Zukunft Digitalisierung

Die Redaktion befragt Akteure zu den Herausforderungen in ihren Branchen.
Oktober 2020 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Mit digitalem Mindset zur Smart City«

Achim Berg Präsident; Bitkom

Nachhaltig, intelligent und digital – so soll für die allermeisten Bürgermeister zwischen Flensburg und Konstanz die kommunale Zukunft aussehen. Doch geht es um konkrete Maßnahmen, verpufft der digitale Enthusiasmus schnell. Digitalisierungsprojekte sind zuweilen hochkomplex, brauchen ein professionelles Projektmanagement auf Seiten des Auftraggebers und ziehen nicht selten einen Reihe an Veränderungen in den über Jahrzehnte ausgebildeten Strukturen und Prozessen der Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen nach sich. Abschreckend wirken auch Berichte über gescheiterte Digitalisierungsprojekte – Einzelfälle, die deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen als die vielen erfolgreich abgeschlossenen Vorhaben. Dabei kann Digitalisierung auch im städtischen Raum so einfach sein – wenn man sie entschieden angeht und starke Partner an seiner Seite hat.

Gerade jetzt im Pandemiejahr 2020 sollten wir alles daran setzen, unsere Schulen, unser Gesundheitssystem, den Verkehr, die Energieversorgung und unsere Verwaltung konsequent zu digitalisieren. Wir müssen unsere Städte und Gemeinden von Grund auf neu denken und dazu braucht es Mut, Engagement und Tempo. Und vor allem: ein digitales Mindset. Viele Städte und Gemeinden haben bereits Strategien entwickelt, Stabsstellen etabliert oder kommunale Agenturen gegründet, um die Digitalisierung aktiv zu gestalten. Niemand muss das Rad neu erfinden. Stattdessen braucht es einen intensiven Austausch aller Beteiligten untereinander. Und es braucht Lernbereitschaft mit Blick auf die Vorreiter der Digitalisierung, Digitalunternehmen und Start-ups. Gelegenheit zum Austausch und zum Lernen gibt es zum Beispiel auf der Smart Country Convention in Berlin. Am 27. und 28. Oktober 2020 dreht sich dort alles um E-Government und Smart City, in diesem Jahr 100 Prozent digital.

www.bitkom.org

Oktober 2020 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Die Digitalisierung als ganzheitliche Strategie anpacken«

Dr. Oliver Grün Präsident; Bundesverband IT-Mittelstand

Die Zeichen mehren sich, dass sich die deutsche Wirtschaft wieder etwas von dem Einbruch durch die Corona-Pandemie erholt. Für die Unternehmen muss das jetzt ein Aufbruchssignal sein, wieder mutig in Zukunftsstrategien zu investieren und Digitalisierung als ganzheitliche Strategie anzupacken. Die „Zwangsdigitalisierung“, die viele Unternehmen während der Corona-Krise vorgenommen haben, um weiter arbeitsfähig zu sein, kann dazu als Start- und Anknüpfpunkt genommen werden. Hoffentlich wurden so Hemmungen abgebaut und die Zögerlichen unter den Unternehmern haben gemerkt, dass Digitalisierung doch nicht so schwierig ist, wie sie dachten.

Für alle, die der Digitalisierung schon vor Corona aufgeschlossen gegenüberstanden und vielleicht auch schon erste Schritte gegangen sind, ist jetzt der Moment, pausierte Projekte wieder in Angriff zu nehmen. Jetzt ist die Zeit, die strategische Digitalisierung des eigenen Geschäftsmodells zu planen und umzusetzen. Wie können die eigenen Voraussetzungen genutzt werden, um digitale Technologien mit einzubinden? Wie können beispielsweise Daten genutzt werden, um Produkte und Services besser zu machen? Und wie lässt sich Künstliche Intelligenz (KI) integrieren?

Gerade die Beschäftigung mit KI ist für mittelständische Unternehmen oft eine Überwindung, da die Technologie dahinter komplex ist und mit dem Anstrich einer Investition für Großunternehmen daherkommt. Aber hier kann der Mittelstand ruhig mutiger sein. Es gibt schon viele Beispiele erfolgreicher und wenig komplexer KI-Anwendungen im Mittelstand und vor allem gute Angebote aus dem anbietenden IT-Mittelstand, der auf Augenhöhe die mittelständischen Anwender auf dem Weg zur eigenen KI-Nutzung begleiten kann.

 

www.bitmi.de

Oktober 2020 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Der Nachholbedarf bei der digitalen Bildung ist immens«

Verena Pausder Vorstand & Gründerin; Digitale Bildung für Alle e.V.

