Früherkennung greift!

Erfreulicher Trend in Deutschland: Die Krebszahlen scheinen zu stagnieren. Global gesehen sind Tumorerkrankungen allerdings massiv auf dem Vormarsch.
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Illustration: Ivonne Schulze
Mirko Heinemann Redaktion

Es ist eine alte Frage, die immer wieder hoch kocht und vor allem unter Vieltelefonierern für Verunsicherung sorgt: Können Handystrahlen Krebs auslösen? Zwar weisen manche Studien auf einen möglichen Zusammenhang hin, andere aber geben Entwarnung. Vor kurzem ging das Thema einmal wieder durch die Medien. Grund waren zwei medizinische Studien, eine aus den USA, die andere aus Australien. Die Wissenschaftler aus den USA hatten 2.500 Ratten und Mäuse über Jahre massiver Handystrahlung ausgesetzt und dabei ein leicht erhöhtes Krebsrisiko festgestellt. Die Langzeitstudie aus Australien, die über 30 Jahre die Mobilfunknutzung von Menschen mit den Zahlen von Gehintumoren verglichen hatte, ergab hingegen keinen Hinweis auf erhöhte Krebszahlen in der Bevölkerung.

 

Nein, es sind höchstwahrscheinlich nicht die Handystrahlen, die für einen Anstieg der Krebsraten sorgen. Das besorgt der Mensch ganz allein. Schon allein dadurch, dass er immer älter wird und im höheren Alter die Wahrscheinlichkeit von  Fehlern bei der Zellteilung steigt und die Reparaturfähigkeit des menschlichen Organismus im Alter abnimmt. Dazu kommt der ungesunde Lebenswandel, der den zivilisatorischen Errungenschaften geschuldet ist: Die Menschen in den Industrieländern bewegen sich immer weniger, sie rauchen, konsumieren Alkohol und essen viel Fleisch. Solche Faktoren begünstigen nicht nur die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Bluthochdruck, sondern auch von Krebs. Dazu kommen Umweltverschmutzung, ultraviolette Strahlen der Sonne, radioaktive Strahlung, chemische Giftstoffe. 

 

Dem gegenüber steht die flächendeckende Einführung von Vorsorgeuntersuchungen. Die Angebote werden zwar immer noch von viel zu wenigen Menschen wahrgenommen. Doch positive Effekte sind bereits festzustellen. Vor allem die Früherkennung von Brustkrebs hat dazu geführt, dass diese Krebsform viel von ihrem Schrecken eingebüßt hat. Auch die Maßnahmen zur Darmkrebsvorsorge, zweithäufigste Krebserkrankung, scheinen zu greifen. Jedenfalls konnte das Robert Koch-Institut (RKI), das die Krebsregisterdaten verwaltet, in seinem jüngsten Bericht „Krebs in Deutschland“ einen Rückgang der Darmkrebszahlen vermelden. Der Bericht erschien im Dezember 2015 und wertete Daten bis zum Jahr 2012 aus. 

 

Danach gab es beim Darmkrebs zuletzt bei beiden Geschlechtern rückläufige Trends, wahrscheinlich auch ein Ergebnis der 2003 eingeführten Früherkennungskoloskopie ab dem Alter von 55 Jahren. Dabei können Frühstadien von Darmkrebs erkannt und rechtzeitig behandelt werden. Insgesamt lasse sich jedoch nicht von einer Trendwende sprechen, für einige Tumorarten müsse weiter eher von steigenden Zahlen ausgegangen werden, so das RKI in der Mitteilung. Dazu gehören auch einige besonders gefährliche Krebsformen, wie Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs.

