Die großen Fünf

Wie ist die Situation in den meistgefragten akademischen Berufsbildern? Ein Blick in die Branchen.
Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Olaf Strohm Redaktion

1. IT

Zuletzt waren laut Auskunft des Digitalverbands Bitkom 86.000 Stellen für IT-Spezialist:innen in Deutschland unbesetzt. Die Corona-Pandemie hat den Mangel noch verstärkt. Und: Nur bei jeder siebten Bewerbung (15 Prozent) auf eine Stelle bewirbt sich eine Frau. Die spezielle Herausforderung des Fachkräftemangels in der IT-Branche ist, dass er sich auf fast alle anderen Branchen auswirkt. IT-Expert:innen fehlen in der Industrie, Verwaltung, Behörden und Wissenschaft gleichermaßen. Deshalb müssten zügig beste Voraussetzungen für IT-Fachkräfte in Deutschland geschaffen werden, fordert der Bitkom. Im Einzelnen bedeutet dies, dass New-Work-Konzepte noch stärker in Unternehmen und Verwaltung ankommen müssten, Deutschlands Arbeitsalltag müsste innovativer und digitaler werden. Im Rennen um die besten IT-Fachkräfte aus der ganzen Welt müssten behördliche Prozesse schneller, digitaler und unbürokratischer werden. Auch das Arbeitsrecht müsse flexibler werden, damit externe Spezialist:innen und agile Arbeitsformen der Projektarbeit ohne Gefahr einer Scheinselbständigkeit oder verdeckten Arbeitnehmerüberlassung möglich werden. Der Verband fordert auch Weiterbildungsprogramme, zum Beispiel zur Förderung von KI-Fähigkeiten.

2. Ingenieurberufe

Auf Stepstone.de findet man Anfang November rund 60.180 offene Stellen für Ingenieur:innen und Technische Berufe. Laut dem Verband der Elektrotechnik werden in den nächsten zehn Jahren allein 100.000 zusätzliche Elektroingenieur:innen benötigt – zu den derzeit rund 890.000. Das liegt vor allem an Megatrends, die sich gegenseitig ergänzen, wie der zunehmenden Digitalisierung im Bereich des Maschinenbaus, Smart Grid, der Energiewende und der Industrie 4.0. Neben Energie- und Elektroberufen sind Bauingenieur:innen besonders gefragt. Eine aktuelle Befragung des Verbands Maschinen- und Anlagenbau von rund 550 Betrieben zeigt den Siegeszug des Dualen Studiums: 62 Prozent der Unternehmen bieten das duale Studium an – und sie profitieren davon. Denn die Nachwuchskräfte bleiben überwiegend im ausbildenden Unternehmen. Und trotz allmählich steigender Zahlen sind Frauen in den Ingenieurberufen immer noch stark unter-repräsentiert: Laut VDI waren im Wintersemester 2019/20 nur ein Viertel der Erstsemester in den Ingenieurwissenschaften weiblich. Auch auf dem Arbeitsmarkt sind Frauen unterrepräsentiert, nur rund 18 Prozent aller erwerbstätigen Ingenieur:innen sind Frauen.

3. Managment/Beratung

Im Management ist die Lage ambivalent: Zwar werden Fachkräfte auch hier händeringend gesucht, doch nicht jede/r Absolvent:in der Betriebswirtschaftslehre (BWL) macht die Erfahrung, vom Fleck weg engagiert zu werden. Denn die Konkurrenz ist groß. Das BWL-Studium gehört in Deutschland zu den beliebtesten Studiengängen, die Palette der beruflichen Möglichkeiten ist riesig – und genauso unspezifisch. Daher sind Spezialisierung und Erfahrung das A und O. Eine Zusatzqualifikation, etwa in den Bereichen Jura oder IT, ist angeraten. Und beruflicher Einsatz ist gefragt. So suchen die großen Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland so viel Personal wie lange nicht mehr. Laut einer aktuellen Umfrage des Handelsblatts unter zehn führenden Prüfungshäusern und zehn führenden Beratungsfirmen wollen sie in diesem und im kommenden Jahr zusammen fast 27.000 Consultants und Prüfer:innen einstellen.

4. Juristische Berufe

Das Forschungsinstitut Prognos rechnet damit, dass bis 2030 rund 40 Prozent aller Jurist:innen aus dem Dienst ausscheiden werden. Damit würde die Justiz innerhalb kürzester Zeit mehr als 10.000 Richter:innen und Staatsanwält:innen verlieren. Laut Prognos absolvierten vor 20 Jahren noch mehr als 10.500 Studierende erfolgreich das zweite Staatsexamen. 2017 waren es nach Angaben des Bundesamtes für Justiz noch rund 7.500. Das entspricht einem Rückgang von fast 30 Prozent. Zusätzlich dazu gehen die Welten und Anforderungen von juristischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen immer weiter auseinander, berichtet das Fachportal für Juristen MKG. „Während die Millennials unter den Jurist:innen Work-Life-Balance, Impact und Sabbaticals wollen, zählen für Kanzleien nach wie vor: Billable Hours, billable Hours, billable Hours“, so das Portal. Einer Auswertung der Bucerius Law School zufolge arbeiten mehr als ein Drittel aller Jurist:innen in Großkanzleien. 20 Prozent arbeiten im öffentlichen Dienst, in kleineren und mittelständischen Kanzleien knapp 15 Prozent. Der Rest arbeitet beispielsweise in Unternehmen, in der Beratung, bei Banken oder hat sich selbstständig gemacht. Die großen Themen der Branche: Digitalisierung, Internationalisierung, Spezialisierung.

5. Medizin

Auf dem Deutschen Ärztetag war der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen das große Thema. Die Personalsituation in den Kliniken, Altenpflegeeinrichtungen und bei den mobilen Pflegediensten verschlechtere sich zusehends, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. „Wenn hier nicht bald etwas passiert, droht der Kollaps des Systems", sagte er. Auch im ärztlichen Dienst seien Engpässe spürbar und würden sich in den nächsten Jahren dramatisch verschärfen. Dabei wird im Jahr 2040 nach Projektion des Bundesarbeitsministeriums der Gesundheitssektor die meisten Erwerbstätigen stellen. Grund sei vor allem der demografische Wandel: Das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Erwerbsleben erhöht die Zahl der zu versorgenden Personen. Zugleich aber sinkt die Zahl der Erwerbspersonen.

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