Wenn das Herz schlapp macht

Mehr als 300.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vorbeugung und schnelle Hilfe könnten viele Menschenleben retten. Wissen darüber braucht es schon in der Schule.

 

Illustration: Laura Neuhäuser
Illustration: Laura Neuhäuser
Andrea Hessler Redaktion

Bei einem Herzinfarkt oder Herzstillstand kann schnelles, im wahrsten Sinne des Wortes beherztes Eingreifen Leben retten. Doch viele Menschen trauen sich nicht, Erste Hilfe zu leisten. Sie wären jedoch bereit dazu, wenn sie besser Bescheid wüssten, wie der ADAC in einer Umfrage festgestellt hat. Die Gründe hierfür: Oft liegt der Erste-Hilfe-Kurs zehn Jahre oder länger zurück, so entstehen massive Wissenslücken. Daher würden viele der Befragten gerne eine Erste-Hilfe-App nutzen und sind sogar für verpflichtende Auffrischungskurse.

Noch besser ist es, bereits Kinder und Jugendliche mit Herz-Druck-Massage und Defibrillator vertraut zu machen. Daher bieten einige Schulen jetzt neben Mathe, Englisch und Deutsch auch Erste Hilfe als Unterrichtsfach an. Der Verein Herzretter e.V. bringt Kindern und Jugendlichen ab der Vorschule in Herzretter-Kursen kostenfrei die wichtigsten Techniken und Maßnahmen bei, die sie benötigen, um im Notfall bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand ein Leben zu retten. „Jeder Schulabgänger sollte wissen, wie es geht – und den Mut haben, beherzt zu handeln!“, fordert Dr. med. Martin Buchholz, Initiator der Herzretter-Initiative.

Das Thema wird immer brisanter, denn die Gefahr, an einer koronaren Herzerkrankung zu sterben, wird trotz aller Aufklärungsarbeit eher größer als geringer. „Der Herzinfarkt beginnt in zu vielen Fällen bereits im Kindesalter. Das jedoch muss verhindert werden“, warnt Prof. Dr. med. Renate Oberhoffer-Fritz, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung und Leiterin des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität München. „Daher begrüßen wir die Pläne des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, dass Kinder künftig umfassend vor Werbung für ungesunde Lebensmittel geschützt werden und dass das Nährwertmodell der Weltgesundheitsorganisation auch in Europa als Grundlage für die Werbebeschränkung dienen soll.“ Ein gesunder Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend Bewegung sei elementar für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Doch das aktuelle Ernährungs- und Bewegungsverhalten führe vermehrt zu Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern und Erwachsenen.

Schonende OP-Verfahren mit Katheter

Nicht jeder Herzpatient stirbt. Millionen Menschen in Deutschland leiden an und leben mit einer Herzschwäche; ihr Herz pumpt nicht mehr genügend Blut durch den Körper, was zu Kurzatmigkeit, Blutarmut und beschleunigtem Puls führt. Sie bilden einen großen Anteil chronisch kranker Patienten und suchen regelmäßig die Praxen niedergelassener Ärzte auf; mehrere Hunderttausend landen jedes Jahr im Krankenhaus. Angesichts der großen Zahl von Patienten wird intensiv geforscht und es werden neue Behandlungsmethoden entwickelt. Helfen können zum Beispiel harntreibende Medikamente, die Wasser aus dem Körper schwemmen und so den Organismus entlasten. Ist die Herzinsuffizienz weit fortgeschritten, hilft nur noch eine Operation. Inzwischen können diese Eingriffe minimalinvasiv erfolgen, sodass der Brustkorb nicht geöffnet werden muss. Mittels Katheter werden sogenannte Clips implantiert, welche die undichte Herzklappe verschließen.
 
Vorbeugung ist besser als OP und Pillen

Besser ist es, das Herz pfleglich zu behandeln und aktiv gegen Bluthochdruck, Übergewicht und Herzinfarkt vorzubeugen. Nicht immer sind hierfür eine Dauermedikation oder regelmäßige Arztbesuche nötig. Bei der aktiven Eigenvorsorge können zum Beispiel digitale Technologien helfen. So bietet etwa die Deutsche Herzstiftung eine HerzFit-App an, die gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse (TK), der Deutschen Hochdruckliga (DHL), dem Deutschen Herzzentrum München (DHM) sowie der Technischen Universität München (TUM) und DigiMed Bayern entwickelt wurde. Sie soll den Nutzern helfen, gesund zu leben und einem Herzinfarkt vorbeugen. Erfasst werden Gesundheitsdaten wie Blutdruck, Herzfrequenz, LDL-Cholesterin, Gewicht und Langzeitblutzucker. Mittels eines integrierten Risikorechners kann man das eigene Herzalter bestimmen sowie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermitteln. Nutzer der App können ihre persönlichen gesundheitlichen Ziele definieren und diese mithilfe praktischer Tipps zu gesunder Ernährung, Rauchstopp, Stressbewältigung und mehr Bewegung praktisch umsetzen.

Die Kombination aus allen Tipps ist entscheidend, denn bei kardiologischen Problemen wirken meist verschiedene Krankheitsauslöser zusammen. Zu diesen zählen auch psychische Erkrankungen und andauernder Stress. So kann sich bei schwerem Stress die Takotsubo-Kardiomyopathie entwickeln – wegen zu vieler Stresshormone weitet sich die linke Herzkammer und das Herz nimmt die Form einer Takotsubo, einer japanischen Tintenfischfalle, an. „Körperliche Erkrankungen können seelisches Leid verursachen und umgekehrt“, erläutert Dr. Franziska van Hall, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und ärztliche Direktorin an der Stillachhaus Privatklinik in Oberstdorf. „So kann zum Beispiel ein Herzinfarkt eine Depression auslösen und eine Depression kann Herzprobleme verursachen oder verschlimmern.“ Stress führe zu einer hormonellen Dysbalance und fördere Entzündungsprozesse im Körper, die potentiell wiederum Thrombosen und Herzrhythmusstörungen induzieren, welche auch direkt durch die Stresshormone Cortisol und Adrenalin verursacht werden können. „Daher behandeln wir Patienten sowohl auf der physischen als auch auf der psychischen Ebene. Das bedeutet, wir ermitteln die Grunderkrankung, klären über Zusammenhänge auf, vermitteln Methoden zur Stressbewältigung und stärken die psychische Widerstandskraft, die Resilienz.“ Das ist meist ein langer Prozess. „Wir müssen Vertrauen in den eigenen Körper und die Belastbarkeit der Patienten allmählich aufbauen und ihnen helfen, das erarbeitete Wissen in ihren Alltag zu integrieren“, betont Dr. van Hall. Wie bei den meisten Krankheitsbildern ist auch bei der Herzgesundheit eine aktive Mitwirkung der Patienten erforderlich. Sie müssen wirklich „mit Herzblut“ beim Heilungsprozess dabei sein.

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