Keine Probleme?

Auch wenn es derzeit nicht so aussehen mag: Die Energiewende steht weiter im Fokus von Politik und Wirtschaft. Derzeit überwiegen technische Fragen.
Illustration: Ivonne Schulze
J.W. Heidtmann Redaktion

Keine Aufregung mehr um die EEG-Umlage, kein Aufschrei der Energieversorger: Energiewende – war da was? Doch, ja, hinter den Kulissen wird eifrig weiter an der Umstellung auf Erneuerbare Energien gearbeitet. Das globale Pariser Abkommen zur Reduktion von Treibhausgas und der Klimaschutzplan der Bundesregierung werden weiterhin verfolgt, so jedenfalls bekunden es Politik und Wirtschaft unisono.

Für die Energieunternehmen stellt das Klimaziel 2030 angeblich kein Problem dar. Danach soll Deutschland bis 2030 seinen Anteil an Erneuerbaren Energien bis auf 65 Prozent steigern. „Die Energiewirtschaft ist in der Lage, der Politik zu beantworten, wie wir das Klimaschutzziel 2030 erreichen können. Wir können das berechnen und auch ein Preisschild draufkleben“, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW.
 

Verkehrssektor im Rückstand
 

Dabei habe die Energiewirtschaft – trotz Atomausstieg, Wirtschaftswachstum und Bevölkerungswachstum – ihren CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 26 Prozent mindern können, mit weiter fallender Tendenz. Die Herausforderungen lägen daher eher woanders, so Kapferer. Etwa bei dem Verkehrssektor. Dieser liege bei der Minderung von Treibhausgasen massiv im Rückstand.

Laut einer BDEW-Analyse müssten sofort zahlreiche Maßnahmen greifen, um Deutschland fit für das Klimaziel 2030 zu machen. Zum einen sollte ein „konsequenter Ausbaupfad“ für die Erneuerbaren Energien beschritten werden. Im Fokus stehe die Stärkung der Marktkräfte: Es sollen Anreize gesetzt werden, damit der Erneuerbaren-Ausbau zunehmend ohne Förderung erfolge. Chancen und Risiken der langfristigen Strompreisentwicklung sollen dabei auf die Unternehmen übergehen. Der steigende Wettbewerb würde Innovationen anreizen. Das Netz müsse möglichst schnell ausgebaut, Anlagen für die Kraft-Wärme-Kopplung und für die Speicherung von Energie müsste stärker gefördert und eine Investitionsoffensive in emissionsarme neue Gaskapazitäten getätigt werden.

Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen sollten künftig nur noch dann gegen niedrige Strompreis-phasen abgesichert sein, wenn sie im Gegenzug dazu verpflichtet würden, die Mehrerlöse aus Phasen hoher Strompreise auf das EEG-Konto einzuzahlen. Das würde zu einer Entlastung des EEG-Kontos und damit der Verbraucher führen. Schließlich soll der wachsenden Bedeutung der privaten Stromproduzenten für die Umsetzung der Energiewende Rechnung getragen werden, in dem man deren Innovationskraft stärker nutzen und ihre Rechte und Pflichten klar definieren solle.

Der Thinktank „Agora Energiewende“ sieht keine grundsätzlichen technischen Probleme auf dem Weg zur Energiewende. „Erneuerbare Energien sind nicht nur immer kostengünstiger geworden, neue Anlagen produzieren inzwischen auch deutlich billiger Strom als neue konventionelle Kraftwerke“, so Patrick Graichen, Direktor von „Agora Energiewende“. Andere Länder hätten das erkannt und bauten inzwischen Erneuerbare Energien massiv aus. „Denn mit der Umstellung auf Erneuerbare Energien ist nicht nur Klimaschutz verbunden, es geht dabei auch um eine international wettbewerbsfähige Stromerzeugung. Diese Denke wünsche ich mir auch wieder für Deutschland“, sagt Graichen.

Die Auslastung der bestehenden Netze könnte laut „Agora Energiewende“ mit der heute verfügbaren Technik relativ schnell optimiert werden. Dazu zähle etwa der Vorschlag, die Ausschreibungen für Windstromanlagen entlang regionaler Quoten vorzunehmen, was zu weniger Netzengpässen führe, den Transportbedarf von Strom verringere und im Ergebnis die Netze entlaste. Eine weitere Option zur besseren Verteilung der Strommengen im Netz könne mit dem Einbau aktiver Steuerungstechnik in Umspannwerke erfolgen, womit Stromflüsse von hoch belasteten auf weniger belastete Teile des Netzes umgelenkt werden können. „Diese Legislaturperiode muss eine Legislaturperiode der Netze werden. Dabei geht es darum, dass wir die Netze so ertüchtigen, dass bis 2030 zwei Drittel und bis 2040 etwa 80 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien aufgenommen werden kann“, sagt Graichen.
 

EEG Umlage wird sinken
 

Die Grundvoraussetzungen für eine gesellschaftliche Akzeptanz sind ebenfalls gut. So werde laut Agora-Prognose die EEG-Umlage auch 2019 und damit das dritte Jahr in Folge stabil bleiben – trotz weiteren Wachstums der Erneuerbaren Energien. Als Gründe gibt Agora die allgemein gestiegenen Großhandelsstrompreise an, die zu höheren Erlösen der Erneuerbare-Energien-Anlagen führen. Dadurch verringere sich ihre Förderung, die über die EEG-Umlage aufgebracht werde. Zum anderen haben die Übertragungsnetzbetreiber auf dem sogenannten EEG-Konto auch 2018 einen Überschuss von mehreren Milliarden Euro angehäuft – ein Großteil dieser sogenannten Liquiditätsrücklage könne im kommenden Jahr an die Stromverbraucher zurückgegeben werden und so die EEG-Umlage dämpfen. „Die hohen Investitionen Deutschlands in Erneuerbare Energien der vergangenen 15 Jahre tragen jetzt Früchte“, sagt Frank Peter, stellvertretender Direktor von Agora Energiewende.

Doch wie geht es nach 2030 weiter? Bis 2050 will Deutschland die die Treibhausgasemissionen „um 80 bis 95 Prozent“ senken. Laut der Studie „Klimapfade der Industrie“ des BDI würde eine Reduktion von 95 Prozent an die Grenze der technischen Machbarkeit und der heutigen gesellschaftlichen Akzeptanz stoßen. Dieses Ziel erfordere praktisch Nullemi-ssionen für weite Teile der deutschen Volkswirtschaft und würde neben einem weitestgehenden Verzicht auf alle fossilen Brennstoffe unter anderem den Import erneuerbarer Kraftstoffe für den Verkehrssektor, den selektiven Einsatz aktuell unpopulärer Technologien wie die Verpressung von Kohlendioxid im Boden und eine Reduktion des Tierbestands in der Landwirtschaft bedeuten.

Das niedrigere Ziel zu erreichen, sei indes durchaus realistisch. „Wir können in den Szenarien einen optimalen Pfad beschreiben, in dem eine Reduktion der Treibhausgase bis 2050 um 80 Prozent technisch und volkswirtschaftlich möglich ist“, erklärt Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik des BDI. Notwendig hierzu sei eine Mixtur aus Energieeffizienz, Elektrifizierung und der Entwicklung innovativer und IT-gestützter Technologien.

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