Gute Rahmenbedingungen gefragt

Forum der Akteure

April 2023 Die Zeit Zukunft Medizin

»Wir brauchen einen Qualitätswettbewerb statt struktureller Verbotsdebatten.«

Susanne Müller Geschäftsführerin Bundesverband MVZ e.V.

In der ambulanten Versorgung wird derzeit über Form statt Inhalte gestritten. Die Frage, wie die Qualität der Versorgung in Stadt und Land bezahlbar aufrechtzuerhalten ist, wird dagegen kaum gestellt. Auch nicht die, wie wir damit umgehen, dass immer mehr Mediziner weniger arbeiten und so trotz mehr Ärzten die verfügbare Arztzeit sinkt. Stattdessen haben Arztverbände und Dr. Karl Lauterbach das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) als 'Gegner' erkoren. Eine Form der Praxisorganisation, die sich dadurch auszeichnet, dass auch Nichtärzte, also z. B. Krankenhäuser Betreiber sein können. Aktuell gibt es deutschlandweit gut 2.000 solcher MVZ.

Kritisiert wird, dass hinter einer Klinik, die das ambulante MVZ betreibt, im letzten auch ein Private-Equity-Investor stehen kann. Ein Umstand, der für jedes Krankenhaus, Pflegeheim oder jede Rehaklinik gilt. Im Kontext des MVZ ist der latente Glaubenskrieg zu privaten Investoren jedoch zu einer Seinsfrage erhoben worden. Lauterbach will, dass MVZ denen gehören, die darin arbeiten. Allerdings gibt es schlichtweg nicht genügend Ärzte, die das unternehmerische Risiko auf sich nehmen, um Arbeitgeber für andere Ärzte und Kollegen zu sein.

Die Herausforderung ist, die zahlreichen Ängste, die mitschweben, wenn sich Investoren in der medizinischen Versorgung engagieren, in konstruktive Bahnen zu lenken. Transparenz über die Eigentümerschaft? Unbedingt. Schaffen wir ein ambulantes Strukturregister! Verhinderung von honorarorientierter Leistungspickerei? Unbedingt. Führen wir die von der Bundesärztekammer geforderte Prüfung der Leistungsbreite ein, allerdings bitte für alle Praxen! Stattdessen wird vor allem eine Verbotsdebatte geführt. Keine Investoren – keine Probleme, so die Rechnung. Es ist aber nötig, sich von dieser unrealistischen Vereinfachung zu lösen und wieder über Qualität und Werte der ambulanten Versorgung statt über deren Form zu diskutieren.

www.bmvz.de

April 2023 Die Zeit Zukunft Medizin

»Medizintechnik-Potenziale besser nutzen«

Dr. Meinrad Lugan Vorstandsvorsitzender BVMed – Bundesverband Medizintechnologie

Die Medizintechnik-Branche hat sich in der Corona-Krise als verlässlicher Partner erwiesen. Wir stellen tagtäglich die Resilienz des Gesundheitssystems unter schwierigsten Rahmenbedingungen sicher. Zudem ist die Medizintechnik in Deutschland ein wichtiger Teil der Gesundheitswirtschaft: Die Medizintechnik-Unternehmen beschäftigen über 250.000 Menschen. Die Branche ist stark mittelständisch geprägt, 93 Prozent sind KMU. Medizintechnologien sind ein wichtiger Treiber des medizinischen Fortschritts – im Durchschnitt investieren die Unternehmen rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Schließlich ist deutsche Medizintechnik auf dem Weltmarkt sehr erfolgreich. Die Exportquote liegt bei rund 66 Prozent, der Gesamtumsatz bei über 36 Milliarden Euro.

Die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben die globalen Lieferketten beeinträchtigt. Zusätzlich kämpft die Medizintechnik-Branche mit steigenden Kosten: bei den Energie- und Rohstoffpreisen, durch steigende Logistik- und Frachtpreise, durch erhöhten regulatorischen Aufwand. Wir brauchen jetzt eine Stärkung des Medizintechnik-Standortes Deutschland in Richtung einer strategischen Resilienz, den Erhalt der Innovationskraft durch Abbau des hohen Bürokratie- und Kostendrucks sowie durch Nutzung von Gesundheitsdaten, und  die Schaffung eines klimagerechten Gesundheitswesens im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie.

Dabei ist uns besonders wichtig: Wir müssen die Nutzung von Gesundheitsdaten für forschende Unternehmen ermöglichen und die digitale Gesundheitsversorgung mit einer Digitalisierungsstrategie zielgerichtet voranbringen. Denn: Deutschland braucht eine forschungsstarke, leistungsfähige, wirtschaftlich gesunde und international wettbewerbsfähige Medizintechnik-Branche.

www.bvmed.de

April 2023 Die Zeit Zukunft Medizin

»In Medikamenten steckt Zukunft für die Medizin und für Deutschland«

Han Steutel Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen | vfa

Starke Jahrgänge mit Neuzulassungen für neue Medikamente, eine stetig wachsende Zahl von Projekten für neue Medikamente und neue Anwendungen für vorhandene – man sieht: Die internationale Pharmaforschung ist so vital wie lange nicht mehr. Das belegt auch eine Erhebung des europäischen Pharmaverbands EFPIA aus dem letzten Herbst: Krebstherapien, so zeigt sie, sind weiter das Topgebiet für Pharmaunternehmen; mit einem starken Fokus auf Gentherapien, therapeutischen Impfstoffen und doppel-wirksamen Antikörpern. Aber auch für Patient:innen mit neurologischen Krankheiten, mit Infektions-, Stoffwechsel- oder nicht-infektiösen Atemwegs-erkrankungen werden vordringlich neue Therapien entwickelt. Und für immer mehr Patient:innen mit bisher unberücksichtigten seltenen Krankheiten sind endlich Medikamente in der Entwicklung.

Deutschland hat in vieler Hinsicht das Zeug, mit seinen Forschungsinstituten, Unternehmensstandorten und Kliniken maßgeblich zu diesen Fortschritten beizutragen – der Erfolg bei Covid-19-Impfstoffen belegt es. Doch leider hat der deutsche Anteil in den letzten Jahren abgenommen. Dazu hat beigetragen, dass man hierzulande oft ein ganzes Jahr braucht, bis eine klinische Studie beginnen kann, und dass man föderales Datenschutz-Wirrwarr überwinden muss und als Unternehmen keine pseudonymisierten Gesundheitsdaten auswerten darf. Pharmafirmen können das kompensieren, indem sie Forschung und Entwicklung verstärkt außerhalb Deutschlands betreiben. Für Deutschland indes bedeutet das viele vertane Chancen auf Zukunftsmedizin für die eigene Bevölkerung und auf Medikamente als international gefragte Exportgüter. Dabei könnte die Pharma- und Biotechbranche als Schlüsselindustrie für Deutschland künftig große Bedeutung erlangen. Das aber braucht geeignete politische Weichenstellungen.

www.vfa.de