Chancen nutzen

Die Redaktion befragt Experten zu den Zukunftsthemen in ihren Branchen.
Oktober 2017 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Auf die Technologien der Zukunft setzen«

Achim Berg Präsident; Digitalverband BITKOM

Die deutsche Wirtschaft hat die Weichen auf Digitalisierung gestellt – vom Industriebetrieb bis zum Handwerker, vom Global Player bis zum Mittelständler. Noch läuft nicht immer alles rund, noch ist Luft nach oben. Aber das Erreichte ist durchaus beachtlich. Das belegen auch die Zahlen. 4 von 10 Unternehmen in Deutschland bieten als Folge der Digitalisierung neue Produkte oder Dienstleistungen an. 55 Prozent haben existierende Produkte an die digitalen Möglichkeiten angepasst. Und 45 Prozent sagen, dank der Digitalisierung haben sie neue Kunden gewonnen. Angst vor der digitalen Transformation? In den Chefetagen die Ausnahme, 9 von 10 Geschäftsführern und Vorständen sehen die Digitalisierung als Chance.

Gerade jetzt gilt es aber, die Chancen der Digitalisierung sehr konsequent zu nutzen. Deutschland hat bei vielen Zukunftstechnologien eine hervorragende Ausgangsposition im internationalen Wettbewerb: 3D-Druck, Blockchain, Internet of Things, Künstliche Intelligenz. Aber andere holen schnell auf. Wenn etwa China KI als Zukunftsthema identifiziert, dann werden dort in kürzester Zeit Milliardensummen mobilisiert.

Bund und Länder geben jährlich mehr als 25 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aus. Nicht einmal eine Milliarde fließt in IT, Kommunikations- und Mikrosystemtechnik, also in die Kernbereiche dessen, was digitale Technologien ausmacht. Das sind gerade einmal vier Prozent – und das ist viel zu wenig. Wenn wir von der technologischen Zukunft Deutschlands sprechen, muss es heißen: „digital first“. Das bedeutet: Mindestens jeder zweite Förder-Euro muss in Digitales investiert werden. Und eine steuerliche Forschungsförderung sollte es gerade kleinen und mittelständischen, oft hoch innovativen Unternehmen ermöglichen, selbst unbürokratisch mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Wir dürfen uns nicht mehr verzetteln. Wir müssen uns stärker auf die relevanten Themen konzentrieren und wir müssen schneller werden. Das ist nicht schwer. Man muss es nur wollen, und dann muss man es tun.

www.bitkom.org

Oktober 2017 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Den innovativen Mittelstand stärken!«

Mario Ohoven Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft BVMW

Innovative Mittelständler bilden das Rückgrat unserer Volkswirtschaft. Ihnen verdankt Deutschland seine im internationalen Vergleich führende Position bei Produkt- und Prozessinnovationen und damit unter anderem seine Exportstärke. Diese Spitzenstellung gilt es zu behaupten.

Voraussetzung hierfür sind Investitionen in Forschung und Entwicklung. Einer ZEW-Studie zufolge legten die Innovationsausgaben der Wirtschaft 2015 um 8,8 Prozent auf 157,4 Milliarden Euro zu. Mit 9,8 Prozent Zuwachs haben mittelständische Unternehmen überproportional stark in ihre technologische Zukunft investiert.

Die Chancen stehen gut, dass sich dieser Trend 2017 fortsetzt. Es wäre Aufgabe der Politik, den Mittelstand mehr zu unterstützen. Dies traute die große Mehrheit der Unternehmer der abgewählten Bundesregierung nicht mehr zu. Nur vier Prozent wünschten sich in einer BVMW-Umfrage eine Fortsetzung der Großen Koalition nach der Bundestagswahl. Fast drei Viertel bevorzugten Schwarz-Gelb oder ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP.

Als vorrangige Aufgaben einer neuen Bundesregierung nannten die Mittelständler investitionsfreundlichere Rahmenbedingungen, Verbesserung der Infrastruktur, vor allem aber Abbau von Bürokratie. Kein Wunder bei Bürokratiekosten für die Wirtschaft von über 45 Milliarden Euro jährlich. Angesichts eines Investitionsstaus allein der Kommunen von über 160 Milliarden Euro ist die Politik gefordert. Deutschland braucht ein Wagniskapitalgesetz für innovative Klein- und Mittelbetriebe sowie endlich eine steuerliche Forschungsförderung wie in 28 von 35 OECD-Ländern. „Soli“ und Erbschaftsteuer gehören sofort abgeschafft.

Ich bin überzeugt, der Mittelstand wird auch 2018 verlässlich seine Rolle als Wachstums- und Beschäftigungsmotor in unserem Land erfüllen. Er erwartet von einer neuen Bundesregierung, dass sie die Weichen für Investition und Innovation stellt und damit bessere Rahmenbedingungen für den Mittelstand schafft.

www.bvmw.de

Oktober 2017 Handelsblatt Zukunft Deutschland

»Speichertechnologien: Weg frei für Innovationen!«

Stefan Kapferer Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung; Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW

Je stärker das Energiesystem auf Erneuerbare Energien ausgerichtet ist, umso wichtiger werden flexible Lösungen, um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Innovative Speichertechnologien spielen dabei eine zentrale Rolle – ohne Speicher keine Energiewende. Weltweit wird an Speichertechnologien geforscht. China investiert massiv in die Entwicklung, in den USA baut Tesla für mehrere Milliarden Euro eine eigene Batterieproduktion für Elektroautos auf.

Speichertechnologien werden erheblich an Bedeutung gewinnen – zumal Batteriespeicher ein zentraler Hebel für den gewünschten Erfolg von Elektroautos sind. Denn Reichweite ist ein zentrales Kaufargument. Wer bei der Fertigung der nächsten Zellgenerationen die Nase vorn hat, wird den Markt mitprägen. Mehr noch: Die Batterien der Elektroautos könnten in naher Zukunft als Zwischenspeicher für Überschussstrom dienen und so zu einem stabilen Stromversorgungssystem beitragen.

Deutschland hätte gute Chancen, im Markt weit vorne mitzuspielen. Denn noch nehmen hiesige Firmen in vielen Bereichen der Speichertechnologie eine führende Rolle ein: Deutsche Start Ups haben innovative Konzepte für Batteriespeicher auf den Markt gebracht, die Power-to-Gas-Technologie wurde in Deutschland entwickelt und wir sind – noch – Weltmarktführer für Pumpspeicherkraftwerke. Das Wörtchen „noch“ ist hier entscheidend: Aktuell bremst die Politik den Ausbau der Speicher durch widersinnige Regelungen aus. Damit riskiert sie auch, dass Forschung und Entwicklung in diesem Bereich abwandern. Um nur ein Beispiel zu nennen: Für den Strom aus Speichern werden zweimal Netzentgelte erhoben – beim Einspeichern und beim Letztverbraucher. Diese Doppelbelastung wird keiner anderen Technologie auferlegt.

Innovative Speichertechnologien bieten große Chancen für unseren Industriestandort. Die nächste Bundesregierung muss es den Unternehmen ermöglichen, dieses Potential auszuschöpfen. Sonst werden andere Länder dieses Technologiefeld erobern.

www.bdew.de