Von der Forschung in die Praxis

Die Reallabore der Energiewende sollen Innovationen für die Industrie erproben.

Illustration: Danae Diaz
Illustration: Danae Diaz
Olaf Strohm Redaktion

Selbsterklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, Deutschland zu einem globalen Vorreiter bei grünem Wasserstoff zu machen und langfristig die Marktführerschaft bei Wasserstofftechnologien zu erlangen und zu sichern. Klimaschutztechnologien „Made in Germany“ sollen zu einem neuen Markenzeichen werden, so das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK.  Deutsche Forschung und Unternehmen gehören zur Weltspitze bei Wasserstofftechnologien. Der Aufbau von komplexen Industrieanlagen sei eine Kernkompetenz des deutschen Anlagenbaus. „Die einmalige Chance, mit unserem Know-how zum Ausstatter einer globalen Energiewende zu werden, gilt es zu nutzen.“

Um diese Verlautbarung mit Leben zu füllen, hat das Ministerium die so genannten „Reallabore der Energiewende“ ins Leben gerufen. Es war der Vorgänger von Robert Habeck, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der im Februar 2019 erstmals einen Ideenwettbewerb für die Reallabore ausgeschrieben hatte. Zentrale Themen der ersten Ausschreibungsrunde waren Innovationen aus den Bereichen Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien, großskalige Energiespeicher im Stromsektor und energieoptimierte Quartiere. An dem Wettbewerb haben sich 90 Konsortien mit über 500 Partnern aus Industrie und Forschung beteiligt. Seit April 2021 begleitet zudem das Transferforschungsprojekt Trans4ReaL am Forschungszentrum Jülich die Reallabore der Energiewende mit dem Fokus Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien wissenschaftlich. Die in dem Vorhaben gewonnenen Erkenntnisse sollen anschließend als Handlungsoptionen in eine Wasserstoff-Roadmap der Bundesregierung einfließen.

Im Bereich Wasserstoff sind Projekte entstanden, die von der Wasserstoffproduktion bis zur Anwendung in der Stahlherstellung reichen. So testen die Projektpartner im Reallabor der Energiewende H2Stahl im nordrhein-westfälischen Duisburg, wie sich Stahl nachhaltiger erzeugen lässt. In Südwestdeutschland entwickeln die Partner eine Power-to-Hydrogen-Anlage weiter und erarbeiten Geschäftsmodelle für den wirtschaftlichen Betrieb. Dabei nutzen die Betreiber Strom aus dem lokalen Wasserkraftwerk, um den vielfältig einsetzbaren Energieträger Wasserstoff herzustellen. Die Beteiligten, ein regionaler Energieversorger, ein Chemieunternehmen und zwei Forschungseinrichtungen, möchten die Leistung der Anlage verfünffachen und Wasserstoff für Verkehr und Industrie nutzbar machen. Die Projektpartner werden dabei prüfen, wie eine Wasserstoff-Infrastruktur möglichst wirtschaftlich betrieben werden kann. Auch die Menschen in Grenzach-Wyhlen sollen davon profitieren. Die Verbundpartner planen, die Abwärme der Anlage und des Generators im Wasserkraftwerk in das Wärmenetz von anliegenden Wohngebieten einzuspeisen.

In der Raffinerie Heide in Hemmingstedt in Schleswig-Holstein soll die Industrie für Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft ertüchtigt werden. Und in Bad Lauchstädt wird klimafreundlich erzeugter Wasserstoff für einen Chemiepark aufbereitet. Das Team will mittels Sektorkopplung grünen Strom durch Wasserstoff energetisch und stofflich nutzbar machen.

Und im Lausitzer Industriepark Schwarze Pumpe entsteht ein innovatives Wasserstoff-Speicherkraftwerk, das Referenzkraftwerk Lausitz (RefLau). Mit Strom aus Erneuerbaren Energien wird grüner Wasserstoff hergestellt. Damit kann Energie gespeichert und bei Bedarf bereitgestellt werden. Das treibt die Dekarbonisierung der Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr in der Region voran. Das Zusammenspiel aller Anlagenkomponenten übernimmt am Strommarkt und im Netz die Rolle eines konventionellen Kraftwerks – daher Referenzkraftwerk – und hilft, das Stromnetz zu stabilisieren.

Wasserstofffähige Kraftwerke besitzen im Strommarkt der Zukunft eine wichtige Funktion und treiben die regionale Sektorkopplung voran. Das Projekt untersucht auch, wie das Wasserstoff-Kraftwerk netzstabilisierende Systemdienstleistungen bereitstellen kann. Diese werden bislang von konventionellen Kraftwerken zur Verfügung gestellt, die im Zuge des Kohleausstiegs abgeschaltet werden.
 

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