Fortschritt in Zeitlupe

Die Wissensvermittlung von digitalen Themen findet auf Messen, Kongressen und Weiterbildungsveranstaltungen statt. Nur nicht dort, wo sie am dringendsten nötig wäre.
Illustration: Mario Parra
Juliane Moghimi Redaktion

Deutschland hat ein ernstzunehmendes Problem: die digitale Bildung. Eine großangelegte Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab 2017, dass 74 Prozent der deutschen Lehrer die „unzuverlässige Medientechnik“ an ihren Schulen bemängeln. Hinzu kommt die „nicht ausreichend professionalisierte Betreuung der technischen Infrastruktur“. Sie wird von 62 Prozent der Lehrer und 73 Prozent der Schulleiter bemängelt. 26 Prozent der befragten Schulleiter gaben außerdem an, in ihren Schulen gebe es überhaupt kein W-LAN. Nur 8 Prozent beurteilten die Qualität eines vorhandenen W-LAN-Anschlusses als sehr gut.

Das sind – gelinde gesagt – nicht die besten Voraussetzungen, um den Abstand, den Deutschland in puncto Digitalisierung schon jetzt zum Rest der Industrienationen hat, zu verringern. Richten soll das eigentlich der Digitalpakt des Bundes, ein Fünf-Milliarden-Euro-Programm, mit dem die Schulen in den kommenden Jahren fürs digitale Zeitalter fit gemacht werden sollen. Das erklärte Ziel ist, Grundschulen, weiterführende allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen mit digitaler Ausstattung wie Breitbandanbindung, WLAN und Geräten zu versorgen. Noch gibt es jedoch keine Einigung, wie der Widerspruch zwischen einem Förderprogramm des Bundes und dem Umstand, dass Bildung nun einmal Ländersache ist, aufgelöst werden kann. Und selbst wenn es dann soweit ist: Die öffentlichen Ausschreibungen, etwa für Baumaßnahmen zum Ausbau des Breitbandnetzes, sind langwierig. Bis tatsächlich Geld fließt, wird also noch einige Zeit ins Land gehen.


Auch gut gedachte Projekte wie etwa die bundesweite Schul-Cloud können angesichts der mangelnden technischen Voraussetzungen nur langsam in die Gänge kommen – abgesehen von den gut zwei Dutzend Pilotschulen, in denen die Cloud derzeit getestet wird. Aber hier zeichnen sich auch jenseits der technischen Ausstattung weitere Hürden ab: So verbieten viele Schulen die Nutzung privater digitaler Medien kategorisch. In Bayern gilt das Verbot sogar landesweit. Dass die Schulen jedoch in absehbarer Zeit ausreichend viele mobile Endgeräte zum Gebrauch im Unterricht anschaffen, ist wohl ebenso unwahrscheinlich wie die Annahme, wir könnten den Abstand beim Glasfaseranteil an unserem Breitbandnetz zeitnah verringern: Derzeit beträgt er zwischen Deutschland und dem Listenersten Japan mehr als 70 Prozentpunkte.

Dieses grundsätzliche Problem betrifft auch andere Projekte für die digitale Bildung – etwa die Digitalisierungskampagne des Verbands kommunaler Unternehmen. „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“, so das Versprechen. Das Bundesverkehrsministerium wiederum hat eine Informationskampagne speziell für den deutschen Mittelstand ins Leben gerufen: Die Aktion breitband@mittelstand soll Unternehmen den Nutzen der Gigabit-Infrastruktur verdeutlichen. All das nutzt freilich wenig, wenn nicht endlich die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Derzeit gilt noch an viel zu vielen Orten in Deutschland: Der Geist ist willig, aber das W-LAN ist schwach.

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