Ein Windrad für den Garten

Grünen Strom produzieren, unabhängig sein, die Energiewende fördern: Für private Kleinwindanlagen gibt es viele Gründe. Nur billig sind sie nicht – und oft stellen sich Bauämter quer.
Illustration: Anna-Maria Heinrich
Illustration: Anna-Maria Heinrich
Steve Przybilla Redaktion

 

Auf seinem Grundstück im thüringischen Dobraschütz hat sich Werner Kröber seine eigene kleine Oase geschaffen. Eine Herde von Heidschnucken grast zwischen verwilderten Tannen, die ursprünglich mal als Weihnachtsbäume dienen sollten. Auf dem Dach seines Wohnhauses fängt eine Fotovoltaik-Anlage die Sonne ein. Am Ende der Wiese, wenn man den Hügel hinaufsteigt, kommt schließlich die größte Besonderheit zum Vorschein. Dort dreht sich ein 15 Meter hohes Windrad. Werner Kröber, der Hausherr, produziert im Garten seinen eigenen Strom.

 

„Hier weht fast immer der Wind“, sagt der 65-Jährige. „Manchmal ist er sogar so stark, dass ich die Anlage ausschalten muss, damit sie keinen Schaden nimmt.“ Mit Strohhut, Outdoor-Hemd und Tarnfleck-Hose sieht Kröber aus wie ein professioneller Gärtner. Dabei ist er eigentlich Rentner. Die Zeit vertreibt sich der ehemalige Bauhof-Leiter damit, dass er sich als stellvertretender Bürgermeister engagiert. Besonders viel los ist in den Dörfern der Verbandsgemeinde aber offenbar nicht. Deshalb widmet sich Kröber anderen Hobbys, zum Beispiel seinem Motorrad. Oder der privaten Stromerzeugung.

 

6,5 Kilowatt Maximalleistung bietet sein Windrad. „Wenn der Wind kräftig weht, schafft es das auch“, sagt Kröber. Den Strom nutzt er vor allem selbst: zur Erwärmung des Wassers oder zum Heizen. Was übrig bleibt, speist er ins öffentliche Stromnetz ein. Sein Ertrag? „Da bin ich mir gar nicht so sicher“, sagt Kröber. „Ich bekomme am Ende immer etwas mehr raus, als ich für meinen Strom bezahle.“ Zum Geldverdienen eigne sich seine solche Anlage trotzdem nicht. „Für mich ist das ein reines Hobby.“

 

Ein Windrad im Garten: Auf so ein Hobby muss man erst mal kommen. Aber Kröber ist nicht der Einzige, der diese Idee umsetzt. Rund 20.000 Mini-Windräder existieren derzeit in Deutschland, schätzt der Bundesverband Kleinwindanlagen. In ihm haben sich Anlagenbauer, Installateure und Vertriebler zusammengeschlossen, um ihre Interessen zu vertreten. Eine genaue Anzahl kann der Verband nicht nennen, weil keine Meldepflicht für Kleinwindanlagen existiert – und damit auch keine Statistik. Eine vom Kleinwindverband durchgeführte Studie aus dem Jahr 2019 geht davon aus, dass die Anzahl langsam, aber stetig steigt.

 

„An windgünstigen Standorten kann sich eine solche Anschaffung durchaus lohnen“, erklärt Verbandssprecher Matthias Gehling. Er empfiehlt den zusätzlichen Einbau eines Stromspeichers, damit man die selbst produzierte Energie auch dann noch nutzen kann, wenn der Wind einmal nicht weht.

 

Rund 20.000 Mini-Windräder existieren derzeit in Deutschland, schätzt der Bundesverband Kleinwindanlagen.

 

Aber lohnt sich das? „Nur der Selbstverbrauch des Stroms ist wirtschaftlich“, sagt Gehling. „Ihn ins Netz einzuspeisen, lohnt sich nicht, weil der Tarif viel zu niedrig ist.“ Die meisten privaten Windrad-Besitzer treiben deshalb andere Motive um: Sie wollen sich unabhängiger vom Strommarkt machen, zur Energiewende beitragen und die Windkraft vorantreiben.

 

Zwischen 15 und 20 Jahren dauert es, bis sich die Investition amortisiert, schätzt der Kleinwindverband. Ähnlich sieht es auch Werner Kröber in Thüringen. Die Stromkabel für sein Windrad hat er selbst verlegt; einmal im Jahr stellt er sich auf eine Hebebühne, um die Anlage zu inspizieren. Trotzdem hat ihn sein „Hobby“ zwischen 35.000 und 40.000 Euro gekostet.

 

„Es sind ja nicht nur Technik und Aufbau, sondern auch die ganzen Gutachten, die bezahlt werden müssen“, sagt Kröber. So sehr er sein privates Windrad liebt, an diesem Punkt wird er sauer: „Die Bürokratie in Deutschland ist unglaublich“, schimpft er. „Ich musste nicht nur ein Vogelschutz-Gutachten in Auftrag geben, sondern auch eine Statik-Prüfung. Die Behörden haben bei mir die gleichen Maßstäbe angelegt, als hätte ich ein 150 Meter hohes Teil.“

 

Der Kleinwindverband kennt solche Kritik. Das Problem: „Jedes Bauamt entscheidet anders“, sagt Matthias Gehling. Manche wollten Gutachten zum Lärmschutz sehen, andere zu Fledermäusen. Einige Behörden orientierten sich sogar an den großen Windparks – „obwohl das natürlich ein ganz großer Unterschied ist“, wie Gehling beteuert.

