Das Titelzitat dieses Textes stammt leider nicht von einer Frau. Der geistige Eigentümer ist Georg Christoph Lichtenberg, Mathematiker und Physiker, der im 18. Jahrhundert lebte. Dem Zeitalter der Aufklärung, in dem rationales Denken den Diskurs prägte, um alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden. Lichtenberg wusste selbst nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird – er erkannte jedoch die Dringlichkeit für Veränderung. Denn ohne die Erkenntnis, dass Bewährtes ausgedient hat und Zufriedenheit durch Mangelempfinden ersetzt wird, kann Veränderung nicht herbeigeführt werden.
„Zukunft Frau“, das Thema dieser Sonderpublikation, deren redaktionelle Leitung ich übernehmen durfte, befasst sich im Sinne der Aufklärung mit einer vielfältigen und gleichgestellten Gesellschaft, die erst noch entstehen muss. „Zukunft Frau“ vereint Frauen, die sich als Autorinnen, Führungspersönlichkeiten und Mentorinnen zusammengefunden haben, um strukturelle Benachteiligung zu benennen und Fortschritte hervorzuheben, die trotz ihres langsamen Voranschreitens durchaus erwähnenswert sind. Frauen, die Veränderung vorantreiben und vorleben.
Manchmal lohnt ein Blick in die Vergangenheit, um sich ein Bild von der Zukunft machen zu können. Wussten Sie, dass im Vatikan, unweit des Petersdoms, 38 Tropen von heiligen und seligen Frauen stehen? Oder dass es keine wissenschaftlichen Hinweise dafür gibt, dass männliche Steinzeitskelette mehr und andere Verletzungen aufweisen als weibliche? Oder es eine Frau war, nämlich die Chemikerin Rosalind Franklin, die die DNA Doppelhelix entdeckte? Lediglich die Molekularbiologen Francis Crick und James Watson wurden dafür mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Geschichtsschreibung war eine durch und durch männliche Domäne, eine Chronik des Patriarchats. Sie ist dafür verantwortlich, dass das Bild einer Frau, die bestärkt und gefördert werden muss, überhaupt entstanden ist. Die Vergangenheit hat bewiesen, dass die Strahlkraft einiger großartiger Frauen der Geschichte – Frauen wie Jeanne d’Arc, Katharina di Medici, Königin Luise, Golda Meir und Rosa Parks – nicht ausreicht, um Stärke, Intelligenz und Durchsetzungsvermögen heute in Frauen inhärent zu definieren. Auch im Jahr 2024 stehen wir an einem Punkt, in dem Macht und Führung mehrheitlich männlich definiert werden. Wir sollten nicht vergessen, dass selbst eine hochintelligente und mächtige Frau wie unsere ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel als „Mutti“ bezeichnet wurde.
„Herrschen“ als männliche Eigenschaft begleitet unser Verständnis von Führung seit über tausend Jahren. Seit jeher mussten Frauen auf Methoden ihrer männlichen Konkurrenten zurückgreifen, um Macht zu erlangen und halten zu können. Ein Phänomen, das auch heute noch in branchenübergreifenden Vorstandsebenen beobachtet wird. Dabei sieht eine starke weibliche Zukunft keine Kopie ihrer männlich dominierten Vergangenheit und Gegenwart vor. Oder, um in der historischen Metapher zu bleiben: Ziel ist nicht, Michelangelos David nachträglich Brüste zu meißeln. „Zukunft Frau“ ist – und hier kommt uns der langsame Fortschritt wenigstens einmal zugute – die Möglichkeit, etwas Neues und Eigenes aus einem fast unberührten Marmorblock zu erschaffen. Eine gleichberechtigte und vielfältige Zukunft lässt sich nur mit einer Gleichverteilung an Archäologinnen, Autorinnen, Wissenschaftlerinnen und Chronistinnen realisieren. Weg vom Mann als Maßstab aller Dinge, hin zu einer vielfältigen, geschlechtsübergreifenden Vorbildkultur, die alle Menschen gleichermaßen abholt. Schon seit mehreren Jahren berichten Expert:innen aus der Berufspraxis, wie essenziell identifikationstaugliche Rollenvorbilder vor allem für junge Mädchen bei der Berufswahl sind. „Zukunft Frau“ steht für die Einsicht, dass geschlechtsspezifische Sozialisation eine Auswirkung auf den beruflichen Erfolg von – vor allem – Mädchen und Frauen hat. Frauenberufe und Männerberufe als Zuschreibung haben ausgedient. Das möchten wir in dieser Publikation sichtbar machen.
Wir haben lange genug gelächelt und um Erlaubnis gefragt. Heute und morgen leiten, entwickeln und forschen wir. Wir bilden Netzwerke außerhalb der etablierten Buddy-Kultur, die sich in den höheren Ebenen der Wirtschaft beobachten lässt, wo Männer anderen Männern Türen öffnen. Wir enablen, wir ermöglichen unseren Wegbegleiterinnen den Zugang zu Räumen, in die sie ohne Mentorinnen keinen Zutritt erhalten würden. Das ist die Form von Empowerment, die eine Zukunft mit von Geburt an starken Frauen auszeichnet.
»Seit jeher mussten Frauen auf Methoden ihrer männlichen Konkurrenten zurückgreifen, um Macht zu erlangen und halten zu können.«
Um Veränderung bewirken zu können, müssen wir eine gemeinsame, ideelle Sprache sprechen: Gender Pay Gap, Mental Load, Care-Arbeit und Kindergrundsicherung sind Wörter, die wir in unseren alltäglichen Wortschatz etablieren müssen. Stichwort Sichtbarkeit. Denn nur wenn wir Missstände weiterhin konstant an- und besprechen, können wir Diversität, Inklusion und Gleichstellung als Gesellschaftsstandard festlegen. Wir wissen nicht, was morgen ist. Wir werden jedoch nur klüger, wenn wir es versuchen.