Erreichbarkeit macht erfolgreich

Deutschland ist international Messeland Nummer Eins. Zwei Drittel aller wichtigen Leitmessen finden hierzulande statt. Wenn das so bleiben soll, muss die internationale Erreichbarkeit verbessert werden.
Illustration: Ivonne Schulze
Julia Thiem Redaktion

Messen haben Tradition in Frankfurt am Main: 1240 stiftete Kaiser Friedrich II. die Frankfurter Herbstmesse. 1330 erließ Kaiser Ludwig IV. ein Privileg, das wahrscheinlich die Gründungsurkunde der Frühjahrsmesse darstellt. Frankfurt war auch deshalb schon im Mittelalter eine attraktive Messestadt, weil sie strategisch und geografisch günstig gelegen war. Der Main war damals für den Güterverkehr sehr wichtig, der Übergang in den Rhein schaffte eine Verbindung zu anderen großen Wirtschaftsräumen Deutschlands. Und auch einige der zentralen Fernstraßen bis nach Italien und in den Orient kreuzten sich in Frankfurt.
Am Stellenwert der Mainmetropole als Messehauptstadt hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Mit der Automechanika, der Light + Building oder der Ambiente werden gleich eine Reihe internationaler Leitmessen ausgerichtet, die als wichtige Branchentreffs gelten.

Die Messe Frankfurt belegt laut aktueller Zahlen des Verbands der deutschen Messewirtschaft AUMA mit knapp 670 Millionen Euro Umsatz Platz drei unter den Top 10 im internationalen Umsatzranking – nach den britischen Veranstaltern Reed Exhibitions und UBM. Plätze sieben bis zehn besetzen die Messe Düsseldorf mit 367 Millionen Euro, die Koelnmesse mit rund 358 Millionen Euro, die Deutsche Messe AG Hannover mit etwa 356 Millionen Euro und die Messe München mit knapp 333 Millionen Euro Umsatz in 2017.

Das zeigt eindrucksvoll, welchen Einfluss die Messelandschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland hat. Insgesamt reisen Aussteller und Besucher für etwa zwei Drittel aller großen internationalen Leitmessen nach Deutschland. Und vier der acht weltgrößten Messegelände befinden sich ebenfalls hier bei uns.
 

Großes Interesse aus dem Ausland

 

Was die AUMA-Zahlen außerdem zeigen: Das Interesse ausländischer Aussteller und Einkäufer an den deutschen Branchentreffs ist groß. Allein aus China kamen 2017 rund 85.000 Besucher auf die zahlreichen internationalen Messen in Deutschland – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Wobei Einkäufer zahlenmäßig vor den Ausstellern liegen. „Für die Beschaffung von Investitions- und Konsumgütern für den chinesischen Markt sind die deutschen Messen mit ihrem weltweiten Angebot offensichtlich besonders gut geeignet“, kommentiert Peter Neven, Hauptgeschäftsführer des AUMA die Fakten.

Aber auch über China hinaus sind die internationalen deutschen Messen und die zahlreichen begleitenden Branchenkongresse für Besucher aus anderen Kontinenten besonders attraktiv: Rund 650.000 Interessenten aus Ländern außerhalb Europas kamen 2017 nach Deutschland, soviel wie noch nie in einem ungeraden Jahr, in dem turnusgemäß weniger große Investitionsgütermessen stattfinden. Das unterstreichen auch die Zahlen der Bundesregierung, die im Rahmen einer kleinen Anfrage eine Visastatistik veröffentlicht hat. Demnach wurden die meisten Messevisa im Jahr 2017 in China, Russland, der Türkei und Indien erstellt.

Das große Interesse an deutschen Messen aus dem Ausland macht jedoch noch etwas anderes deutlich: Was im Mittelalter der Main oder die Fernstraßen waren, ist heute der Frankfurter Flughafen als zentrales, internationales Drehkreuz für den Flugverkehr. Denn die Erreichbarkeit ist ein wichtiges Kriterium und sorgt für den damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Erfolg. Schließlich geben Aussteller und Besucher jedes Jahr für ihr Messe-Engagement in Deutschland 14,5 Milliarden Euro aus. Die gesamtwirtschaftlichen Produktionseffekte erreichen sogar 28 Milliarden Euro, heißt es von der AUMA.

Und hier liegt auch gleichzeitig eine der großen Herausforderungen für den Messe- und Wirtschaftsstandort Deutschland: Neben Frankfurt und München gibt es keine weiteren wirklichen globalen Drehkreuze für den internationalen Flugverkehr. Erste Fluggesellschaften wie Emirates oder Hainan fordern aufgrund des zunehmenden Verkehrsaufkommens beispielsweise schon weitere Landerechte für den Flughafen Tegel. Der Berliner Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup kritisiert gegenüber dem Tagesspiegel sogar, dass chinesische Berlin-Touristen zum Teil in Prag landen und von dort aus mit dem Bus weiter reisen müssen.
 

Die Airline macht den Hub
 

Für Berlin als Wirtschaftsstandort ist die schlechte Erreichbarkeit ein echter Standortnachteil. Im Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten sind nur Belgrad, Bratislava, Zagreb und Bukarest von anderen Kontinenten schlechter zu erreichen. Abgesehen von Zielen in der Türkei werden nicht einmal 20 Städte auf anderen Kontinenten von Berlin aus direkt angeflogen – und davon sind lediglich acht gerade einmal so weit entfernt, dass sie als Langstrecke gelten. Ein Wirtschaftsbündnis der Industrie- und Handelskammer mit anderen Wirtschaftsorganisationen der Region fordert deshalb nun eine bessere internationale Anbindung für die Hauptstadt.
„Die Etablierung neuer interkontinentaler Flugverbindungen hat für die Wirtschaft einen ähnlich positiven Effekt wie die Ansiedlung eines Großunternehmens. Es entstehen zusätzliche Arbeitsplätze, die Nachfrage steigt und damit die Bruttowertschöpfung. Fluggesellschaften wie Hainan Airlines aus China bekräftigen immer wieder ihre Bereitschaft, die Hauptstadt öfter anfliegen zu wollen, es fehlt hierzu jedoch an zusätzlichen Vertragsregelungen. Die Wirtschaft ist bereit für mehr Langstreckenverbindungen, jetzt ist die Politik am Zug“, argumentiert Dr. Beatrice Kramm, Präsidentin der IHK Berlin und unterstreicht damit einmal mehr die wirtschaftliche Bedeutung internationaler Drehkreuze für eine Stadt oder Region.

Branchenexperten glauben jedoch nicht, dass die Politik großen Einfluss auf den Ausbau der internationalen Flugverbindungen von und nach Berlin hätte. Frankfurt und München sind deshalb zu wichtigen Drehkreuzen geworden, weil die Lufthansa sie zu ihrer Basis erklärt und massiv an beiden Standorten investiert hat. Ohne einen solchen so genannten Home Carrier, den alle wichtigen internationalen Drehkreuze gemein haben, wird es für Berlin schwer – selbst wenn in der Hauptstadt der neue Flughafen BER wirklich irgendwann einmal eröffnet werden sollte.

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