 

Auch zwischen den Bundesländern gibt es Unterschiede. „Die Nordländer sind traditionell entspannter, was Windkraft angeht“, sagt Gehling. „Da ist die Scheu auch bei Kleinwindanlagen geringer.“ In Sachsen und Bayern gestalten sich die Anträge nach den Erfahrungen des Verbands oft schwieriger, NRW bezeichnet Gehling als „ganz übles Beispiel“. Dort sieht ein neues Gesetz der schwarz-gelben Landesregierung einen pauschalen Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohngebieten vor, auch für Kleinwindanlagen. „Damit ist die Windkraft in NRW erst mal tot“, schimpft Gehling.

 

Ebenfalls nicht zu unterschätzen: die Abstimmung mit den Nachbarn. „Laden Sie alle zum Grillen ein und stellen Sie Ihre Pläne vor“, rät Gehling. „Und zwar noch bevor Sie zum Bauamt gehen. Sonst wird das Vorhaben ganz schnell zum Rohrkrepierer.“ Auch ist längst nicht jeder Standort geeignet. Laut Kleinwindverband lohnt es sich nur bei Windgeschwindigkeiten von vier Metern pro Sekunde. Laut der offiziellen Windkarte des Deutschen Wetterdienstes werden solche Geschwindigkeiten vor allem an der Küste und in den Höhenlagen erreicht. Klarheit gibt aber nur eine Windmessung vor Ort – entsprechende Messgeräte, sogenannte Anemometer, sind im Handel erhältlich. Erst nach einer solchen Messung sollte man sich die entsprechenden Antragsformulare beim Bauamt holen.

 

Sein Hobby hat ihn zwischen 35.000 bis 40.000 Euro gekostet.

 

Sich gründlich in das Thema reinzufuchsen kann ebenfalls nicht schaden. Zum Beispiel bei Patrick Jüttemann. Der Kleinwind-Experte betreibt seit 2011 ein Internet-Portal, das sich mit dem Thema beschäftigt. Auf seinem YouTube-Kanal erklärt er, was es mit Windmessungen, Genehmigungsverfahren und Rotorachsen auf sich hat. „Dazu gehört die klare Ansage, wann eine Kleinwindanlage KEINEN Sinn macht“, schreibt Jüttemann auf seiner Website. Auch das will er Interessenten vor Augen führen: Nicht jede Anlage hält, was sie verspricht. Nicht jeder Standort ist geeignet.

 

„Zwei Standorte, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt sind, können ein komplett unterschiedliches Windpotenzial haben“, erläutert Jüttemann in einem seiner YouTube-Videos. Er empfiehlt ein professionelles Standort-Gutachten, erstellt von einem Ingenieurbüro für Windenergie. Generell müsse man für die Umsetzung eines solchen Projekts viel Geduld mitbringen, warnt Jüttemann. „Eine Solaranlage ist in wenigen Tagen geplant und installiert. Bei einem Kleinwindrad kann es Wochen oder mehrere Monate dauern.“

 

Wer sich zu einer Anschaffung durchringt, landet oft bei der Braun Windturbinen GmbH. Das Familienunternehmen aus dem Westerwald ist einer von mehreren Herstellern, die sich auf Kleinwindanlagen spezialisiert haben.  „Unser erstes Projekt fing vor 25 Jahren mit einem Bauernhof an“, erzählt Geschäftsführerin Manuela Ermert Braun. Inzwischen ist ihre Firma weltweit tätig, wobei der heimische Anteil nur noch etwa 40 Prozent ausmacht. „Das Interesse ist riesig, aber die Rahmenbedingungen haben sich in Deutschland in den letzten Jahren nicht wirklich verbessert“, sagt Braun. Staatliche Kaufprämien – wie etwa bei Elektroautos – gebe es für Kleinwindanlagen nicht, zumindest nicht im privaten Bereich. „Wir haben keine wirkliche Lobby“, seufzt Braun. „Wir kennen keine Politiker.“

 

Die Anlagen, die ihre Firma baut, haben eine Leistung von 2,5 bis zwölf Kilowatt. Sie beinhalten eine Steuerung, die das Windrad bei „Fledermaus-Wetter“ automatisch ausschaltet. Die Kosten unterscheiden sich laut Braun je nach Leistung und Masthöhe. Die günstigste Variante fängt bei 9.000 Euro an, plus 1.700 Euro für den Mast, plus Fundament. Auch Braun spricht von einem Zeitraum von etwa 15 Jahren, bis man die Kosten wieder reingeholt habe. Aber: Vor allem in Kombination mit einem Stromspeicher sei das ein lohnenswertes Investment.

 

In Thüringen denkt Werner Kröber schon an die Zukunft. Er will eine weitere Fotovoltaik-Anlage und einen Stromspeicher auf seinem Grundstück installieren. „In der Scheune habe ich noch ausreichend Platz“, sagt der 65-Jährige. „Dann muss ich bei einem Stromausfall wenigstens keine Sorgen haben, dass mein tiefgefrorenes Heidschnucken-Fleisch verdirbt.“ Auch ein Elektroauto würde gut zu seinem Gesamtkonzept passen, findet Kröber. „Das hat schließlich auch eine Batterie, in der der Strom gespeichert wird.“

 

Sein langfristiges Ziel: komplett autark leben. „Ich möchte so viel Strom produzieren, wie ich verbrauche“, sagt der Rentner. Bis es so weit ist, muss er weiterhin auf kräftigen Wind hoffen – und einmal im Jahr auf die Hebebühne steigen.

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