Wie zukunftsfähig ist das Gesundheitswesen?

Forum der Akteure

April 2025 Die Zeit Zukunft Medizin

»Die Chancen einer digitalisierten Medizin sind vielversprechend.«

Melanie Wendling Geschäftsführerin, Bundesverband Gesundheits-IT

Sterne deuten, Kaffeesatz lesen, Glaskugel beschwören – seit jeher versuchen die Menschen, einen Blick in die Zukunft zu werfen. In der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Deutschland begegnen wir jedoch einem Paradoxon: Die Zukunft der Medizin ist bereits in der Gegenwart angekommen. Innovative digitale Lösungen stehen seit Jahren für das deutsche Gesundheitswesen bereit, doch das System ist oft zu starr und reguliert, um diese Potenziale vollständig auszuschöpfen.

Ein Blick auf die DMEA 2025 verdeutlicht, dass die Industrie bereits aktiv an der Gestaltung der medizinischen Zukunft arbeitet, während das Gesundheitssystem hinterherhinkt. Die Herausforderungen sind zweifellos groß, doch die Chancen einer digitalisierten Medizin sind ebenso vielversprechend. Eine verbesserte Versorgungsqualität, effizientere Abläufe, eine stärkere Zentrierung der Patient:innen und innovative Behandlungsmöglichkeiten sind nur einige der Vorteile, die sich aus der konsequenten Nutzung digitaler Technologien ergeben.

Um diese Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen, bedarf es eines gemeinsamen Anstrengens aller Akteure im Gesundheitswesen. Politik, Leistungserbringende, Kostenträger, Industrie und nicht zuletzt die Patient:innen selbst müssen zusammenarbeiten. Nur so können wir das deutsche Gesundheitssystem fit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts machen und eine Versorgung sicherstellen, die den Ansprüchen und Möglichkeiten unserer Zeit gerecht wird.

Die technologischen Lösungen und Innovationen, die auf Veranstaltungen wie der DMEA präsentiert werden, zeigen eindrucksvoll, welche Chancen uns bereits heute zur Verfügung stehen. Es liegt nun an allen Beteiligten im Gesundheitswesen, diese Möglichkeiten mutig zu ergreifen und die notwendigen Veränderungen voranzutreiben. Denn die DMEA verdeutlicht: Die Zukunft der Medizin ist bereits da – es liegt an uns, sie aktiv zu gestalten und zu nutzen. 

www.dmea.de | www.bvitg.de
 

April 2025 Die Zeit Zukunft Medizin

»Das Gesundheitswesen muss widerstandsfähiger gemacht werden!«

Prof. Jens Scholz Vorsitzender, Verband der Universitätsklinika Deutschlands

Die kommende Bundesregierung steht vor der dringenden Aufgabe, das Gesundheitssystem zukunftsfähig und krisenfest zu gestalten – in nur kurzer Zeit. Steigende Kosten, die Demografie sowie sicherheitspolitische Risiken machen eine grundlegende Neuausrichtung unerlässlich. Krankenhausreform, Bürokratieabbau, Innovationen und Krisenresilienz müssen daher konsequent vorangetrieben werden.

Die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft ist eingeleitet – jetzt gilt es, sie auf Kurs zu halten und sicherzustellen, dass sie die gewünschten Ergebnisse erzielt. Ziel der Krankenhausreform ist eine effizientere Versorgung mit klaren Strukturen, die Patienten dorthin leiten, wo sie je nach Diagnose am besten aufgehoben sind. Bürokratieabbau ist essenziell: Fachkräfte müssen sich auf die Patientenversorgung konzentrieren können, besonders vor dem Hintergrund des demografischen Wandels.

Medizinische Fortschritte spielen eine zentrale Rolle. Innovationen müssen schneller in die Versorgung gelangen und gezielter ins Gesundheitssystem implementiert werden. Das Modellvorhaben Genomsequenzierung verdeutlicht das immense Potenzial beispielhaft. Bei vielen komplexen Therapien, die mit hohen Kosten und medizinischen Risiken verbunden sind, können solche Modellprojekte wegweisend sein.

Angesichts wachsender Bedrohungslagen muss das Gesundheitswesen widerstandsfähiger gemacht werden. Krankenhäuser der kritischen Infrastruktur müssen in besonderer Weise gestützt werden. Im Ernstfall – sei es in einer Pandemie, Naturkatastrophe oder bei Krieg – tragen sie eine zentrale Last. 

