Internationaler deutscher Mittelstand

Deutschlands Mittelstand wird immer internationaler. Trotz vieler Hindernisse wollen immer mehr kleinere Unternehmen im Ausland fertigen. Vor allem bei der Finanzierung müssen die Unternehmen sorgfältig planen.
International Business
Illustration: Marianna Weber, Judith Reetz
Axel Novak Redaktion

Im vergangenen Jahr war fast jedes vierte kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) auf internationalen Märkten aktiv  – mehr als im Jahr davor, hat das neue KfW-Mittelstandspanel 2015 herausgefunden. Damit setzen die Unternehmen ihre Erfolgsgeschichte aus Deutschland im Ausland fort. 37 Prozent der deutschen Mittelständler sind bereits im Ausland aktiv, weitere 20 Prozent planen diesen Schritt, so das Bonner Institut für Mittel­standsforschung (IfM). Vor allem die Zulieferer der großen Konzerne aus der Auto-, Maschinenbau- oder Konsumgüterindustrie folgen ihren Auftraggebern nach Osteuropa oder Asien.

 

Doch mit der Internationalisierung steigen die Anforderungen an die mittelständischen Unternehmen: politische, wirtschaftliche, kulturelle und infrastrukturelle Probleme erschweren den Weg zum Erfolg. Zum Beispiel bei den Mitarbeitern, dem wohl wichtigsten Aspekt für eine erfolgreiche Internationalisierung. Auf internationalen Märkten stehen die KMU in Konkurrenz zu den großen Konzernen. Wenn Konzern und Zulieferer im Ausland in der gleichen Stadt investieren, um ihre Zusammenarbeit aus Deutschland im BRIC-Ausland fortzusetzen, dann suchen beide vor Ort die gleiche international gewandte Führungskraft, die fachlich und kulturell perfekt in die Branche passt. Denn neben fachlicher Kompetenz legen Konzerne und Mittelständler ebenso Wert auf interkulturelle Kompetenz, Soft Skills und sprachliche Kenntnisse, so die Studie „Going Global“ der Personalberatung Boyden Global Executive Search und der EBS Business School. 

 

Oder die Digitalisierung: Sie ist zum einen eine großartige Möglichkeit, technologisch die Produktivität von Unternehmen zu steigern – bis zu 425 Milliarden Euro zusätzliches Wertschöpfungspotenzial könnte sich für die deutsche Wirtschaft bis 2025 ergeben, haben der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Berater von Roland Berger ausgerechnet. Vor allem für den Gang ins Ausland sind funktionierende IT-Prozesse, mehrsprachige Plattformen und datenanalytische Kapazitäten unerläßlich.

 

Zwar hatten 2014 die Mittelständler schon Vollzug gemeldet: 81 Prozent der Entscheider von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gaben in einer Intersearch-Umfrage an, die digitale Transformation in ihrem Unternehmen überwiegend umgesetzt zu haben. Doch Michael Kroker vom Magazin Wirtschaftswoche schreibt diesen Herbst, dass gerade einmal sieben Prozent der Entscheider in Deutschland das Zeug zum Digital Leader haben. In der Praxis heißt das: rund 17 Prozent der Mittelständler sind digitale Vorreiter. Das hat die Commerzbank festgestellt. „Sie vernetzen beispielsweise Wertschöpfungs­ketten oder individualisieren ihre Produkte“, beschreibt Markus Beumer, Commerzbank-Vorstand für den Mittelstand, diese Kategorie. Viele kleine Unternehmen und Selbstständige, vor allem aus dem Handwerk, nutzen dagegen die digitalen Möglichkeiten kaum. 

 

Und noch ein Punkt ist bei der Internationalisierung entscheidend: die Finanzierung. Dabei geht es dem Mittelstand in Deutschland wirtschaftlich gut. Der Creditreform Geschäftsklimaindex steigt diesen Herbst auf einen neuen Höchststand. Drei von zehn Unternehmen gelten als eigenkapitalstark. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote ist 2014 nach KfW-Angaben um 1,1 Prozentpunkte auf mittlerweile 29,7 Prozent gestiegen. Gleichzeitig investierten die KMU 2014 sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Die Firmenlenker sind zuversichtlich, dass der Aufschwung in Deutschland und Europa tragfähig ist. 

 

Doch die Entscheider investieren nicht gleichmäßig: Einige investieren mehr, aber immer mehr investieren weniger. Mit rund 1,5 Mio. Unternehmen haben im Jahr 2014 etwas weniger Mittelständler Investitionen getätigt als im Vorjahr. Die Bereitschaft der kleinen und mittleren Unternehmen, zu investieren, tritt seit 2009 auf der Stelle. Ein Grund dafür ist die Finanzierung solcher Erweiterungsinves­titionen. Viele Mittelständler stärken ihre Eigenkapitalbasis, um liquide und möglichst unabhängig von ihren Banken zu bleiben. Das Verhältnis zu den Banken ist nicht gut und hat sich in diesem Jahr noch schlechter entwickelt als im Vorjahr, so der Bundesverband freier KMU-­Berater. „Die Unternehmen beklagen mangelnde Informationen zum Rating und über Förderkredite, die zu hohen Forderungen nach Sicherheiten durch die Banken und sind mit der eigenen Unabhängigkeit von ihren Banken nicht zufrieden“, sagt Nicolas Rädecke von der Deutschen Unternehmerbörse DUB.de, die mit den Beratern kooperiert. 

 

Mittelständler sollten daher eine zweite Hausbankbeziehung aufbauen und alternative Finanzierungsstrategien planen. Leasing, Factoring, Versicherungsdarlehen, Mitarbeiterdarlehen oder das Crowd­funding im Internet sind Möglichkeiten, um sich Kreditspielräume offen zu halten. Fast jedes zweite KMU ist offen für solche Instrumente, die den Bankkredit ergänzen oder ersetzen können, so eine Studie des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand.

 

Daneben spielen die staatlichen Förderbanken vor allem bei langlaufenden Krediten eine wichtige Rolle. Abhilfe könnten neue Geldquellen aus dem Ausland bieten: „Ich möchte, dass die Kapital­marktunion den europäischen Unternehmen und vor allem unseren KMU dabei hilft, mehr Finanzierungsquellen zu erschließen“, sagte Jonathan Hill, der für Finanzmarktstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapi­talmarktunion zuständige EU-Kommissar, Ende September in Brüssel. Eine solche Union könnte in fünf Jahren Betrieben eine preisgünstige Finanzierung ermöglichen. Der starke deutsche Mittelstand würde durch europäische Finanzierung immer stärker zu einem starken europäischen Mittelstand.

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