Digitale Transformation

Die Redaktion befragt Experten zu den Chancen und Herausforderungen des Internets der Dinge.
Mai 2016 Handelsblatt Internet der Dinge

»Einheitliche und ausgereifte Standards bilden die Grundlage für sichere Lösungen.«

Dr. Andreas Fink 1. Vorsitzender M2M Alliance

Die Digitalisierung der Wirtschaft bietet nicht nur einzelnen Branchen, sondern der gesamten Wirtschaft einmalige Chancen auf nachhaltigen Erfolg. Durch die intelligente Vernetzung von Maschinen, Anlagen und kompletten Systemen über das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) können ganz neue und zugleich wesentlich effektivere Services und Produkte angeboten werden, von denen die Unternehmen, deren Partner und deren Kunden gleichermaßen profitieren. Vor allem viele produzierende Unternehmen erkennen das zusätzliche Wertschöpfungspotenzial jedoch oft zu spät. Wer wartet, bis die Konkurrenz ihre Produktionsketten und Lieferwege optimiert hat, läuft Gefahr, am Ende nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. 

 

Wer dagegen entsprechend investiert, wird auch belohnt. Über das IoT erlangen Unternehmen eine bis dato nicht dagewesene Transparenz über alle Geschäftsbereiche hinweg und können so am Markt optimal agieren und reagieren. Diese Transparenz sollte sich selbstverständlich auf das eigene Unternehmen beziehungsweise autorisierte Personen beschränken. Der Schutz vertraulicher Informationen muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein. Deshalb sollte bereits im Vorfeld sorgfältig abgewogen werden, welche Schutzmaßnahmen man trifft und welche Schnittstellen zum IoT sinnvoll sind – und welche nicht.

 

Einheitliche und ausgereifte Standards bilden die Grundlage für sichere Lösungen. Gleichzeitig müssen diese Standards unternehmens- und länderübergreifend einsetzbar sein, um eine globale Vernetzung für effizienteres Wirtschaften zu ermöglichen. Hier ist auch die Politik gefragt, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Deshalb unterstützt die M2M Alliance nicht nur Unternehmen dabei, die richtigen Partner zu finden – angefangen von der Hardware über die Software bis hin zur Beratung –
sondern steht auch im regen Austausch mit den wichtigsten Schaltstellen in der Politik. Dadurch konnten in den letzten Jahren bereits viele wichtige Weichen für das IoT sowie die einzelnen Unternehmen gestellt werden. 

 

www.m2m-alliance.com

Mai 2016 Handelsblatt Internet der Dinge

»Schon heute nutzt fast die Hälfte der Industrieunternehmen (46 Prozent) Industrie-4.0-Anwendungen.«

Dr. Bernhard Rohleder Bitkom Hauptgeschäftsführer

Sie sind derzeit die Publikumsattraktion auf jeder Industriemesse: Drucker, die leise vor sich hin surrend aus Bits und Bytes dreidimensionale hochkomplexe Gegenstände herstellen. In kurzer Zeit entstehen so zum Beispiel Ersatzteile für Flugzeuge oder passgenaue Hüftprothesen. Eine Technologie also, die die deutsche Fertigungsindustrie von Grund auf revolutionieren kann – und damit ein hervorragendes Beispiel für das Potenzial, aber auch für die Herausforderungen von Industrie 4.0.

 

Insgesamt ist Deutschland bei der sogenannten vierten industriellen Revolution auf einem guten Weg. Schon heute nutzt fast die Hälfte der Industrieunternehmen (46 Prozent) Industrie-4.0-Anwendungen, wie eine aktuelle Befragung des Bitkom zeigt. Dabei haben die Unternehmen vor allem eines im Blick: die Optimierung bestehender Prozesse. Wie kann die Fertigung noch präziser auf Kundenwünsche abgestimmt werden? Wie können Materialkosten reduziert werden? Wie kann die Wartung von Maschinen noch reibungsloser funktionieren? Das sind allesamt essenzielle unternehmerische Fragen. In der Industrie 4.0 muss der Anspruch aber weiter reichen.

 

Eine Technologie wie der 3D-Druck bietet die Chance, Geschäftsmodelle von Grund auf zu verändern. Damit gehen neue Kundengruppen, neue Marktanteile, neue Umsätze einher. Vorstellbar ist zum Beispiel, dass ein bislang produzierendes Unternehmen künftig selbst gar keine Produkte mehr herstellt, sondern eine Plattform anbietet, über die 3D-Drucker individuell genutzt werden können – sodass sich der Kunde seine Waren künftig selbst ausdrucken oder ausdrucken lassen kann. Ähnlich disruptives Potenzial bieten Anwendungen wie Augmented Reality oder Big-Data-Analysen. Die Messeattraktion von heute kann also schon morgen zum „game changer“ werden. Diese Möglichkeiten sollten Unternehmen jetzt ausloten, wenn sie in der digitalen Wirtschaft erfolgreich sein wollen.

 

www.bitkom.org

Mai 2016 Handelsblatt Internet der Dinge

»Bereits über die Hälfte der deutschen Mittelständler sind in der digitalen Transformation engagiert.«

Dr. Thomas Kathöfer Hauptgeschäftsführer Forschungsnetzwerk Mittelstand (AiF)

Die Digitalisierung sowie das „Internet der Dinge“ haben im Mittelstand längst einen festen Platz. Ganze Branchen, wie beispielsweise die der Logistik oder des Maschinenbaus, wären ohne digitale Technologien nicht arbeits-, geschweige denn innovationsfähig. Studien zeigen, dass bereits über die Hälfte der Mittelständler in der digitalen Transformation engagiert ist. Die Bedeutung des „Internets der Dinge“ wird künftig weiter zunehmen. Um als Mittelständler in diesem Bereich fit zu bleiben, ist kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig.

 

Darüber sind sich die Unternehmer im Klaren, das zeigen unsere Zahlen: Gut ein Viertel aller Forschungsvorhaben, die im Rahmen der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) gefördert werden, befasst sich inzwischen mit dem Thema Digitalisierung, Tendenz steigend. Beispielsweise wurde im letzten Jahr in einem IGF-Projekt ein Schuh realisiert, der sich selbstständig öffnet und schließt. Gleichzeitig bestimmt er mithilfe modernster Bewegungssensoren und Algorithmen fortlaufend seine Position. Er merkt sich auch den Laufweg des Trägers. Das alles wäre schon spannend genug, der Clou aber ist, dass ein speziell entwickelter Energy Harvester in den Schuh integriert wurde, der die Betriebsenergie direkt aus dessen Bewegung gewinnt. Damit ist der „smarte Schuh“ nicht nur energetisch autark, er kann überschüssige Energie sogar in einem Akku speichern. 

 

Energy-Harvesting-Techniken finden auch im Logistikbereich Anwendung. Gerade hier, wo Waren über lange Strecken transportiert und dabei überwacht werden müssen, war die Energieversorgung der Sensortransponder lange Zeit ein Problem. Bis im Rahmen der IGF eine Lösung gefunden wurde: Wissenschaftler und Mittelständler haben gemeinsam einen multisensorischen Transponder entwickelt, der zur Energiegewinnung u.a. die Vibrationen nutzt, die während des Transportprozesses auftreten. Mit derartigen Lösungen erhält das „Internet der Dinge“ einen weiteren Entwicklungsschub.

 

www.aif.de