Fokus Dekarbonisierung

Forum der Akteure

September 2022 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Digitalisierung nachhaltig denken«

Isabel Weyerts Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Bundesverband IT-Mittelstand BITMi

Von der Corona-Pandemie befeuert, hat die Digitalisierung in Deutschland an Fahrt aufgenommen. Nun ist es wichtig, dass die digitale Transformation nachhaltig gedacht wird – und zwar nicht nur im ökologischen, sondern auch im ökonomischen Sinne. Der negative Einfluss, den die Digitalisierung z. B. durch den CO2-Ausstoß von Rechenzentren und die Produktion von immer neuer Hardware hat, ist bekannt. Gleichzeitig birgt der Einsatz digitaler Lösungen aber eine bedeutende Chance für den Schutz von Umwelt und Ressourcen, zum Beispiel durch die Digitalisierung papierbasierter Prozesse und die effizientere Gestaltung industrieller Verfahren.

Auf der anderen Seite muss der Blick bei der digitalen Transformation auch wirtschaftlich auf die weiter entfernte Zukunft gerichtet sein. Das Vordringen innovativer Technologien in alle Bereiche der Wirtschaft mag in sich selbst schon zukunftsorientiert wirken, wirklich nachhaltig ist die digitale Transformation von Wirtschaft und Verwaltung aber nur dann, wenn sie die digitale Souveränität Deutschlands und Europas fördert. Auf der Suche nach Innovation haben wir uns über die letzten Jahrzehnte in Abhängigkeiten von mächtigen internationalen Tech-Konzernen begeben. Doch die Alternative liegt quasi vor unserer Haustür: Denn innovative digitale Lösungen kommen auch aus unserer mittelständisch geprägten IT-Wirtschaft. Leistungsstark und verantwortungsbewusst entwickeln mittelständische Digitalunternehmen qualitative Produkte ‚made‘- und ‚hosted in Germany‘, die EU-Recht und Datenschutzvorgaben erfüllen. Tief verwurzelt in der mittelständischen Wirtschaft haben sie darüber hinaus ein besonderes Verständnis für den klassischen Anwendermittelstand, in dem die digitale Transformation noch nicht vollständig in alle Bereiche vorgedrungen ist. So können sie die benötigten IT-Anwendungen speziell für dessen Bedarfe zuschneiden.

www.bitmi.de

September 2022 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Im Netzwerk näher zur eigenen Roboterlösung«

Helmut Schmid Vorsitzender Deutscher Robotik Verband

Als Herz der deutschen Industrie gelten, sicher zu Recht, kleine und mittelständische Unternehmen. Deren Stärke ist eine flexible, individuelle Produktion und gestemmt haben das bisher Fachkräfte. Inzwischen ist aus dem Fachkräftemangel aber ein Arbeitskräftemangel geworden und für KMU ist der Einsatz von Robotern zu einer Überlebensstrategie geworden.

Das Netzwerk des Deutschen Robotik Verbandes (DRV) bringt nun Angebot und Erfahrungen zusammen. Dabei sind die Hürden bei einem Einstieg in die Automatisierung geringer, als viele KMU annehmen. Denn die Entwicklung in der Robotertechnik hat den Betrieb vor allem durch intuitive Programmieransätze sehr viel einfacher gemacht. Die Robotik im Mittelstand hat schon einen guten Stand erreicht, allerdings je nach Applikation unterschiedlich stark. Wer CNC-Maschinen betreibt, ist schnell bei der Robotik gelandet. Wo in der Logistik noch die Sackkarre dominiert, ist es noch ein weiter Weg zur Robotik – auch wenn die Technik eigentlich vorhanden ist. Beispiele erfolgreicher Applikationen mit überzeugenden Fakten auch in Bezug auf Effizienz, Durchsatz und kalkulierbarem finanziellem Aufwand lassen sich im Netzwerk des DRV reichlich finden.