Wo am meisten an die Zukunft gedacht werden sollte, wird es am wenigsten getan. Die Schule in Deutschland bewahrt sich ein Bildungsideal, das die tatsächlichen Zukunfts- und Arbeitskompetenzen konsequent ausklammert. Es muss daher unser aller Anliegen sein, den digitalen Wandel auch und gerade in Schulen in Deutschland voranzutreiben. Digitale Bildung sollte  möglichst alle Kinder erreichen. Denn digitale Bildung ist das Fundament für Chancengerechtigkeit und soziale Teilhabe. Doch statt einen klaren Plan für eine bundesweit einheitliche Digitalbildung zu entwickeln, droht ein weiterer föderaler Flickenteppich. Aus meiner Sicht muss es daher eine klarer Regelung geben, welche Vorgaben beispielsweise eine Schul-Cloud erfüllen muss, damit es nicht auf 16 Cloud-Varianten mit vermeintlich länderspezifischen Eigenheiten hinausläuft. Denn das ist teuer und ineffizient.

Die vergangenen Monate haben uns gezeigt, wie groß der digitale Nachholbedarf ist. Und tatsächlich ist jetzt die beste Zeit, die Schule von morgen zu denken. Tatsächlich ist es jetzt höchste Zeit, Schulen technologisch auszurüsten, Kindern den Zugang zu Geräten und Internet zu ermöglichen, ja endlich jedem/er Lehrer*in eine eigene E-Mail-Adresse bereitzustellen. Es wäre  unseren Kindern gegenüber kaum zu verantworten, wenn wir diese Chance zum digitalen Bildungswandel einfach verstreichen ließen. Vielleicht braucht es dazu digitale Taskforces, die Schulen technologisch unterstützen, vielleicht müssen wir im Hinblick auf Hard- und Software auch „Positivlisten“ aufsetzen, um klare Orientierung zu geben, aber vor allem müssen wir künftig Lehrer*innen mehr und besser unterstützen. Sie sind die Fixsterne im Bildungssystem, ein wichtiges Anliegen ist daher, eine Lehrerfortbildung zu organisieren, die es ihnen künftig ermöglicht, Unterrichtsinhalte gleichermaßen analog und digital zu vermitteln.

www.digitalebildungfueralle.org

Oktober 2020 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Seit dem letzten Trabi ist technologisch viel passiert«

Kur Sigl Präsident; Bundesverband eMobilität

Können Sie sich noch an den knackigen Abgasgeruch von Trabanten aus der DDR erinnern? Wie sie nach der Wende auch im Westen durch die Straßen knatterten und ihre Duftnote hinterließen? Das ist ewig her und inzwischen längst Vergangenheit im deutschen Straßenverkehr. Im Nachgang erscheint so ein Austausch der Fahrzeuge gar nicht so schwierig, wieso auch; es kamen ja bessere Modelle. Jetzt steht Deutschland wieder vor einem Austausch, einer Transformation. Der Verbrennungsmotor soll ersetzt werden durch den eAntrieb, Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird unsere Mobilität in Zukunft ermöglichen. Vielen Verantwortlichen ist das neue Kapitel noch unbekannt, so wie damals den Deutschen der Weg in die Wiedervereinigung. Geschichte bildet Fragezeichen und Menschen gewinnen daraus Gestaltungsspielräume. Viele Unternehmen nutzen diese Möglichkeiten, sie testen Elektromobilität und entwickeln sie weiter. Da werden Autos nach dem Vorbild eines Tablet-Computers konzipiert, Busflotten des öffentlichen Nahverkehrs werden durch Elektrokits umgerüstet, Logistik-Fuhrparks produzieren mit Solarstrom auf den Dächern ihre eigene Sonnen- und Antriebsenergie und Ladesäulen informieren schon auf dem Weg zu ihnen, ob sie verfügbar sind und wie lang der Ladevorgang dauert. In den 30 Jahren seit dem letzten Trabi ist technologisch irre viel passiert. Neben der Sicherung von Arbeitsplätzen legen Kunden, Angestellte und Bürger zunehmend Wert auf nachhaltige Wertschöpfung und global verträglichen Wohlstand. Hier kann in Deutschland noch mehr passieren. Insbesondere durch eine konstruktive Regulierung, dem klaren Fokus auf eine gemeinsam gestaltete Energie- und Mobilitätswende und konsequentes Handeln gegenüber den Technologien, die wie der Trabi aussortiert gehören, bieten sich Chancen, Wirtschaft und Umwelt vereinbar zu entwickeln und auch zukünftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft zu bieten.

www.bem-ev.de

Oktober 2020 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Lösungen des Maschinenbaus sind gefragt!«

Hartmut Rauen stv. Hauptgeschäftsführer; VDMA

Die COVID-19-Pandemie hat mit kaum geahnter Wucht durchgeschlagen. Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sind weltweit vor enorme Herausforderungen gestellt, zusätzlich zu den bereits bestehenden: Klimawandel, demographische Entwicklung, Digitalisierung und Mobilität der Zukunft.

