Die Pflichten der Meisterschaft

Der Güterverkehr in Deutschland wird in den nächsten Jahren stark wachsen. Die Infrastruktur muss mitziehen. Neue Lösungen für den Überlandverkehr und für die City-Logistik werden dringend gesucht.
Illustration: Sören Kunz
Illustration: Sören Kunz
Axel Novak Redaktion

Deutschlands Wirtschaft brummt – und dafür sind die Logistiker mitverantwortlich. Quer durch alle Branchen sorgen sie dafür, dass Güter in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, zum richtigen Zeitpunkt, mit den richtigen Informationen und zu minimalen Kosten am richtigen Ort bedarfsgerecht zur Verfügung stehen.

Logistik ist heute nach Autoindustrie und Handel in Deutschland der größte Wirtschaftsbereich: Rund drei Millionen Menschen sind in Speditionen, Bahnbetrieben, Häfen, Flughäfen, Güterverkehrszentren, oder ähnlichen Anlagen und Unternehmen beschäftigt. 258 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten 2016 die rund 60.000 überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmen.

Im internationalen Vergleich sind Deutschlands Infrastrukturqualität und Logistiktechnologie ausgezeichnet. Im weltweiten Logistics Performance Index der Weltbank lag Deutschland 2016 erneut auf Platz 1. Das Land liegt geografisch günstig im Herzen Europas und ist auf gut funktionierende Logistikunternehmen angewiesen, die mit ihren Netzwerken weltweit die gleichen Standards wie in Deutschland bieten können.

Doch heute müssen sich Logistiker ständig an veränderte Märkte anpassen. Da ist zum einen die veränderte wirtschaftliche Lage. Kaum sind Wiedervereinigung, Integration der Ostblockstaaten in die Weltwirtschaft und eine erste Globalisierungswelle verdaut, verlangen die EU-Wirtschaftskrise und die Verschiebung von Handelsströmen nach Asien nach Kreativität der Dienstleister, die auf die Anforderungen ihrer Global Player-Kunden reagieren müssen. Zum anderen sind der Kosten- und Wettbewerbsdruck in der Logistik hoch: Unternehmen müssen ständig besser werden und ihre Wertschöpfungsketten noch effizienter organisieren.

Hinzu kommt: Experten sagen Deutschland ein immenses Wachstum im Güterverkehr voraus. Eine Langfristprognose der Bundesregierung sieht allein einen Anstieg des Transitverkehrs, also des reinen Durchgangsverkehrs, um 52 Prozent gegenüber dem Jahr 2010. 2025 wird jeder fünfte Lastwagen und Eisenbahnwaggon Deutschland einfach durchqueren.

Schafft Deutschland das?

Wer die Nachrichten hierzulande verfolgt, muss den Eindruck gewinnen, dass die Straßen marode, die Schienen brüchig und die Kanäle versumpft sind. Tatsächlich wird die bestehende Infrastruktur das Güterverkehrswachstum nur schwer aufnehmen können. Besonders auf den Straßen wird es eng: Lastwagen erbringen mehr als zwei Drittel der Güterverkehrsleistung, die Bahnen schaffen gerade einmal 17,6 Prozent – das Schiff kommt auf nicht einmal ein Zehntel.

Für Logistiker ergeben sich drei Optionen: Sie warten auf den teuren und teilweise wirtschaftlich zweifelhaften Neu- und Ausbau des Straßennetzes. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Verkehrswissenschaft in empirischen Studien zu der Erkenntnis gelangt, dass Straßenneubau in der Regel auch in gleichem Maß neue Verkehre hervorruft. Oder die Logistiker setzen neue Techniken ein wie den Oberleitungs-Lkw, digitales Flottenmanagement oder Platooning, um das vorhandene Netz besser auszulasten. Die dritte Möglichkeit sind intelligente Transportkonzepte und die Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene oder die Binnengewässer. Dabei benötigen die Unternehmen einen intelligenten Mix aller drei Optionen, also einen Aus- und Neubau bestehender Transportwege, neue Technologien und neue Konzepte.

Denn in den vergangenen Jahren haben sich Deutschlands Logistiker in ein Dilemma begeben: Eigentlich müssten bei begrenzter Infrastruktur und steigendem Wachstum vor allem die Straßen entlastet werden. Doch sinkende Kraftstoffpreise und politische Rahmenbedingungen wie hohe Preise für die Gleisnutzung oder die sinkende Straßenmaut haben dazu geführt, dass immer mehr Güter mit dem Lastwagen transportiert werden.

Doch verkehrs- und klimapolitisch fahren Deutschlands Lkw ins Desaster: Der Straßenverkehr trägt rund ein Fünftel der weltweiten CO2-Emissionen bei. Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, muss das Land Emissionen im Verkehrsbereich senken. Logistiker müssten also die Vorzüge der Verkehrsträger Lkw, Zug und Schiff intelligenter verknüpfen – Kombinierter Verkehr heißt das in der Fachwelt.

Voraussetzung ist aber auch hier jeweils eine funktionierende Infrastruktur. Auf der Schiene aber zeigt gerade die Rheintalbahn, als eine der wichtigsten Bahnstrecken wegen eines eingesackten Tunnels gesperrt werden musste, wie knapp die Ressourcen im deutschen Netz sind. Fehlende Ausweichstrecken und Lokführer führen dazu, dass viele Züge nicht fahren konnten. Auch sind die großen Verkehrsachsen in Deutschland noch nicht ausgebaut. An den Grenzen machen Lok- und Lokführerwechsel viele Transporte teuer und umständlich. Mit anderen Problemen hat die Binnenschifffahrt zu kämpfen: Die Schiffe konnten im vergangenen Jahr ihren Marktanteil nicht ausbauen, vor allem die Rheinschifffahrt litt unter niedrigen Wasserständen. Auch hier machen Investitionsstaus der Branche zu schaffen. Doch während Brücken, Kaimauern und Kanäle mit politischem Willen – und viel Geld – instand gesetzt werden können, gilt dies für einen wichtigen Faktor nicht: das Wetter. Noch lässt es sich nicht von Wahlen und Politikern beeinflussen.

Exportschlager City-Logistik

Neue Ideen dürften bald ganz woanders gefragt sein, dort, wo wir alle den begrenzten Transport-raum im Alltag spüren: in den urbanen Zentren. Wenn es darum geht, Waren zum Endkunden zu transportieren, stehen Deutschlands Citylogistiker vor ganz neuen Aufgaben, gerade in Zeiten eines boomenden eCommerce. Clevere Lieferdienste erproben E-Mobile und Roboterfahrzeuge. Die Automatisierung soll Personalkosten senken und Lieferungen noch individueller machen.

Doch auch in der Citylogistik sind ganzheitliche Ansätze gefordert: Logistikzentren in den Städten, intelligente Lieferkonzepte, individuell erreichbare Übergabepunkte. Diese kleinen Lösungen würden nicht nur das Leben in unseren Städten besser machen, sondern auch dazu beitragen, das Land als Exportnation zu stärken. Denn ausgefeilte Citylogistik-Lösungen wären in Zeiten weltweit wachsender Urbanisierung sicherlich ein weiterer internationaler Verkaufsschlager „Made in Germany“.

Nächster Artikel