Zusätzliche Sicherheit bei der Entscheidung, erst recht aber im Betriebsalltag könnte der sogenannte Roboter-Führerschein bringen, den der DRV seit Neuestem anbietet. Helmut Schmid, Vorsitzender des DRV, ermutigt Einsteiger, nennt aber auch Grundbedingungen, die für einen erfolgreichen Robotereinsatz erforderlich sind: „Roboterzellen wollen gut geplant sein. Dazu sollte man schon Grundkenntnisse haben. Mit dem Roboter-Führerschein wollen wir Weichen stellen.“ Als wichtige Zielgruppe hat der DRV auch Managerinnen und Manager ausgemacht, die ja schließlich über Investitionen entscheiden sollen. Mit dem Roboter-Führerschein können derartige Entscheidungen fundierter getroffen werden.

www.robotikverband.de

September 2022 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Plattformen haben den Maschinenbau und die Produktion längst erreicht«

Prof. Claus Oetter Geschäftsführer VDMA Software und Digitalisierung

Plattformen haben in allen Branchen an Bedeutung gewonnen und zum Teil auch Branchen transformiert. Mittlerweile basieren die Produkte und Services der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt fast vollständig auf Plattformtechnologie. Längst hat die Plattform auch die Produktion und den Maschinenbau erreicht. In den letzten Jahren ist der Einsatz von IoT-Technologie dort massiv gestiegen und unterstützt damit den Trend zur Smarten Fabrik. Es entstehen immer mehr intelligente Lösungen, um Maschinen und andere Assets horizontal und vertikal zu integrieren und damit ein digitales Ökosystem zu schaffen. Damit sind neue Geschäftsmodelle möglich, die auch mehr und mehr Interesse bei Finanzinstituten und Investoren finden, wie bei Subskriptionsmodellen.

Kernelemente plattformbasierter Geschäftsmodelle sind Daten, und diese werden in den nächsten Jahren eine ganz besondere Rolle spielen. Grund ist, dass die Europäische Union mit dem Data Act den Datenzugang und die Datennutzung rechtlich ganz neu regeln will. Es sollen nicht nur im Maschinen- und Anlagenbau und in der Produktion sogenannte Datenräume entstehen, die Basis für einen fairen Handel mit Daten sind. Der VDMA verfolgt und gestaltet diese Themen ganz aktiv, zum Beispiel durch den Expertenkreis Plattformökonomie, der mehrere Whitepapers herausgebracht hat. Dabei konnten interessante Erfolge bei einzelnen Mitgliedsunternehmen festgestellt werden: So war ein White Paper maßgeblich mitentscheidend, als es bei einem Maschinenbau-Unternehmen um die Entscheidung für oder gegen eine eigene Plattformlösung ging. Heute ist die Plattformlösung des Unternehmens erfolgreich im Markt etabliert und erwirtschaftet Umsätze im zweistelligen Millionenbereich.

www.vdma.org

September 2022 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Grundlinie ziehen – Kopf einschalten – das Sinnvolle tun«

Christian Heep Vize-Präsident Bundesverband eMobilität

Der Ukrainekrieg und die Energiekrise beanspruchen unsere ganze Aufmerksamkeit. Wir wissen, wir müssen uns unabhängig machen. Wir wissen, dass es Veränderungen braucht und den Einstieg in ungewohnte Technologien – nur sind wir gerade gefangen zwischen Versorgungssicherheit und Kostendruck.

Es sind genau diese Situationen, die uns zwingen, eine Grundlinie zu ziehen, den Kopf einzuschalten und das Sinnvolle zu tun. Zumal uns im Rücken auch noch eine Klimakrise steckt. Die Senkung der CO2-Werte für Wirtschaft und Verkehr ist gesetzlich festgelegt. Das deutsche Klimaschutzgesetz hat dafür klare Fristen.

Was will ich sagen? Noch nie war es sinnvoller, auf die Elektromobilität einzuschwenken, wie es derzeit der Fall ist: Der neue Antrieb hebt uns in eine schadstofffreie Mobilität, sämtliche Verkehre vom Pkw, Lkw, Schiff, Wasserfahrzeuge und leichtes Fluggerät sind mit dem elektrischen Antrieb funktionstüchtig. Schon heute; sie müssen nur in den Markt, der blockiert ist von Altem. Wir können unsere Interaktionen im Alltag und Wirtschaftsleben mit dem neuen Antrieb genauso bedienen wie bislang und sind dabei noch nachhaltiger, wenn wir erneuerbare Energien laden.

Die umfassende Nutzung von erneuerbaren Energien bringt den Verkehr ins Spiel bei den Stromnetzen. Er wird zum Bestandteil der Ener-gieplanung und des Lastmanagements. Traktionsbatterien können dann, wenn sie in den verfügbaren Mengen vorliegen, als netzintegrierte Energiespeicher dienen, um den Schwankungen der Energieerzeugung entgegenzuwirken. Das stärkt die dezentrale Struktur und verdeutlicht, was etwa PV-Anlagen für Energie und Mobilität bewirken können, wenn ein Meer aus „Häusle-Besitzern“ mit ihren Solarpanelen auf dem Dach zu einer Schwarmintelligenz werden – für eine wirkliche Zeitenwende.

www.bem-ev.de

September 2022 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Wer Sicherheit will, braucht Erneuerbare Energien«

Dr. Simone Peter Präsidentin Bundesverband Erneuerbare Energien BEE

Deutschland steht am Scheideweg. Werden jetzt alle Potenziale der erneuerbaren Energien genutzt oder verlängern wir fossile und atomare Brücken? Um die aktuelle Energiekrise nachhaltig zu lösen, müssen wir uns schnell und vollständig von fossilen und atomaren Energieträgern lösen, die die Preise an den europäischen Börsen explodieren lassen.

