Neue Technologien im Fokus

Die Redaktion befragt Akteure zu den Innovationen in ihren Branchen.
Mai 2021 Handelsblatt Technologien der Zukunft

»Smart Grids sind die Grundlage der Energiewende«

Dr. Bernhard Rohleder Hauptgeschäftsführer Bitkom

Um das deutsche Klimaziel zu erreichen, muss der jährliche CO2-Ausstoß bis 2030 verglichen mit 2019 um 262 Millionen Tonnen sinken. Digitale Technologien können die Hälfte dazu beitragen, damit das gelingt, wie die Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ ergeben hat. Demnach können die CO2-Emissionen in Deutschland durch den gezielten und beschleunigten Einsatz digitaler Lösungen in den kommenden zehn Jahren um bis zu 151 Megatonnen verringert werden. Unter Berücksichtigung des durch digitale Geräte oder Infrastrukturen erzeugten CO2-Ausstoßes beträgt die durch Digitalisierung erreichbare Einsparung 129 Megatonnen netto – also ziemlich genau die Hälfte dessen, was nötig ist.

 

In der Studie werden sieben Anwendungsbereiche für digitale Technologien untersucht, in denen ein besonders großer CO2-Einspareffekt erzielt werden kann. Relevante Effekte sehen wir in der Industrie, der Mobilität und auch im Energiesektor. Maßgebliche Technologie sind hier Smart Grids, also intelligente Stromnetze, in denen Stromerzeugung und -verbrauch präzise gesteuert werden. Daten und Elektrizität fließen in Smart Grids nicht nur vom Erzeuger zum Nutzer, sondern auch wieder zurück. So können Netzlasten besser gesteuert werden. Smart Grids sind damit die Grundlage der Energiewende. Bei der Produktion erneuerbarer Energien können künstliche Intelligenz und Big Data zudem einen starken Beitrag leisten, wenn etwa der Zustand von Windkraftanlagen in Echtzeit überwacht und analysiert wird, um Ausfällen durch vorausschauende Wartung vorzubeugen. Allein im Energiesektor können wir bis 2030 so jährlich bis zu 23 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die Technologien der Zukunft sind längst da. Jetzt geht es darum, sie mutig und entschlossen zu nutzen – insbesondere für den Klimaschutz.

www.bitkom.org

Mai 2021 Handelsblatt Technologien der Zukunft

»Nachhaltig digitalisieren – Geschäftsmodelle für neue Technologien öffnen«

Lisa Ehrentraut Teamleiterin Operations Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi)

Spätestens seit Corona überall ist, ist auch die Digitalisierung überall in Deutschland angekommen. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, wurde Homeoffice nun auch dort erlaubt, wo es vorher undenkbar war. Hemmungen wurden zur Seite geräumt und die Infrastruktur der Unternehmen endlich in die Cloud umgezogen.

 

Doch egal, wo die Unternehmen mit ihrer digitalen Erfahrung herkamen, für die meisten ist der Weg zu einer nachhaltigen, tiefgreifenden digitalen Transformation noch ein weiter. Während manche den durch die Pandemie ausgelösten kräftigen Digitalisierungsschub bewundern, sollten die Unternehmen dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren. Zu einer echten Transformation gehört mehr, als bestehende Prozesse digital abzubilden und effizienter zu gestaltet. Eine echte digitale Transformation bedeutet, das eigene Geschäftsmodell zu öffnen für neue Technologien wie Künstliche Intelligenz und vor allem für Daten: Dabei ist es wichtig, Daten nicht nur für die eigene Optimierung zu nutzen, sondern auch dazu, einen Mehrwert für Kunden zu schaffen und damit neue Produkte zu kreieren.

 

Wir in Deutschland verbinden mit der Nutzung von Daten häufig reflexhaft den Missbrauch persönlicher Daten. Doch Datennutzung ist nicht pauschal schlecht. Im B2B-Bereich gibt es unzählige nicht-personenbezogene Daten, die nur darauf warten, genutzt zu werden und die für Hersteller sowie Kunden einen ungemeinen Vorteil bringen. So können Maschinendaten genutzt werden, um Energie zu sparen oder Wartungen zu automatisieren. Eine ganze Palette neuer Services bieten sich an, die für alle Seiten eine Bereicherung darstellen. Was fehlt, ist der Mut, diesen Datenschatz auch zu nutzen. Vielleicht kann der aktuelle Digitalisierungsschub unsere Unternehmen noch ein bisschen weiter schubsen, damit sie ihre Geschäftsmodelle für neue Technologien und Daten öffnen.

www.bitmi.de

Mai 2021 Handelsblatt Technologien der Zukunft

»Mittelstand benötigt ein Zukunftsfähigkeitspaket«

Marc S. Tenbieg Geschäftsführender Vorstand Deutscher Mittelstands-Bund (DMB)

Der „German Mittelstand“ ist ein wertvolles Aushängeschild für Deutschland. Erfolg zu haben ist aber nicht selbstverständlich und es besteht die Gefahr, im harten globalen Wettbewerb den Innovationsanschluss zu verlieren. Um die Zukunftsfähigkeit des wirtschaftlichen Herzstücks unseres Landes zu sichern, braucht er dringend Unterstützung. Vielleicht sogar einen Paradigmenwechsel – und dies heute dringender als je zuvor.
Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir strukturelle Probleme haben, die in Zeiten einer boomenden Wirtschaft ausgeblendet wurden. Jetzt müssen schnell die richtigen Weichen gestellt werden, damit der Mittelstand seiner Rolle als technologischer Vorreiter weiterhin gerecht bleiben kann. Aktuelle Studien zeigen, dass sich die Innovationsaktivitäten im Mittelstand im Zuge der Corona-Krise rückläufig entwickeln. Das ist ein besorgniserregendes Signal.

 

Es gilt dieser Entwicklung entschlossen gegenzusteuern. Dafür braucht es ein Zukunftsfähigkeitspaket für den Mittelstand, das auf drei wesentlichen Säulen ruht und am besten sofort umgesetzt wird. Erstens braucht es Vereinfachung. Innovation wird in Deutschland nach wie vor durch unnötige Bürokratie und lahmende Verfahren ausgebremst. Zweitens braucht es Entlastung. Corona stellt den Mittelstand vor eine harte finanzielle Probe, das Eigenkapital der Unternehmen schmilzt mit jedem Tag im Lockdown dahin. Gute Steuerpolitik ist die beste Innovationspolitik. Schließlich braucht es drittens eine Förderoffensive für den Mittelstand. Es gilt, gute bestehende Programme auszubauen und KMU mit passgenauen Angeboten bei Innovationen unter die Arme zu greifen.

 

Auf politischer Seite braucht es dafür die volle Bereitschaft und konkrete Taten, um den Mittelstand umfangreich zu unterstützen. Andernfalls läuft man Gefahr, sich einer seiner größten Stärken zu berauben.

www.mittelstandsbund.de