Bis später, Kinderwunsch!

Mit verschiedenen Verfahren kann die Reproduktionsmedizin der Natur auf die Sprünge helfen. „Social Freezing“ ermöglicht Frauen, ihre Eizellen auf Eis zu legen – und den Kinderwunsch gleich mit.
In vitro
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Maja Seimer Redaktion

Nach dem Abitur die Welt entdecken, sich ein bisschen treiben lassen. Nach dem Bachelor-Studium folgt der Master und auf zwei bis drei Praktika der erste Job. Der Trend, erst mit Ende Zwanzig, Anfang Dreißig die berufliche Karriere zu starten, setzt sich fort. Viele Frauen verschieben ihren Kinderwunsch auf später. Die Krux dabei: Das medizinisch optimale Alter, Kinder zu bekommen, liegt bei Mitte bis Ende Zwanzig. Mit Dreißig geht es auch schon rapide bergab mit der Fruchtbarkeit, ab 35 Jahren sinkt die Chance auf eine Schwangerschaft erheblich.  

 

„Die Zeitspanne, in der sich Eizelle und Spermien treffen müssen, ist sehr klein“, erklärt Rainer Wiedemann, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin aus Stuttgart. „Wer also schwanger werden möchte, sollte am besten kurz vor dem Eisprung mit dem Partner schlafen.“ Dann ist die Chance für eine Befruchtung am größten. 

 

Für die meisten Frauen geht der Wunsch, schwanger zu werden, innerhalb eines Jahres in Erfüllung. Zeigt der Test dann trotz aller Bemühungen noch immer negative Ergebnisse, können sich Paare in Kinderwunschzentren beraten lassen. „Bei ungewollter Kinderlosigkeit von mehr als einem Jahr spricht man von herabgesetzter Fruchtbarkeit“, erklärt Wiedemann. Subfertilität und Sterilität sind die medizinischen Begriffe dafür. Reproduktionsmediziner können die genauen Ursachen für den unerfüllten Kinderwunsch herausfinden und Mann oder Frau entsprechend behandeln. Der erste Schritt nach dem Anamnesegespräch ist in der Regel, die Zeugungsfähigkeit des Mannes zu untersuchen. Ist diese eingeschränkt, kann eine Insemination in Kombination mit einem Zyklusmonitoring der Natur ein wenig auf die Sprünge helfen. Hierbei bringen Ärzte befruchtungsfähige Samenzellen in die Gebärmutter der Frau ein. „Diese Methode wird angewendet, wenn eine Störung der Samenproduktion vorliegt“, berichtet der Reproduktionsmediziner. „Bei Frauen mit einem nicht ausreichend stabilen Eisprung können Medikamente in Tabletten- oder Spritzenform diesen anregen“.

 

Helfen die Stimulations-Methoden nicht, stehen Paare schließlich vor der Entscheidung: Künstliche Befruchtung, ja oder nein? Eine sogenannte In-Vitro-Fertilisation (IVF) führen Ärzte durch, wenn keine Ursache für die Kinderlosigkeit erkennbar ist oder andere Methoden keine Schwangerschaft herbeiführen konnten. „Die Befruchtung findet bei der IVF außerhalb des Körpers statt. Das heißt Ei- und Samenzelle werden im Labor zusammengeführt“, erklärt Wiedemann. „Wie erfolgreich das Verfahren ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa dem Spermienbefund des Mannes.“

»Ab 35 Jahren sinkt die Chance auf eine Schwangerschaft erheblich.«

Für viele Paare sind die Behandlungsmethoden der Reproduktionsmedizin die einzige Chance auf Nachwuchs. Etwa zwei von hundert Kindern werden in Deutschland über IVF gezeugt, in anderen Ländern sind es oft mehr. Knapp 48.000 Patienten wurden laut Deutschem IVF-Register im Jahr 2012 behandelt, es gab über 10.000 Geburten. 2013 betrug die Zahl der behandelten Patienten knapp 51.300. Etwa 7.000 Geburten wurden bisher erfasst, weitere Auswertungen folgen.

 

Nicht zuletzt entscheiden sich immer mehr Paare bewusst dazu, später ein Kind zu bekommen, da die Reproduktionsmedizin immer mehr Möglichkeiten bietet. Das Social Freezing, das Einfrieren der Eizellen, etwa nimmt den Druck: Es ermöglicht Frauen und Paaren, sich offen zu halten, wann ihr Babyglück eintreffen soll, unabhängig von der biologischen Uhr. Mit dem mittlerweile populäreren Verfahren können Frauen ihre Eizellen ganz einfach auf Eis legen, um sich ihren Kinderwunsch später zu erfüllen. Ende letzten Jahres sorgten die Unternehmen Facebook und Apple für Aufruhr mit der Nachricht, ihren Mitarbeiterinnen bis zu 20.000 Dollar für das Einfrieren ihrer Eizellen zu zahlen. Besonders Ethiker sind entsetzt von dem Trend zum Social Freezing: Ein Eingriff in die Natur, kritisieren sie.

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