 

Die häufigsten Krebserkrankungen sind bei den Männern nach wie vor Prostatakrebs mit knapp 64.000 Neuerkrankungen im Jahr 2012, es folgen Lungenkrebs mit knapp 35.000 und Darmkrebs mit 34.000. Frauen sind am häufigsten von Brustkrebs (70.000), Darmkrebs (29.000) und Lungenkrebs (18.000) betroffen. Die Prognosezahlen zeigen, dass für das Jahr 2016 insgesamt mit rund 500.000 neuen Krebserkrankungsfällen in Deutschland zu rechnen ist. Die aktuellen Auswertungen der Daten aus den epidemiologischen Krebsregistern bis zum Jahr 2012 zeigen dabei, dass sich für die zurückliegenden fünf Jahre eher eine Stagnation der Erkrankungszahlen abzeichnet. Dieser Trend ist erkennbar, obwohl die Anzahl älterer Menschen in der Bevölkerung weiter zunimmt. Dies war in den vergangenen Jahrzehnten die wesentliche Ursache für die Zunahme von Krebserkrankungen. „Das ist insgesamt eine erfreuliche Entwicklung“, so RKI-Präsident Lothar H. Wieler in einer Mitteilung seines Instituts. 

 

»Weniger Zucker, Stärke, Fett und Salz könnten das Risiko für Krebs verringern.«

 

Die Krebsvorsorge scheint also zu greifen. Global gesehen sieht es anders aus. Die Prognosen der Weltgesundheitsorganisation WHO zeichnen ein eher düsteres Bild: Im Jahr 2030 werden nach Prognosen der WHO mehr als 21 Millionen Menschen neu an Krebs erkranken, 2012 waren es 14 Millionen. Auch die Zahl der Todesfälle wird steigen: Derzeit sterben etwa 8,2 Millionen Menschen an der Krankheit, in 15 Jahren sollen es 13 Millionen sein. Die Gründe für den sprunghaften Anstieg: Neben dem anwachsenden Lebensalter der Durchschnittsbevölkerung erwähnt die WHO ebenfalls den ungesunden Lebenswandel, der sich mit dem wachsenden Wohlstand weltweit durchsetzt. Schädliche Verhaltens- und Lifestyle-Gewohnheiten reicherer Staaten würden kopiert. Die Zahl der Raucher steige massiv an, auch der Konsum von Alkohol nehme zu.

 

Etwa 70 Prozent aller Todesfälle durch Krebs träten in Afrika, Asien, Zentral- und Südamerika auf. Grund dafür sei vor allem, dass es dort nicht genug Möglichkeiten für eine frühe Diagnose gebe. Auch der Zugang zu Behandlung reiche nicht aus. Die Studienautoren fordern die Regierungen auf, die Gesetze zum Rauchen und zur Regulierung des Konsums von Alkohol und zuckerhaltigen Getränken zu verschärfen. Außerdem müsse die Vorsorge verbessert und Luftverschmutzung stärker thematisiert werden. 

 

Ebenfalls stark im Fokus steht das Thema Übergewicht. Das Regionalbüro Europa der WHO verweist auf den Zusammenhang zwischen Körper-Masse-Index (BMI) und tödlich verlaufenden Krebsformen. Danach steigt die Krebsmortalität um zehn Prozent, wenn der BMI um 5 kg/m2 zunimmt. Vor allem Krebserkrankungen wie Speiseröhrenkarzinome, Schilddrüsen-, Darm- und Nierenkrebs bei Männern, Krebs an der Gebärmutter, Gallenblase bei Frauen nehmen stark zu. „Das Ausmaß des Zusammenhangs zwischen Ernährung und Krebs verdeutlicht die Notwendigkeit, neben Tabak und den anderen bekannten Risikofaktoren auch die übrigen Ursachen von Krebs zu verstehen“, so die WHO. Krebsprävention erfordere „gesellschaftliche und natürliche Umfelder, die gesunder Ernährung und körperlicher Betätigung zuträglich sind“. Fertiggerichte und Getränke, die weniger Zucker, raffinierte Stärke, Fett und Salz enthalten, könnten das Risiko für chronische Erkrankungen wie Krebs wirksam verringern. 

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