Neue Rollenverteilungen

Die Redaktion befragt Experten zu den größten Veränderungen in der Finanzbranche.
März 2020 WirtschaftsWoche Finance 4.0

»Banken verlieren ihre Schlüsselstellung.«

Achim Berg Präsident Digitalverband Bitkom

Wir erleben derzeit einen massiven Wandel der Finanzbranche, der von der Digitalisierung getrieben wird. Vor fünf Jahren hat nur jeder zweite Bundesbürger Online-Banking genutzt – heute sind es 7 von 10, bei den unter 65-Jährigen sogar fast 9 von 10. Bankkunden sind digitale Angebote einer Bitkom-Umfrage zufolge so wichtig wie persönliche Beratung – und wichtiger als eine bekannte Marke. Und zwei Drittel ärgern sich häufig darüber, nicht überall bargeldlos bezahlen zu können. Die Rolle der Banken verändert sich. Waren sie in der Vergangenheit unverzichtbare Intermediäre für alle Arten von Geldgeschäften, so verlieren sie nun diese Schlüsselstellung. In Zukunft werden Smartphone und Smartwatch die Steuerungszentralen für Bezahlvorgänge sein. Wer sich den Traum vom Eigenheim erfüllen will, geht längst zur Online-Plattform – genau wie kleine und mittelständische Unternehmen für die Finanzierung. Das alles führt dazu, dass die Finanzbranche in wenigen Jahren völlig anders aussehen wird als heute. Wer konsequent auf Digitalisierung setzt und vor allem digital denkt und den Kunden in den Vordergrund rückt, dem eröffnen sich aus diesen Veränderungen riesige Chancen.

 


www.bitkom.org

März 2020 WirtschaftsWoche Finance 4.0

»Gesetze müssen technikneutral bleiben.«

Florian Glatz Präsident Blockchain Bundesverband e.V

Digitalisierung verändert die Spielregeln der Finanzwirtschaft und die Blockchain macht in der Tendenz alte Geschäftsmodelle überflüssig. Prominentes Beispiel ist die Zentralverwahrung von Wertpapieren, die mit dem geplanten Gesetz zur Einführung elektronischer Wertpapiere überflüssig zu werden droht. Denn anstelle zentralverwahrter analoger Urkunden ermöglicht die Blockchain-Technologie die direkte Eigenverwahrung der Wertpapiere durch Anleger selbst, beziehungsweise aus Gründen der Sicherheit und Convenience durch technische Dienstleister, die seit dem 1. Januar 2020 hierfür in Deutschland eine Kryptoverwahrlizenz benötigen. Dabei geht es keineswegs darum,  Intermediäre als solche in Frage zu stellen, sondern lediglich gesetzlich die Offenheit zu schaffen, dass der Markt sich selbst organisiert um die effizienteste, kostengünstigste und sicherste Lösung für den größtmöglichen Teil der deutschen, europäischen und globalen Bevölkerung zu finden. Im Falle einer sich  rasant wandelnden Techniklandschaft, müssen Gesetze technikneutral bleiben.

 

www.bundesblock.de

März 2020 WirtschaftsWoche Finance 4.0

»In Zeiten der Digitalisierung muss man gemeinsam aktiv werden.«

Ulrich Binnebößel Experte für Zahlungssysteme beim Handelsverband Deutschland - HDE e.V.

Auch wenn Bargeld noch für lange Zeit das dominante Zahlsystem bleiben wird, werden unbare und hoch digitalisierte Bezahlsysteme verstärkt genutzt. Insbesondere die BigTechs aus den USA und Asien haben erkannt, dass der Zahlprozess einen wertvollen Beitrag zum jeweiligen Ökosystem bringen kann. Apple Pay, Google Pay, Alipay und WeChat Pay heißen die Aspiranten auf die Übernahme der Prozesse in ihr eigenes Ökosystem, sie kämpfen um Marktanteile. Die klassische Finanzindustrie hat hier bislang das Nachsehen, FinTechs ist bislang der Einstieg in den Massenmarkt nicht gelungen. Daher ist es jetzt an der Zeit, europäische Verfahren zu etablieren. Erste Ansätze sind zwar erkennbar. Allerdings geht es in Zeiten der Digitalisierung und der einfachen Skalierung neuer Services darum, gemeinsam aktiv zu werden und Einzelinteressen hintenan zu stellen. Digitalisierung muss also zumindest im Bereich Payment als Gemeinschaftsaufgabe der Finanzindustrie gesehen werden. Gelingt es, kann eine europäische Zahlungsinfrastruktur entstehen, die als Basis für Mehrwertdienstleistungen für den Fortbestand der Finanzwirtschaft in diesem Bereich dienen kann.

 

www.hde.de