Die einzigen Energieträger, die auch in der Krise günstig Energie liefern, sind die Erneuerbaren. Sie senken die Preise an den Strombörsen, teilweise sogar bis unter null. Diese Zeitfenster werden mit dem weiteren Ausbau zunehmen. Unser Problem ist also nicht das in den letzten Wochen viel zitierte Merit-Order-Prinzip, sondern zu wenig Erneuerbare Energien. Die fatale Stop-and-Go-Politik der letzten Jahre hat Hunderttausende Jobs gekostet und ist zügig zu überwinden. Es braucht den entfesselten Ausbau der wetterabhängigen erneuerbaren in Verbindung mit dem Ausbau flexibel steuerbarer Einheiten – von Biogas bis Speichern und Grünem Wasserstoff und eine erneuerbare Industriestrategie, die den Industriestandort auf Klimaschutztechnologien ausrichtet.

Die gute Nachricht ist: Die Erneuerbaren können und wollen liefern. Die Bioenergie kann ad hoc 19 Terawattstunden mehr leisten und viele Wind- und Solaranlagen stecken in Genehmigungsverfahren, die zeitnah durch die Bundesländer in Betrieb gesetzt werden könnten, davon allein 10 Gigawatt Wind-energieleistung. 7 Gigawatt Solarwärme ließen sich durch einen Solarbooster in den nächsten 3 Jahren heben, und 45.000 Megawatt Windenergie könnten in den nächsten drei Jahren ans Netz gehen. Die Wasserkraft könnte ihre Leistung sofort um bis zu 2 Terawattstunden erhöhen. Zusammen mit dem massiven Ausbau der Geothermie und Wärmepumpen, Speichern, sauberer Kraft-Wärme-Kopplung und dem Aufbau von Sektorkopplungstechnologien schaffen wir ein günstiges, sicheres und klimaneutrales Energiesystem.

www.bee-ev.de

September 2022 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Sektorenkopplung: Wasserstoff, der Schlüssel der Energiewende«

Thorsten Kasten Vorstand Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband

Die Vernetzung der vier Sektoren der Ener-giewirtschaft – Elektrizität, Wärmeversorgung, Mobilität und Industrie – ist das Schlüsselkonzept der Energiewende und essenziell für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Wasserstoff spielt hier die entscheidende Rolle.

Mittels Technologien wie Power-to-Gas kann Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wurde, langfristig gespeichert und vielfältig genutzt werden. Der erzeugte Wasserstoff kann beispielsweise in Brennstoffzellenfahrzeugen oder in KWK-Anlagen als Energieträger dienen. Außerdem kann der regenerative Strom durch den Einsatz von Direktheizungen, Wärmepumpen und Elektrodenkesseln Häuser und Wohnungen mit Wärme versorgen.  Um grünen Stahl herzustellen, wird Wasserstoff als Reduktionsmittel genutzt.  In der Chemieindustrie kann er als Grundstoff für die Herstellung von neuen Materialien wie Kunststoffen dienen.

Über die bereits bestehende Gasinfrastruktur erfolgt der Wasserstofftransport effizient und kostengünstig – ein großer Vorteil für den schnellen Hochlauf der Wasserstoff-Marktwirtschaft in allen Sektoren, denn der übermäßige Ausbau von zusätzlichen Übertragungsnetzen wird vermieden. Auf diese Weise kann eine stabile und nachhaltige Stromversorgung ohne Abhängigkeit von Wind und Wetter erfolgen.

Nur mit dem Einsatz von Wasserstoff in Verbindung mit dem zügigen Ausbau von Wind- und Solaranlagen kann das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 den Strom zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu beziehen, erreicht werden.

Als DWV fordern wir politische Handlungsträger auf, schnellstmöglich den regulatorischen Rahmen für einen flächendeckenden und zügigen Einstieg in die Sektorenkopplung zu schaffen und die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologien zu fördern.

www.dwv-info.de