Energie sparen oder grenzenlos Strom produzieren?

Die Energiewende gelingt nur, wenn unsere Häuser deutlich weniger Energie verbrauchen. Die Wärmedämmung ist dazu eine besonders wirkungsvolle Maßnahme.
Endenergieverbrauch nach Anwendungsbereichen in privaten Haushalten 2016
Endenergieverbrauch nach Anwendungsbereichen in privaten Haushalten 2016
Qualitätsgedämmt e.V. Beitrag

„Energieeffizienz ist der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende“: Wie ein Mantra wiederholen Fachexperten und auch Politiker dieses Postulat. Doch in Wirklichkeit deutet fast alles darauf hin, dass wir sämtliche Ziele bei Energieeinsparung und Klimaschutz deutlich verfehlen. Schon für die Etappenziele in den Jahren 2020 und 2030 liegen die Messlatten zu hoch – vom finalen Ziel 2050 ganz zu schweigen. Woran liegt das? Und wie lässt sich das ändern?

Oft tragen schon Begrifflichkeiten zum Erfolg oder zum Scheitern eines Vorhabens bei. „Energieeffizienz“ ist schon phonetisch wenig sexy und klingt nach Askese. Und überhaupt: Warum eigentlich Energie sparen, wenn sich doch die Windräder drehen, die Photovoltaik boomt und wir alle bald mit dem vielen Strom, woher er immer kommen mag, auch unsere Häuser heizen und Auto fahren sollen? Doch längst wissen wir, dass Sonne, Wind und Biomasse unseren Energiebedarf langfristig nur decken können, wenn dieser drastisch sinkt. Spätestens wenn Atommeiler und die meisten Kohlekraftwerke vom Netz gehen, droht die große Versorgungslücke, wenn wir unseren Energieverbrauch nicht in den Griff bekommen. Ein Import von Kohle- oder Atomstrom aus dem Ausland wird dann die Energiewende restlos ad absurdum führen.

Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz gehen also Hand in Hand. Bislang ist es aber nicht gelungen, diese beiden Säulen zusammenzuführen. Die umweltfreundlichste und kostengünstigste Energie ist bekanntermaßen diejenige, die gar nicht erst erzeugt, transportiert, gespeichert und umgewandelt werden muss. So gesehen sollte die Energieeffizienz beim großen Thema Energiewende eigentlich Priorität haben…

Unsere Gebäude sind unstrittig die größten Verbraucher an Wärme und Strom: Rund 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland sowie rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen entfallen auf den Gebäudebereich. Noch heute verbraucht das deutsche Durchschnittshaus rund 80 Prozent seiner Energie für Heizung und Warmwasser. Der relativ kleine Anteil energieeffizienter Neubauten und ein paar Passivhaus-Leuchtturmprojekte können diese Bilanz selbst langfristig nur wenig verbessern. Fast 60 Prozent aller Haushalte heizen heute noch mit Öl und Gas, 20 Prozent mit Strom und gerade einmal 12 Prozent mit erneuerbaren Energien. Dabei soll der Primärenergiebedarf aus nicht erneuerbaren Energiequellen im Vergleich zu 2008 auf ein Sechstel(!) reduziert werden. Wie soll das gehen?

Deutschland ist kein Sonnenland. Unsere Gebäude verlieren neun Monate im Jahr ständig Energie an die Umwelt. Diese Verluste lassen sich in erster Linie durch eine gedämmte Gebäudehülle verringern. Doch 80 Prozent der Gebäude in Deutschland sind nicht einmal auf dem Stand der Energieeinsparverordnung von 2009(!), zwei Drittel aller Fassaden sind nicht gedämmt. Es macht wenig Sinn, aufwendig produzierte Heizenergie (auch wenn sie aus erneuerbaren Energiequellen stammt) durch eine ungedämmte Gebäudehülle nutzlos in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Mit einer umfassenden Sanierung (Fassade, Fenster, Kellerdecke, Heizung mit Solarthermie) können in die Jahre gekommene Häuser problemlos 60 Prozent ihrer Heizkosten einsparen, mit entsprechendem technischem Aufwand erheblich mehr.

Freilich vernebelt der zwischenzeitliche Einbruch des Ölpreises den Blick auf das Notwendige. Abgesehen davon, dass die Talsohle der Leitwährung im Energiebereich längst durchschritten ist: Augenblicklich kostet Heizöl wieder rund 60 Prozent mehr als zu Beginn des Jahres 2016, Tendenz weiter steigend. Zudem stellt sich die nicht einfache Frage, welche Preissteigerungen seriös in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen energetischer Maßnahmen mit einfließen können und dürfen. Insgesamt droht so die rein ökonomische Begründung der Energieeffizienz ins Wanken zu geraten. Denn sowohl ordnungsrechtliche Vorgaben wie die Energieeinsparverordnung (EnEV) wie auch die letztliche Entscheidung des Investors orientieren sich in erster Linie an der zu erwartenden Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Maßnahmen. Doch selbst mit diesem singulären Argument lässt sich die Sinnhaftigkeit energetischen Bauens und Sanierens begründen. Einmal mit der langen Nutzungsdauer von Wohngebäuden, die in der Regel 100 Jahre alt werden (Dämm-Fassaden mindestens 40, laut Fraunhofer-IBP durchaus auch 60 und mehr). Und zum zweiten über den Preis von erhöhten Betriebs-, Unterhalts- und auch „Reparatur“-Kosten, mit denen das Gebäude später gezwungenermaßen auf den erforderlichen Standard gebracht werden muss.

Gerade dann, wenn die Immobilie einmal vermietet oder verkauft werden soll. Mehr denn je achten Käufer heute auf den dokumentierten Energieverbrauch eines Gebäudes. Folglich ist die Sanierung der Gebäudehülle mit einhergehendem niedrigem Energieverbrauch eine nachhaltige Investition in den Werterhalt. Sie ist zudem langfristige Wohnraumsicherung und ist damit fundamentaler Bestandteil der Alterssicherung.

Durch Dämmen sinken aber nicht nur die Betriebskosten eines Gebäudes. Als Nebeneffekt werden vom ersten Moment an Behaglichkeit und Wohlfühlfaktor erheblich gesteigert. Ungedämmte Wände sind bei tiefen Temperaturen oft Ursache für ein ungemütliches Wohnklima, für Zugerscheinungen und zusammen mit anderen Faktoren für Feuchte- und Schimmelbildung in Raumecken. Die Dämmung erhöht die innere Oberflächentemperatur der Außenwand an kalten Wintertagen um mehrere Grad Celsius.

Übrigens: 94 Prozent aller Bewohner, die ihr Haus haben sanieren lassen, raten auch anderen Hausbesitzern zum Modernisieren. Dies hat aktuell eine Erhebung der Deutschen Energie-Agentur (dena) ergeben.Hält die Politik Wort und fördert die energetische Gebäudesanierung bald mit wirklich wirksamen Mitteln (wie etwa der steuerlichen Absetzbarkeit oder einem bundesweit einheitlichen Sofort-Zuschussprogramm), dürfte sich diese Quote Richtung 100 Prozent weiter steigern lassen. Vielleicht gelingt die vielgepriesene Energiewende so doch noch.


www.daemmen-lohnt-sich.de

Nächster Artikel