IngenieurInnen gesucht

„Made in Germany“ ist vor allem aufgrund unserer Ingenieurskultur ein so großer Exportschlager. Doch um den MINT-Nachwuchs scheint es schlecht gestellt.
Illustration: Kiyoshi Stelzner
Illustration: Kiyoshi Stelzner
Julia Thiem Redaktion

 

Ohne Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, kurz MINT, keine Innovationskraft in Deutschland. Zu dieser zentralen Aussage kommt der MINT-Frühjahrsreport 2017 des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln auf Basis von Unternehmensbefragungen und Branchenanalysen. Fachkräfte und Akademiker aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind also eng mit der Innovationsstärke im Land verzahnt. So war beispielsweise die Metall- und Elektroindustrie 2015 für rund 60 Prozent der Innovationsaufwendungen in Deutschland verantwortlich. Gleichzeitig waren hier besonders viele MINT-Kräfte beschäftigt: 2014 hatten 56 Prozent aller Erwerbstätigen in der Elektroindustrie einen MINT-Hintergrund, im Bereich technischer Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen 68 Prozent – also in Ingenieur- und Architekturbüros oder technischen Laboren.

 

Umso gravierender ist es, dass Ende April dieses Jahres laut Report insgesamt 430.400 MINT-Stellen unbesetzt waren – 13 Prozent mehr als noch im Vorjahr und ein neuer Höchststand. Sabine Fernau, Geschäftsführerin der Hamburger Initiative Naturwissenschaft & Technik (NAT), wundert das nicht: „Nur auf den Fachkräftemangel zu schauen ist meiner Ansicht nach zu kurz gegriffen. Viele Themen und Herausforderungen, denen unsere Gesellschaft heute ausgesetzt ist, sind ohne Kenntnisse im MINT-Bereich nicht zu bewältigen. Denken Sie an den Klimawandel oder das branchenübergreifende Thema Digitalisierung.“


NAT ist eine der vielen Initiativen, die in den Bundesländern aktiv sind und den MINT-Nachwuchs fördern. Seit zehn Jahren engagieren sich Fernau und ihre Kollegen nun schon. Das Problem sei jedoch größer, erklärt die Geschäftsführerin: „Initiativen geben in der Regel Impulse, die MINT-Bildung erfolgt in den Schulen. Und die benötigen viel mehr gute, engagierte und motivierende Lehrer und vor allem genügend Freiräume, um die Welt der Naturwissenschaft und der Technik entdecken zu können – denn die spielt sich oft außerhalb des Klassenzimmers ab.“ Vor allem müsse man mehr junge Mädchen für ein Ingenieursstudium oder eine MINT-Karriere begeistern, betont Fernau. „Die emotionalen und sozialen Hürden für Mädchen, sich für einen Physik- oder Informatikleistungskurs zu entscheiden, sind hoch. Zudem haben sie oft Mehrfachbegabungen und es fehlen entsprechende Vorbilder.“ Aktuell würden 90 Prozent der Schülerinnen in der 10. Klasse entscheiden, dass MINT in ihrem Leben keine größere Rolle spielen wird – darunter viele, die an sich ein grundsätzliches Interesse für MINT zeigten. „Das ist für jedes einzelne Mädchen schade – für die Gesellschaft und die Unternehmen ist es ein Verlust.“


Zu dieser Erkenntnis kommt auch der MINT-Frühjahrsreport 2017. Während es rund 65 Prozent der Jungen im Allgemeinen Spaß macht, sich mit naturwissenschaftlichen Themen zu beschäftigen, sagen das nur rund 52 Prozent der Mädchen. Zwar gebe es diese geschlechtsspezifischen Unterschiede auch in anderen Ländern, aber nirgendwo seien sie so groß wie in Japan und Deutschland. Damit steht die deutsche Ingenieurskultur auf wackligem Fundament.

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