Digitalisierung 4.0

den Herausforderungen der digitalen Transformation.
Mai 2022 Handelsblatt Technologien der Zukunft

Wir brauchen Zugang zu leistungsfähigen Computer-Infrastrukturen«

Jörg Bienert Vorstandsvorsitzender Bundesverband Künstliche Intelligenz

In den vergangenen Monaten hat die KI-Forschung eine neue Dimension erreicht. Extrem große KI-Modelle stoßen die Tür auf zu neuen Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz. Begonnen hat diese Entwicklung mit der Vorstellung des Modells GPT-3  im Sommer 2020. Die Firma OpenAI hatte ein Sprachmodell entwickelt, das mit einer Größe von 175 Milliarden Parametern auf einer gigantischen Datenmenge trainiert wurde. GPT-3 war in der Lage, eigenständig Artikel zu verfassen, Texte zu übersetzen, Dialoge zu führen und sogar Programmcode in verschiedenen Sprachen auf Basis einer natürlich-sprachigen Eingabe zu generieren.

Mittlerweile hat ein regelrechtes Wettrennen um große Modelle eingesetzt. Nvidia, Google, die Universität von Peking und Weitere präsentierten KI-Modelle, die sogar bis zu zehnmal komplexer sind als GPT-3.

Problematisch bei dieser Entwicklung ist, dass diese hauptsächlich in den USA und in China stattfindet. Für die Erstellung von großen Modellen ist nämlich enorme Rechenkapazität erforderlich. So wurde GPT-3 auf dem weltweit fünftschnellsten Hochleistungscomputer trainiert. Wenn wir in Europa also nicht den Anschluss in der KI-Entwicklung verlieren wollen, benötigen Universitäten und Unternehmen den Zugang zu ähnlich leistungsfähigen Computer-Infrastrukturen.

Vor diesem Hintergrund hat der KI Bundesverband die Initiative LEAM (Large European AI Models) ins Leben gerufen. Ziel ist der Aufbau eines dedizierten KI-Hochleistungs-rechenzentrums in Deutschland, auf dem große Modelle entwickelt und Anwendern aus Industrie und Start-ups zur Weiterentwicklung und Nutzung bereitgestellt werden können. Nur durch die Befähigung, im Bereich großer KI-Modelle eigene Forschung und Entwicklung zu betreiben, können wir in diesem Bereich die digitale Souveränität sicherstellen.

www.ki-verband.de

Mai 2022 Handelsblatt Technologien der Zukunft

»Nachhaltige Digitalisierung als Krisenmanager«

Nele Kammlott Vizepräsidentin Bundesverband IT-Mittelstand | BITMi

Die Pandemie hat die Digitalisierung gepushed und das Homeoffice etabliert. Events werden selbstverständlich hybrid veranstaltet. Doch nachhaltig digital ist die deutsche Unternehmenslandschaft damit noch nicht.
Die Pandemie hat eine zunehmende Digitalisierung ermöglicht, aber auch die Verletzlichkeit und Abhängigkeit unserer vernetzten Welt aufgezeigt: Engpässe in den Lieferketten sorgen noch immer für Produktionsverzögerungen und immer wieder Anpassungen im Unternehmensalltag. Der IT-Fachkräftemangel hat sich verstärkt, Beschäftigte besinnen sich mehr auf Werte wie Familie und Gemeinschaft und den immer wieder genannten Purpose eines Unternehmens, also dem höheren Zweck und Sinn eines Unternehmens und seiner Dienstleistungen und Produkte. Dies alles stellt den deutschen IT-Mittelstand vor Herausforderungen.

Doch ein Aufatmen scheint nicht in Sicht: Der Krieg in Europa befeuert den Fachkräftemangel innerhalb von Europa oder sorgt zumindest für Verschiebungen. Hinzu kommen steigende Ener-giepreise, welche die deutsche mittelständische IT-Wirtschaft ganz direkt betreffen.

Es gilt also mehr denn je, die Flexibilität durch modulare IT-Lösungen, die technologieoffen sind, zu erhöhen. Die Abhängigkeiten von Konzernen großer Nationen zu minimieren. Und benötigte IT-Ressourcen für die Umsetzung digitalen Arbeitens auf das Nötigste zu reduzieren.

Wenn Softwareschmieden schlanker programmieren, IT-Unternehmen auf technologieoffene Software setzen und Anpassungsfähigkeit und Nachhaltigkeit Einzug in die IT-Strategien deutscher Unternehmen erhalten, sind wir digital nicht nur besser für weitere Krisen gewappnet, sondern reduzieren auch den digitalen Fußabdruck.

www.bitmi.de

Mai 2022 Handelsblatt Technologien der Zukunft

»Digitale Technologien sind Gamechanger der Mobilität«

Dr. Bernhard Rohleder Hauptgeschäftsführer Bitkom

Nicht nur in Deutschland müssen wir Mobilität völlig neu denken.  Und zwar sowohl den öffentlichen Nah- und Fernverkehr als auch unsere Individualmobilität. Diese Erkenntnis ist nicht neu, wurde uns aber durch die sich zuspitzende Klimakrise verstärkt und erhält jetzt mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine ganz neue Dringlichkeit, man kann auch sagen: Dramatik. Eine Antwort darauf ist die Elektromobilität. Sie ist für die Energiewende essenziell und sie kann auch die Abhängigkeit von Ölimporten stark reduzieren. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass einer Bitkom-Umfrage zufolge aktuell jeder zehnte Haushalt überlegt, in den kommenden zwei Jahren ein Elektroauto anzuschaffen. Eines der größten Hindernisse bei der Elektromobilität ist nach wie vor das schwache Ladenetz. Nur wer weiß, dass er sein E-Auto auch überall und jederzeit aufladen kann, steigt ohne großes Zögern um. Um eine flächendeckende Versorgung mit Ladestationen schnellstmöglich zu realisieren, brauchen wir eine digitale Energiewende mit einem komplett digitalen und intelligenten Energienetz. Und das hätte gleich noch einen zweiten Vorteil: In einem smarten digitalen Energienetz kann man Elektroautos als Stromspeicher nutzen. Bei diesem bidirektionalen Laden können die Akkus des Autos nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch schnell wieder abgeben und zum Beispiel während längerer Standzeiten Strom für Haushalte liefern. Gleichzeitig kann etwa überschüssiger Strom aus einer Solaranlage kurzzeitig gespeichert werden. So werden digitale Technologien zum Gamechanger, versöhnen Mobilität und Klimaschutz, ermöglichen eine erfolgreiche Energiewende und sorgen gleichzeitig für mehr Autonomie und Resilienz in der Energieversorgung.

www.bitkom.org