Reformen, Innovationen und eine robuste Infrastruktur sind die Grundpfeiler für eine finanziell nachhaltige und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung. Die Universitätsklinika stehen mit ihrer Expertise bereit, sich diesen Zukunftsaufgaben zu stellen. 
 

www.uniklinika.de

 

April 2025 Die Zeit Zukunft Medizin

»Deutschland: Ein Standort mit Innovationskraft«

Dr. med. Kai Joachimsen Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie

Wussten Sie, dass Deutschland weltweit zu den wichtigsten Standorten für Biotechnologie zählt? Die deutsche Biotechnologiebranche wächst – noch. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Biotechnologie, Pharma-Mittelständler sowie deutsche Niederlassungen multinationaler Konzerne bringen vielversprechende Therapieinnovationen zustande.

Laut den BPI-Pharma-Daten 2024 gab es allein 2023 rund 700 laufende Entwicklungsprojekte für neue Biopharmazeutika. Der Fokus liegt auf Tumortherapien und Autoimmunpräparaten. Doch die Innovationstätigkeit in der pharmazeutischen Industrie geht natürlich über Biopharmazeutika hinaus. Allein im letzten Jahr hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über 1.300 Weiterentwicklungen bewährter Wirkstoffe genehmigt – sei es für neue Anwendungsgebiete oder verbesserte Darreichungsformen. Kein anderer Industriezweig in Deutschland investiert so viel in Forschung und Entwicklung (F&E). Rund 16 Prozent des Branchenumsatzes fließen in F&E – deutlich mehr als im Fahrzeug- oder Elektrobereich. Die hohen F&E-Ausgaben entstehen aufgrund der zum Teil sehr komplexen, langjährigen und stark regulierten Arzneimittelentwicklung. Je nach Medikament belaufen sich die Kosten beginnend bei der Wirkstoffentwicklung, über die klinische Forschung bis hin zur Marktreife auf bis zu vier Milliarden Euro. Diese Aufwendungen müssen für Hersteller rückwirkend finanzierbar sein. Deshalb braucht es eine innovationsfreundliche Politik, die Bürokratie abbaut, Forschung erleichtert, passende Rahmenbedingungen und Investitionsanreize schafft und damit langfristig Planungssicherheit ermöglicht – in Deutschland und Europa. Wie das gelingen kann, haben wir im Masterplan Pharma skizziert. 
 

www.bpi.de
 

April 2025 Die Zeit Zukunft Medizin

»Wir brauchen eine Strategie für die Medizin der Zukunft.«

Dr. Marc-Pierre Möll Geschäftsführer & Vorstandsmitglied Bundesverband Medizintechnologie BVMed

Die Corona-Pandemie vor fünf Jahren hat gezeigt, wie schnell die Gesundheitsversorgung zusammenbrechen kann, wenn kritische Arzneimittel oder Medizinprodukte aufgrund sensibler Lieferketten nicht mehr zur Verfügung stehen. Seitdem diskutieren wir darüber, wie wir unser Gesundheitssystem resilienter gestalten können.

Der Fokus der Politik lag in der letzten Legislaturperiode auf einer nationalen Pharmastrategie, um die Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen und Deutschland als Standort für Innovationen zu stärken. Die Medizintechnik wurde dabei außen vorgelassen. Dabei erfahren auch in diesem Bereich medizinische Einrichtungen verstärkt, welche negativen Folgen ein Engpass haben kann. Wenn auch nur ein Baustein im großen Planungssystem eines Operationssaals fehlt, müssen OPs verschoben werden. 

Es gibt auch gute ökonomische Gründe, die deutsche Medizintechnik neben der Pharmabranche zu unterstützen. Ein Blick auf die offiziellen Zahlen der Bundesregierung zeigt: Die MedTech-Branche steht für mehr als doppelt so viel Arbeitsplätze sowie mehr Produktionswert, Bruttowertschöpfung und Ausstrahleffekte auf andere Branchen. Medizintechnologien tragen zu einer besseren Patienten-Versorgung, zu effizienteren Prozessen und Entlastung des medizinischen Personals bei. Es geht nur mit MedTech. Medizintechnik muss deshalb in allen Versorgungsbereichen und Reformvorhaben mitgedacht werden – als Teil der Lösung für aktuelle Herausforderungen im Gesundheitssystem. 

Was muss jetzt getan werden? Wir brauchen eine eigenständige MedTech-Strategie mit ressortübergreifend abgestimmten Maßnahmen. Wir brauchen ein klares Bekenntnis der Politik zum Medizintechnik-Standort Deutschland. Der neuen Bundesregierung bietet sich mit der Medizintechnik im Land eine große Chance. Sie sollte sie nutzen. 

www.bvmed.de