Unsere Stadt soll schlauer werden

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung seiner Städte hinterher. Die Energiewirtschaft könnte zu einem wichtigen Treiber werden
Julia Thiem Redaktion

Indien hat sie seit 2016 auf der politischen Agenda. Australien hat ein Jahr später ein eigenes Programm veröffentlicht. Und in China fiel der Startschuss im vergangenen Jahr: Die Rede ist von vernetzten Städten, den so genannten „Smart Cities“. Nun will Deutschland nachziehen: Smart, also intelligent, sollen auch hierzulande möglichst viele Städte und Kommunen werden. Dafür hat das Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat (BMI) im ersten Quartal 2019 die Förderung kommunaler Smart City-Modellprojekte verkündet. Konkret sollen 50 Projekte über zehn Jahre mit rund 750 Millionen Euro gefördert werden – alleine in diesem Jahr stehen bereits 170 Millionen Euro im Bundeshaushalt dafür zur Verfügung.


Und diese Investitionen scheinen dringend nötig: Wirft man einen Blick auf den im März veröffentlichten, immerhin schon zweiten „Smart City Strategy Index“ der Unternehmensberatung Roland Berger, bleibt die Deutschlandkarte leer. Eine hohe Konzentration an smarten Städten findet man hingegen in Asien. Deutschland zählt also wie so oft bei Digitalisierungsinitiativen nicht zu den sogenannten „Early Adopters“. Dafür sollten heimische Projekte nun zumindest etwas von den Vorreitern lernen. Denn während Smart Cities in anderen Teilen der Welt von Technologien und Unternehmen getrieben sind, will man in Deutschland den Bürger in den Fokus stellen. Dafür sollen die Städte und Kommunen das Steuerrad übernehmen. Das wäre in der Theorie ein guter Ansatz, doch Thilo Zelt, Partner bei Roland Berger im Berliner Büro, mahnt: "In vielen Städten fehlt eine zentrale Funktion mit dem entsprechenden Know-how, die das Projekt Smart City koordiniert und vorantreibt."


Das soll sich ändern. „Smart City von der ‚City‘ und nicht nur von der Technik aus zu denken, ist aus meiner Sicht genau der richtige Weg, und den unterstütze ich gerne“, heißt es im Vorwort von Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, das sie für den „Handlungsleitfaden für Praktiker*innen: Smart City / Smart Region“ geschrieben hat. Herausgegeben wurden die „konkreten Handlungsschritte für die nachhaltige und praxisorientierte Transformation Ihrer Kommune zur ‚Smart City‘“ vom globalen Smart City Netzwerk bee smart city. „Der Handlungsleitfaden befähigt Kommunen – ob groß oder klein, urban oder ländlich, gefördert oder ungefördert – systematisch zu einem nachhaltig prosperierenden und lebenswerteren Ort zu transformieren, welcher bedarfsorientiert den Menschen und nicht die Technik in den Mittelpunkt stellt“, erklärt dessen Mitgründer Bart Gorynski.


Während die Kommunen planen und koordinieren, braucht es allerdings auch praktische Umsetzer. Genau deshalb könnte die Smart City zur großen Chance für Energieversorger werden. Energielösungen gelten als ihr großer Wachstumstreiber. Nach Einschätzungen von Eco – Verband der Internetwirtschaft und der Unternehmensberatung Arthur D. Little wachsen die Umsätze bei Smart Cities im Marktsegment Energie bis 2022 mit fast 22 Prozent. 2017 lag das Umsatzvolumen von Energielösungen in Smart Cities bei rund 1,4 Milliarden Euro. Bis 2022 soll es auf rund 3,5 Milliarden Euro steigen. Größter Treiber sei dabei die Digitalisierung des Stromnetzes – angeführt von intelligenten Messsystemen, sogenannte Smart Meter. Derzeit liegt ihr Anteil bei unter zehn Prozent, soll bis 2022 aber schon auf über 35 Prozent anwachsen. „Im Smart Energy-Markt entfallen 60 Prozent der Umsätze auf Smart Grid. Hier profitieren die Anbieter heute schon von den gut ausgebauten LTE-Netzen“, kommentiert Lars Riegel von Arthur D. Little die Ergebnisse der Studie.


Die Infrastruktur wird damit wohl zum größten Pfund, mit dem Versorger wie die lokalen Stadtwerke künftig wuchern können – weit über Strom- und Gasleitungen hinaus. So soll die bisher eher triste Straßenlaterne beispielsweise in Zukunft zu einem kleinen Alleskönner mutieren – von der Bereitstellung des öffentlichen WLANs bis hin zur Messung von Umweltdaten. Ach ja, und smart sind die Laternen der Zukunft natürlich auch. Über nachgerüstete Sensoren könnten sie das Verkehrsaufkommen erfassen und ihren Stromverbrauch über angepasstes Licht bei wenig Verkehr reduzieren. Für die Versorger erschließen sich ganz neue Geschäftsmodelle.