Wirksame Lungenkrebs- Früherkennung dank Niedrigdosis-CT

Je früher Lungenkrebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Forschung und Industrie entwickeln hierfür gemeinsam innovative und schonende Lösungen.
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Privatdozent Dr. med. Wieland Voigt; Leiter klinische Strategie, Medical Office, Siemens Healthineers.
Siemens Healthineers Beitrag

Herr Prof. Henzler, warum ist Lungenkrebs mit weltweit 1,6 Millionen Toten pro Jahr die häufigste tödliche Krebs-erkrankung?

 

Das liegt vor allem daran, dass Lungenkrebs in den meisten Fällen zu spät erkannt wird – nämlich erst dann, wenn der Tumor bereits Metastasen gebildet hat. Dann gibt es kaum noch Chancen auf vollständige Heilung.

 

Ist das der Grund, warum man hier stark auf die Früherkennung setzt?

 

Absolut. Denn genau hier liegt die Stärke des Screenings: Eine großangelegte Studie aus den USA, der „National Lung Screening Trial“ – kurz NLST –, zeigte, dass ein Screening mittels CT-Bildgebung die Sterblichkeit von Hochrisikopatienten um 20 Prozent senken kann. Eine derartige Senkung der Mortalität ist bisher keiner der Krebstherapien bei Patienten mit Lungenkrebs gelungen.

 

Herr Dr. Voigt, was macht die NLST-Studie besonders?

 

Die US-Studie hat die Vorteile des CT-basierten Lungenkrebsscreenings gegenüber gewöhnlichen Röntgenuntersuchungen der Lunge gezeigt. Deshalb wird das CT-Screening in den USA für bestimmte Patientengruppen auch von den Krankenkassen bezahlt.

 

Herr Prof. Henzler, die Studie erntet aber nicht nur Lob.

 

Das Problem ist, dass es eine relativ hohe Zahl sogenannter falschpositiver Befunde gibt: Die NLST-Studie hat langjährige Raucher untersucht. Bei rund 50 Prozent dieser Patienten konnten durch das CT-Screening Lungenrundherde festgestellt werden. Allerdings handelte es sich bei 95 Prozent davon nicht um bösartige Tumore. Dennoch werden diese Patienten fortan überwacht, was für sie wegen der Unsicherheit bis zur nächsten Kontrolle einen Verlust an Lebensqualität bedeutet.

 

Und eine größere Genauigkeit lässt sich nicht erzielen?

 

Daran arbeiten wir und viele Arbeitsgruppen weltweit mit Nachdruck. Aktuell läuft etwa in den Niederlanden die sogenannte Nelson-Studie. Anders als in den USA wird dort nicht der Durchmesser des Lungenrundherds gemessen, sondern sein Volumen. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Spezifität der Nelson-Studie deutlich höher ist. So ließe sich die Anzahl der zu überwachenden Patienten um rund 50 Prozent reduzieren – weniger Patienten würden verunsichert und die Screening-Kosten könnten verringert werden.

 

Überwachen bedeutet, die Patienten müssen regelmäßig zum Screening?

 

Genau. Wobei die Nelson-Studie andeutet, dass die Ergebnisse des Lungenkrebsscreenings eher besser sind als die anderer Screening-Programme wie der Mammografie. Wobei die Mammografie etabliert ist und die Bereitschaft zur Teilnahme hoch.

 

Hier ist sicher noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Auch weil beim Lungenkrebs die Meinung weit verbreitet ist, dass die Patienten wegen ihrer Lebensweise für ihr Schicksal selbst verantwortlich sind. Dabei wird vergessen, dass Rauchen eine Suchterkrankung ist und Lungenkrebs auch genetische Ursachen haben kann. Und starke Luftverschmutzung kann ebenso zu Lungenkrebs führen.

 

Herr Dr. Voigt, wie steht es mit der Strahlenbelastung durch ein regelmäßiges CT-Screening?

 

Während die Strahlenbelastung der in der NLST-Studie verwendeten CTs bei etwa 1,5 Millisievert lag, konnten wir diese Dosis mit unserem High-End-System Somatom Force auf bis zu 0,1 Millisievert pro Untersuchung reduzieren. Bei einem jährlichen Lungenkrebsscreening ist die Belastung mit unseren neuen Geräten also in 15 Jahren so hoch wie mit regulären CTs nach nur einer Untersuchung.

 

Bei gleicher Bildqualität?

 

Ja. Es ging uns darum, das Screening-Verfahren für die Patienten schonender zu machen – ohne dabei diagnostische Qualität einzubüßen. Im Gegenteil: Die exzellente Bildqualität erlaubt es sogar, weitere Risikofaktoren wie die koronare Herzkrankheit gleich mitzubetrachten.

 

Herr Prof. Henzler, haben Forschung und Industrie mit der neuen Methode eine Pionierleistung vollbracht?

 

Mit Blick auf die Bildqualität, die Untersuchungsgeschwindigkeit und die deutlich reduzierte Strahlenbelastung kann ich die Frage eindeutig mit Ja beantworten. Das lässt sich an einem Beispiel gut verdeutlichen: Wir setzen die gleiche Technik nun auch häufig bei Kindern mit Lungenerkrankungen ein. Bisher wurden diese Untersuchungen mit ei-nem MRT durchgeführt, wofür bei Neugeborenen und Kleinkindern eine Narkose nötig ist, damit sie lange genug ruhig liegen. Der neue CT-Scanner braucht nur 0,1 Sekunden, eine Sedierung ist nicht nötig. Und die Strahlendosis liegt kaum über der einer Röntgenuntersuchung, obwohl die CT-Bilder eine signifikant bessere Aussagekraft haben.

 

Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist also konstruktiv?

 

Eindeutig. An unserem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Mannheimer Forschungscampus M2OLIE arbeiten wir ganz eng mit Siemens Healthineers und anderen Industriepartnern zusammen, wir haben gemeinsame Doktoranden und definieren gemeinsame Themen. Nur so kann ein solcher Durchbruch gelingen – und technische Innovationen können direkt zum Nutzen der Patienten angewandt werden.

 

Herr Dr. Voigt, sehen Sie das als Industrievertreter ebenso?

 

Ja, der Vorteil der Nähe lässt auch uns ganz anders auf Weiterentwicklungen und weitere Einsatzgebiete blicken. Dieser kurze Draht ist ein Gewinn für alle Beteiligten, inklusive der Patienten.

 

 

Eine neue Marke für das Healthcare-Geschäft von Siemens

 

Mit dem neuen Markennamen Siemens Healthineers unterstreicht Siemens seinen Pioniergeist und sein Ingenieurwissen in der Gesundheitsindustrie. Die neue Marke beschreibt die Healthcare-Organisation und ihre Mitarbeiter – Menschen, die für ihre Kunden da sind, die sie begleiten und inspirieren und die für herausragende Produkte und Lösungen stehen.

Siemens Healthineers wird sein führendes Portfolio im Bereich medizinischer Bildgebung und Labordiagnostik weiterhin stärken und es um neue Angebote wie Managed Services, Beratung und digitale Services erweitern. Hinzu kommen weitere Technologien aus dem wachsenden Markt der Therapielösungen und der Molekulardiagnostik.

In der Onkologie ist es wichtig, die Charakteristik des Tumors genau zu kennen. Mit Bildgebung, Labortechnik und genbasierten molekularen Tests trägt Siemens Healthineers deshalb zu einer präziseren Diagnostik bei, die individuelle Therapieansätze ermöglicht.

 

 

www.siemens.de/healthineers 

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