Fliegen mit grünem Gewissen

Die Luftfahrtbranche will bis 2050 CO2-neutral werden. Der Wettlauf um neue Antriebskonzepte und synthetische Kraftstoffe ist in vollem Gang.

Illustration: Jasmin Mietaschk
Illustration: Jasmin Mietaschk
Steffen Ermisch Redaktion

Nur acht Minuten dauerte der Jungfernflug Ende September – für Eviation war es ein Meilenstein: Seit 2015 tüftelt das israelisch-amerikanische Start-up an seinem vollelektrischen Regionalflugzeug Alice, in dem neun Passagiere Platz finden sollen. Der Testflug gebe einen Ausblick auf „die nächste Ära der Luftfahrt“, die bezahlbar und nachhaltig werde, sagte Firmenchef Gregory Davis. Das Serienmodell soll zwar frühestens 2028 fertig sein. Doch bereits jetzt hat das Unternehmen fast 300 Vorbestellungen eingesammelt. Ähnlich ist das Bild bei Heart Aerospace in Schweden: Kaufabsichten über Hunderte Maschinen liegen dem Start-up vor – dabei existiert der 30-sitzige Regionaljet mit Hybridantrieb bisher nur auf dem Papier.

Der Höhenflug der neuen Flugzeugbauer spiegelt den wachsenden Nachhaltigkeitsdruck in der Luftfahrt wider. Steht die Branche laut der Internationalen Energieagentur bisher für mehr als zwei Prozent der CO2-Emissionen, steuern die Fluggesellschaften nun um: Im Dachverband IATA haben sie sich vor einem Jahr dazu verpflichtet, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Eine gewaltige Transformation, für die Elektroflieger nur ein Baustein sind. Nötig sei ein „intelligenter Mix alternativer Antriebskonzepte“ heißt es beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Knifflig aus Sicht der Forscher sind vor allem Langstreckenflüge, denn die Energiedichte von Batterien reicht hier nicht aus. Und die Direktverbrennung von grünem Wasserstoff in Turbinen, ein Konzept, auf das neben anderen der Branchenriese Airbus setzt, gilt als komplex. „Flüssiger Wasserstoff ist sehr aufwändig in der Handhabung und in der Integration in die Flugzeuge“, schreibt das DLR.

Von der Pommesbude in den Tank

Riesige Hoffnungen ruhen auf nachhaltig erzeugten Flugzeugtreibstoffen – im Branchenjargon „Sustainable Aviation Fuels“ (SAF) genannt. Die Vorteile: Größere Umrüstungen sind nicht erforderlich, die Mischung mit herkömmlichem Kerosin ist unproblematisch. Gewonnen werden SAFs bisher vor allem aus der Biomasse von Nutzpflanzen oder von fetthaltigen Abfällen. Air France beispielsweise hat im vergangenen Jahr einen Airbus A-350 mit aufbereitetem Frittieröl im Tank über den Atlantik geschickt. Doch weil die pflanzlichen Rohstoffe begrenzt sind, rückt zunehmend das Power-to-Liquid-Verfahren in den Fokus. Dabei wird mit Ökostrom zunächst Wasserstoff aus Wasser abgespalten und mit aus der Luft extrahiertem CO2 vermischt. Dieses Synthesegas wird dann zu Kraftstoff weiterverarbeitet.

Der Haken: So erzeugtes „E-Kerosin“ ist noch sehr teuer – auf vier bis fünf Euro pro Liter bezifferte die Unternehmensberatung Kearney Anfang des Jahres die Kosten. Konventionelles Kerosin koste dagegen im Schnitt nur 50 Cent pro Liter. Höhere CO2-Preise im Emissionshandel und größere Anlagen werden die Preisdifferenz aber bis 2030 deutlich verringern, so die Beratung. Entscheidende Impulse könnten auch hier Start-ups liefern: So hangelt sich das Karlsruher Unternehmen Ineratec gerade von Pilotprojekt zu Pilotprojekt zu höheren Kapazitäten. Und die ETH-Zürich-Ausgründung Synhelion arbeitet daran, die energieintensive Elektrolyse durch eine thermochemische Umwandlung in Solarreaktoren zu ersetzen. Eine Produktionslage in industriellem Maßstab entsteht gerade am DLR-Standort in Jülich. 

Nächster Artikel