Corona begegnen

Die Redaktion befragt Akteure zu aktuellen Herausforderungen in der Pandemie
Juni 2020 Die Zeit Gesundheit & Volkskrankheiten

»COVID-19: Telemedizin schützt herzkranke Patienten.«

Dr. Marc-Pierre Möll Geschäftsführer Bundesverband Medizintechnologie BVMed

Patienten mit einer schweren Herzschwäche sind in COVID-19-Zeiten Risikopatienten und vermeiden Arztbesuche. Oft leiden Herzschwächepatienten an lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen und sind somit auf einen implantierbaren Cardioverter Defibrillator (kurz ICD) angewiesen, der sie vor dem Plötzlichen Herztod schützt. Deutschlandweit gibt es derzeit rund 250.000 ICD- und CRT-Träger, die in vierteljährlichen Abständen aufgefordert sind, ihre Herz- und Gerätefunktion durch ihren Arzt kontrollieren zu lassen.


Obwohl die telemedizinische Funktionsanalyse eine Kassenleistung und in den kardiologischen Behandlungsleitlinien verankert ist, profitiert derzeit mit rund 20 Prozent nur ein geringer Teil der Patienten von dieser Möglichkeit. In den USA und Frankreich werden dagegen schon rund 90 Prozent aller ICD- und CRT-Patienten telemedizinisch nachversorgt. Dieses Niveau müssen wir auch bei uns erreichen, um das Risiko einer COVID-19-Erkrankung zu senken und das medizinische Personal zu entlasten.


Um dieses Ziel gemeinsam voranzubringen, haben sich die im BVMed vertretenen Hersteller von Herzrhythmus-Implantaten in der Initiative #telemedizinschuetzt zusammengeschlossen. Neben der vereinfachten Bereitstellung der für die telemedizinische Betreuung benötigten Patientengeräte, unterstützen die Implantathersteller medizinische Einrichtungen mit einem umfänglichen Service rund um die telemedizinische Nachsorge. Die telemedizinische Betreuung wird zu den bereits mit den Krankenkassen bestehenden  Konditionen angeboten.    


Analog zur Ausweitung anderer digitaler Lösungen, wie der Videosprechstunde, appelliert der BVMed, die telemedizinische Versorgung in aktuellen Krisenzeiten flächendeckend anzuwenden.

 

www.bvmed.de

Juni 2020 Die Zeit Gesundheit & Volkskrankheiten

»Wie lassen sich Menschen motivieren, die Corona-Regeln zu befolgen?«

Dr. Meltem Avci-Werning Präsidentin Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen

Die Psychologie als Wissenschaft über das Denken, Erleben und Verhalten von Menschen gibt wichtige Hinweise für die Umsetzung gesundheitsbezogener Verhaltensänderungen in Zeiten der Corona-Pandemie, um sich selbst und andere zu schützen. Neue Angewohnheiten müssen nun eintrainiert und langfristig angewendet werden.


Dass Menschen die Motivation aufbringen, lästiges und zeitaufwendiges Verhalten umzusetzen, gerade wenn die Bedrohung nicht immer augenscheinlich zu erkennen ist, scheint nicht immer möglich. Konsequente Informationen über die Auswirkungen einer Ansteckung auf sich und andere erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass langfristig Regeln wie Maske tragen mit physischer Distanz, regelmäßiges Händewaschen, das eigene Gesicht nicht berühren und andere über einen längeren Zeitraum befolgt werden.


Darüber hinaus steuern die Fähigkeiten, Möglichkeiten und die Motivation jedes einzelnen Menschen das Verhalten. Wenn Menschen das Gefühl haben, ihre Entscheidungen selbstbestimmt treffen zu können und somit in Zeiten von Corona sich und andere zu schützen, wird die Akzeptanz für entsprechende Verhaltensänderungen größer sein. Eine entscheidende Komponente dabei ist, dass der/die Einzelne sich kompetent fühlt und die Wirksamkeit des eigenen Verhaltens damit selbst wahrnehmen und regulieren kann. Wenn die eigene soziale Gruppe die Verhaltensweisen positiv bewertet und die Person dort auch für ihr Verhalten Akzeptanz erfährt, können drei wichtige Bedürfnisse dazu führen, dass die Motivation steigt, sich an gesundheitsbezogene Regeln zum Schutz vor Covid-19 zu halten und diese diszipliniert umzusetzen: zum Einen das Bedürfnis nach Kompetenz und Wirksamkeit, zum Zweiten nach Autonomie und Selbstbestimmung und zum Dritten nach sozialer Eingebundenheit und Zugehörigkeit.Die Vorgaben der politisch Verantwortlichen geben zwar eine Orientierung, aber die Motivation zur Selbstkontrolle ist unerlässlich.


www.bdp-verband.de

Juni 2020 Die Zeit Gesundheit & Volkskrankheiten

»Viele Volkskrankheiten sind heute durch rezeptfreie Arzneimittel therapierbar.«

Dr. Elmar Kroth Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH)

Die aktuelle Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell unser Gesundheitssystem an die Grenzen seiner Belastbarkeit kommt. Die Verfügbarkeit von medizinischem Personal ist eine kostbare Ressource, die so eingesetzt werden sollte, dass schwer und chronisch erkranke Patienten jederzeit und rasch behandelt werden können. Einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Ärzte kann dabei auch ein verantwortungsvoller Umgang mit rezeptfreien Arzneimitteln leisten.


Der durch die Digitalisierung einfach gewordene Zugang zu Wissen hat dazu beigetragen, gesundheitliche Zusammenhänge in weiten Bevölkerungskreisen zu verbessern. Nicht zuletzt deswegen konnten in den letzten Jahren Arzneimittel zur Behandlung von Volkskrankheiten wie Migräne und Heuschnupfen aus der Verschreibungs- in die Apothekenpflicht entlassen und damit der Bevölkerung rezeptfrei zugänglich gemacht werden. Der BAH berät Unternehmen bei diesem sogenannten „Switch“ von Arzneimitteln. Die Migräne ist die zweithäufigste Kopfschmerzform; geschätzt etwa acht Millionen Menschen leiden hierzulande daran. Mittel der Wahl bei Migräne sind Wirkstoffe aus der Gruppe der Triptane. Da diese nur bei Migräne wirksam sind, ist ein Missbrauch nahezu ausgeschlossen. Gerade bei Erkrankungen, bei denen ein rascher Therapiebeginn entscheidend ist, ist ein niedrigschwelliger Zugang zu wirksamen und sicheren rezeptfreien Arzneimitteln sehr wichtig. Noch weiterverbreitet als die Migräne ist der Heuschnupfen; nahezu jeder sechste Deutsche leidet darunter. Zur Behandlung des Heuschupfens stehen heute Antihistaminika und kortikoidhaltige Nasensprays rezeptfrei in der Apotheke zur Verfügung. Mit einem verantwortungsvollen Ausbau der Selbstmedikation kommen wichtige therapeutische Fortschritte direkt an die Patienten. Auf diese Weise wird die Eigenverantwortung der Patienten für ihre Gesundheit gestärkt und gleichzeitig das Gesundheitssystem erheblich entlastet.


www.bah-bonn.de