»Es ist einfach auf Nummer sicher zu gehen«

Im Interview erläutert Frauenarzt Andreas Lenhard, welche Rolle Folat in der Schwangerschaft einnimmt und wie sich die ausreichende Versorgung sicherstellen lässt – für Mutter und Kind.
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Herr Lenhard, welche Rolle spielt eine ausreichende Folatversorgung in der Schwangerschaft?

 

Folat ist das B-Vitamin mit der größten Bedeutung für Schwangere, weil es einen direkten Einfluss auf die Entwicklung des Rückenmarks des ungeborenen Kindes hat. Durch eine ausreichende Folatversorgung der Mutter kann das Risiko eines Neuralrohrdefektes deutlich gesenkt werden. Deswegen empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung die Einnahme von Folsäurepräparaten mindestens vier Wochen vor Eintreten der Schwangerschaft, also idealerweise bereits ab Kinderwunsch. In den USA und Kanada geht man sogar noch weiter: Dort werden alle Grundnahrungsmittel (z.B. Mehl, Brot oder Nudeln) mit Folsäure versetzt. Seitdem ist dort die Zahl der Kinder, die mit Neuralrohrdefekt geboren werden, um 50 Prozent gesunken!

 

Ließe sich der Mehrbedarf an Folat auch allein durch gesunde Ernährung abdecken?

 

Theoretisch ja. Folat ist vor allem in grünem Gemüse enthalten. Um die empfohlene  Menge durch die Nahrung aufzunehmen, müsste man allerdings täglich ca. 800 g Spinat essen, weil der Körper nur ca. 50% des Folats aus pflanzlichen Lebensmitteln aufnehmen kann. Ich halte es für eine geschmackliche und logistische Herausforderung, das über die gesamte Zeit der Schwangerschaft durchzuhalten. Die Alternative, täglich eine Tablette zu nehmen, die völlig ohne Nebenwirkungen ist, scheint mir auch aus gesundheitsökonomischer Sicht eine deutlich bessere Wahl zu sein.

 

Reicht es aus, ab Beginn der Schwangerschaft auf eine ausreichende Folsäurezufuhr achten? 

 

Ich rate bereits bei Bestehen eines Kinderwunschs dazu, zusätzlich Folsäure einzunehmen. Es kann bei ausreichender Supplementation bis zu sechs Wochen dauern, bis sich der Folat-Spiegel im Blut soweit aufgebaut hat, wie es in der Frühschwangerschaft notwendig ist. Da viele Frauen erst beim Verdacht schwanger zu sein zu mir kommen, empfehle ich dann sogar die Einnahme von 800µg täglich, damit der Folat-Spiegel rasch ansteigt.

 

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass nicht jede Frau synthetische Folsäure verwerten kann. Wieso ist das so und was kann man tun, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen?

 

Wir wissen, dass viele Frauen unter einem Enzympolymorphismus leiden. Dieser sorgt dafür, dass Folsäure nicht vollständig in ihre Wirkform umgewandelt werden kann. Diese Punkt-Mutation kann nur in einer aufwändigen Untersuchung festgestellt werden. Es ist aber einfach, auch ohne Test auf Nummer sicher zu gehen: Ich weise meine Patientinnen daraufhin, Folsäurepräparate zu verwenden, die Metafolin enthalten. Folat liegt dann in seiner Wirkform vor und muss nicht mehr umgewandelt werden. So weiß die werdende Mutter sicher, dass ihr Kind ausreichend versorgt ist.

 

Andreas Lenhard; Frauenarzt

Andreas Lenhard, geboren 1968 in Hamburg, ist selbst Vater von drei Kindern. Seit 2007 führt er eine eigene gynäkologische Praxis in Bad Segeberg mit  dem Schwerpunkt pränatale Diagnostik, Tumornachsorge, orthomolekulare Medizin und Ernährungsmedizin.

 

www.med-lenhard.de

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