Lösungen des Maschinenbaus sind gefragt. Nur dann können die Herausforderungen unserer Zeit bewältigt werden. Leicht ist der Weg dahin nicht, doch das war er noch nie. Maßgeblich entscheidend für die notwendigen Lösungswege sind Innovationskraft und Technologieentwicklung, begleitet von innovationsfördernden politischen Rahmenbedingungen, die all dies zulassen und unterstützen.

In Deutschland sind viele erfolgreiche Unternehmen zuhause, deren Technologien und Produkte Lösungswege aufzeigen oder Teil davon sind. So bietet der Maschinenbau technische Lösungen an, die langfristig und global circa zwei Drittel der Emissionen vermeiden können. Auch unsere Exporterfolge belegen eine hohe technologische Leistungsfähigkeit.

Das Spektrum der Maschinenbau-Technologien ist breit und erfasst alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche: von Antriebstechnologien für die Mobilität von morgen, Innovationen für mehr Energieeffizienz und die klimaneutrale Produktion über Nahrungsmittel- und Recyclingmaschinen bis hin zu Spitzentechnologie für die Medizin oder die Robotik und Automation.

Mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten im Inland ist der Maschinenbau zudem größter industrieller Arbeitgeber und einer der führenden deutschen Industriezweige. Nicht ohne Grund ist der Maschinenbau wichtigster Ingenieurarbeitgeber und hochgradig attraktiv für qualifizierte Facharbeiter – alle sind engagiert für die Lösungen, die wir brauchen. Kurzum: Unsere Zukunft wird produziert.


www.vdma.org

Oktober 2020 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Die E-Mobilität nimmt Fahrt auf«

Kerstin Andreae Vorsitzende; BDEW-Hauptgeschäftsführung

Schon heute leisten Elektroautos einen Beitrag zu einer CO2-neutralen Mobilität der Zukunft: E-Auto-Fahrer können an vielen Ladesäulen bereits 100 Prozent regenerativ erzeugten Strom tanken oder für das private Laden einen Ökostromtarif wählen.

Bei der Ladeinfrastruktur wurden zudem enorme Fortschritte erzielt: Aktuell gibt es in Deutschland rund 28.000 öffentliche Ladepunkte. Das sind fast 60 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Rund drei Viertel davon werden von Energieunternehmen bereitgestellt. Tausende weitere sind in Planung. Hier zeigt sich: Die Energiewirtschaft leistet einen zentralen Beitrag zur Verkehrswende. Gemeinsam mit leistungsfähigen Netzen und zunehmend erneuerbarem Strom stellt sie die Weichen für den weiteren Ausbau der Elektromobilität.

Immer mehr Deutsche entscheiden sich beim Fahrzeugkauf für einen elektrischen Antrieb. Die Modelle werden zahlreicher und die Batterien immer leistungsstärker. Reichweiten von 400 Kilometern sind keine Ausnahmen mehr.

Eine breite Akzeptanz der Elektromobilität gelingt dann, wenn das Laden mit Strom so einfach wird wie das Tanken mit Benzin. Schon heute ist Kundenfreundlichkeit im Fokus der Anbieter. Kunden können bereits aus einer Vielfalt an Ladestromtarifen wählen und haben volle Preistransparenz. Vor einigen Jahren war es noch schwierig, mit einer Ladekarte durch Deutschland zu kommen. Hier gibt es schon deutliche Fortschritte: Mehrere Anbieter haben mit ihren Tarifen bereits eine Marktabdeckung von 85 bis 90 Prozent.

Die Gestaltung der Mobilität der Zukunft ist ein Gemeinschaftsprojekt: Politik, Fahrzeug- und Infrastrukturhersteller sowie Energiebranche müssen hier an einem Strang ziehen. Die Energiewirtschaft ist bereit, ihren Anteil zur erfolgreichen Verkehrswende beizutragen.
 

www.bdew.de