird oft im Heim oder Krankenhaus und kaum in großer Rüstigkeit. Der Alterungsprozess beginnt bereits in den 20ern; ab dem 60. Geburtstag leiden viele Menschen unter alterstypischen Erkrankungen wie Arthrose, Demenz, Osteoporose und Parkinson. Hinzukommen weniger dramatische und im Idealfall gut behandelbare Beschwerden wie Schwerhörigkeit, Inkontinenz und eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte und Knochenbrüche. Trotzdem erleben auch ältere Menschen sowohl flüchtige Glücksmomente als auch eine kontinuierliche Lebenszufriedenheit. Beide entstehen dank Botenstoffen im Gehirn wie zum Beispiel Dopamin, Serotonin, Noradrenalin und Phenylethylamin. Diese Hormone senken Schmerzempfinden und Stresslevel und verschaffen Sportlern, Verliebten und gelegentlich auch dem gefühlsmäßig einfach so dahindümpelnden Normalbürger rauschähnliche Zustände oder zumindest die allgemeine Lebenszufriedenheit, die sich einstellt, wenn die wichtigsten Bedürfnisse gestillt sind.
Betrachtet man einzelne Lebensphasen, so zeigen aktuelle Forschungen, dass die meisten Menschen von der Pubertät bis zum Alter von 70 Jahren kontinuierlich zufriedener werden. Allerdings gibt es eine Delle in der Mitte des Lebens. Die typische Midlife Crisis, die schon der Renaissance-Dichter Dante Alighieri als „dunklen Wald, wo ich meinen Weg verlor“ beschrieb, ist also keine Erfindung unserer Zeit.
»Die allgemeine Lebenszufriedenheit erreicht um die 70 herum ihren Höhepunkt.«
Die gute Nachricht: Hat man diese Phase überwunden, geht es wieder bergauf und die allgemeine Lebenszufriedenheit erreicht tatsächlich um die 70 herum ihren Höhepunkt. Ab dann geht es wieder bergab. Dies ergaben Studien verschiedener Teams von Psychologen und Sozialwissenschaftlern, an denen unter anderem Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln, der Ruhr-Universität Bochum, der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz gearbeitet haben.
DAS GLÜCK ZWISCHEN 50 UND 70
Vom Glück begünstigt und allgemein ziemlich zufrieden scheinen also vor allem jene Menschen zu sein, die Soziologen und Marketingfachleute als „Best Ager“ oder „Silver Ager“ beschreiben. Zu ihnen zählen Menschen ab dem Alter von zirka 55 bis 70, die körperlich und geistig fit und im Sinne der Beschreibung Fontanes „in großer Rüstigkeit“ sind. Weiterhin zeichnen sie sich durch relativ großen Wohlstand, Konsumfreude und einen Hang zu Qualitätsprodukten aus. Kein Wunder also, dass viele Branchen sie als interessante Zielgruppe entdeckt haben. Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, welche die Langlebigkeit fördern sollen, Reiseanbieter, die Komfort mit hohem Erlebnisgehalt verbinden, und Bekleidungshersteller, die mit Best-Ager-Models für ihre hochwertige und hochpreisige Konfektionsware werben, sind inzwischen an der Tagesordnung. „60 ist das neue 40“ oder „Man ist so alt, wie man sich fühlt“ sind beliebte Sprüche, wobei das gefühlte Alter oft zehn Jahre unter jenem Alter liegt, das im Ausweis steht. So besuchen inzwischen mehr Best Ager als deren Enkel Fitnessstudios, sie sind fit im Umgang mit Gesundheits-Apps und Social Media und offen für neue Technologien wie Online-Banking.