Kraft für Innovation.

Die Redaktion befragt Akteure zu den aktuellen Herausforderungen in der Medizin.
Februar 2015 Die Zeit Zukunft Medizin

»Zu einer Welt ohne Antibiotika lassen wir es nicht kommen«

Birgit Fischer Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)

Zunehmend leiden Patienten an bakteriellen Infektionen, die sich aufgrund von Resistenzen nur noch mit wenigen Mitteln behandeln lassen. Daran wird deutlich, dass wirksame Antibiotika eine wertvolle Ressource sind, die man durch verantwortungsvollen Gebrauch, aber auch vorbeugende Maßnahmen wie strikte Klinikhygiene und Schutzimpfungen hüten muss. Aber es werden auch neue Antibiotika gebraucht.
 

Daran wird in der Pharmaindustrie wieder verstärkt geforscht. Nachdem in den 2000er-Jahren nur wenige neue Antibiotika zugelassen wurden, sind seit 2011 schon sechs Neuzugänge zu verzeichnen. Mit ihnen lassen sich Infektionen mit dem Klinikkeim MRSA, Darmkoliken und Tuberkulose heilen.
 

Fünf weitere Antibiotika sind im europäischen Zulassungsverfahren und haben gute Chancen auf Markteinführung bis Ende des Jahres. Eins davon kann auch Harnwegsinfektionen durch sogenannte multiresistente gramnegative Bakterien bekämpfen; hierauf warten Ärzte schon seit längerem. So dürfte die Medizin schon bald wieder Boden im Kampf gegen multiresistente Keime gut machen.
 

Von genereller Entwarnung kann freilich keine Rede sein! Denn gegen längst nicht alle multiresistenten Bakterien sind neue Mittel gefunden; und mit weiteren Resistenzen ist zu rechnen. Unbefriedigend ist auch, dass Ärzte bis heute oft schon behandeln müssen, ehe sie den Erreger überhaupt genau kennen.
 

Deshalb haben Pharma- und Diagnostik-Industrie ihre Aktivitäten für neue antibakterielle Mittel und für Erreger-Schnelltests verstärkt; und auch die Kooperationen zwischen Industrie und öffentlichen Forschergruppen auf diesem Gebiet haben zugenommen, gerade auch in Deutschland.
 

Mit vereinten Kräften und international abgestimmten Maßnahmen wird sich die Gefahr einer Welt ohne Schutz vor bakteriellen Infektionen abwenden lassen. Die forschenden Pharma-Unternehmen leisten gerne ihren Beitrag dazu. 
 

www.vfa.de

Februar 2015 Die Zeit Zukunft Medizin

»Gerontechnologie: MedTech fürs Alter«

Joachim M. Schmitt Geschäftsführer & Vorstandsmitglied BVMed – Bundesverband Medizintechnologie

Ein Sensor in der Matratze teilt dem Pflegepersonal mit, wann ein von einem Liegegeschwür (Dekubitus) gefährdeter, bettlägeriger Patient umgelagert werden sollte. Sensoren-gesteuerte Teppiche in Wohnungen von Demenzkranken erkennen eine gestürzte Person und alarmieren den Notruf. Der intelligente Rollator navigiert den verirrten Patienten sicher nach Hause. 
 

Das sind Beispiele für neue MedTech- und Hightech-Hilfen für ältere Menschen und das Pflegepersonal, das sie versorgt. Ob man es nun "Smart Home" oder "Gerontechnologie" nennt: sensorgesteuerte Assistenzsysteme für ältere oder kranke Menschen sind erwartungsvolle Entwicklungen und der Beginn eines neuen Megatrends. 
 

Keine Frage: Die Alterung der Gesellschaft erfordert die Entwicklung neuer Medizintechnologien in der Altersmedizin. Sie bieten Chancen für eine bessere und effiziente Versorgung. Im Kern geht es um den Erhalt der Selbstständigkeit älterer Menschen. 
 

Eine zentrale Frage ist: Wie kann man Sensoren in Alltagsgegenstände einsetzen, damit sie medizinische Daten von einem Patienten zuverlässig liefern? Es gibt auch Ansätze, Sensoren in die Kleidung einzubauen, etwa um ohne zusätzlichen Aufwand EKG-Daten zu erhalten. 
 

Das passt insgesamt zu dem Megatrend, dass Medizintechnik und IT immer stärker zusammenwachsen. Implantate werden aufgrund verbesserter Hardware immer leistungsfähiger. Durch den Aufbau modellbasierter Regelkreise erhalten Therapiesysteme, die beispielsweise in Dialyse oder Beatmung eingesetzt werden, eine noch intelligentere Steuerung. Weitere Felder sind eHealth, Telemedizin und TeleMonitoring sowie die erforderliche Vernetzung.
 

Es bleibt festzuhalten: Innovative Medizintechnologien sind eine Investition in das Leben und die Leistungsfähigkeit der Menschen. Sie bedeuten mehr Lebensqualität für die Menschen. Und sie machen die Gesundheitsversorgung effizienter und damit auch in Zukunft bezahlbar. 
 

www.bvmed.de

Februar 2015 Die Zeit Zukunft Medizin

»Menschen mit Seltenen Erkrankungen finden Anlaufstelle und Netzwerk.«

Rania von der Ropp Sprecherin Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE)

Selten ist gar nicht so selten! Rund vier Millionen Kinder und Erwachsende in Deutschland sind von einer der über 6.000 verschiedenen Seltenen Erkrankungen betroffen. Die Betroffenen stehen vor gleichen Herausforderungen: Um überhaupt eine Diagnose zu erhalten, durchlaufen die Patienten oft eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt, denn Experten und Informationen sind rar und die Symptome der zumeist genetisch bedingten Erkrankungen komplex. Der Forschungsbedarf im Bereich Seltener Erkrankungen ist riesig, nur für ein paar hundert der vielen tausend Krankheiten stehen Therapien zur Verfügung.


Die Folge aus diesen Informations- und Versorgungslücken ist: Menschen mit Seltenen Erkrankungen sind die „Waisen der Medizin“, sie fühlen sich allein(-gelassen). Viele suchen Mitbetroffene und schließen sich in Selbsthilfevereinen zusammen, um Halt und Austausch zu finden. Akute Hilfe ist aber nur ein Pfeiler der Selbsthilfe. Damit auch nachhaltig etwas geschieht, baut die Selbsthilfe ein Netzwerk von Patienten, Ärzten, Wissenschaftlern, der Politik und Pharmaindustrie auf.


Seit 2004 haben sich 120 Patientenorganisationen unter dem Dach der ACHSE, der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V., vereint: Die ACHSE vergrößert das Wissen über Seltene Erkrankungen, schafft eine bundesweite kostenlose Anlaufstelle für Betroffene und spricht mit einer „Stimme der Seltenen“.


Seitdem konnten viele Initiativen angestoßen und begleitet werden, nicht zuletzt der erste Nationale Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Ergebnis: 54 Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungs- und Forschungssituation wurden von 28 relevanten Akteuren aus dem Gesundheitssystem erarbeitet.


Jetzt gilt es, den Aktionsplan umzusetzen, denn: Nur tatsächliche Fortschritte sind für Menschen mit Seltenen Erkrankungen von Bedeutung. Papier allein genügt nicht.


www.achse-online.de