Schwarzes Gold

Der Preis für Erdöl ist so niedrig wie lange nicht. Eine Chance zum Einstieg?
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Illustration: Eléonore Roedel
J.W. Heidtmann Redaktion

Die Hersteller von hubraumstarken SUVs freuen sich, die Autofahrer sowieso. Wann war es zuletzt möglich, derart freimütig aufs Gaspedal zu treten? Kostet ja nichts! Der Preis für Kraftstoff an der Tankstelle ist binnen Jahresfrist um mehr als ein Drittel gesunken. Dahinter steht der massive Einbruch der Preise für Erdöl: Ob die Nordsee-Sorte Brent oder die US-Sorte WTI – Erdöl kostet 70 Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. 

 

Wer nicht frohlockt, das sind Besitzer von Wertpapieren, die direkt mit dem Ölpreis korrelieren. Etwa Aktienbesitzer von Unternehmen, die Öl fördern, es raffinieren oder vertreiben. Die haben in der letzten Zeit Federn lassen müssen. So ist der Gewinn der britisch-niederländischen Aktiengesellschaft Royal Dutch Shell wegen des Ölpreisverfalls massiv eingebrochen: Shell hat im vergangenen Jahr 87 Prozent weniger verdient als noch im Jahr zuvor. Der Aktienkurs des Unternehmens ist im gleichen Zeitraum um fast ein Drittel eingebrochen, analog zur Entwicklung des Ölpreises. Dazu kommt allerdings eine weitere Belastung: Shell investiert derzeit geschätzt 50 Milliarden Dollar, um den Gasförderer BG Group zu übernehmen. Durch den Zusammenschluss sollen bis Ende 2016 rund 10.000 Jobs wegfallen. 

 

Ähnlich düster sieht es beim Konkurrenten aus: BP vermeldete für 2015 einen Rückgang der Gewinne um 51 Prozent. Der Ölkonzern will rund 7.000 Stellen kürzen. Die norwegische Statoil meldete ebenfalls 50 Prozent weniger Gewinn. Dazu kamen Sonderbelastungen, so dass sogar ein Verlust verbucht wurde. Verluste verzeichnet auch der US-Konzern Chevron in seiner letzten Quartalsbilanz. ExxonMobil vermeldete Ende 2015 das schlechteste Quartalsergebnis seit 2002. Der Gewinn brach im 4. Quartal im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um als die Hälfte ein, die Aktie hatte die Entwicklung bereits eingepreist. Der gesunkene Ölpreis trifft auch Länder hart, die vom Öl abhängen und nicht über genügend Geldreserven verfügen. Nigeria etwa, lange Zeit als aufstrebende afrikanische Republik im Fokus von Afrika-Fonds und von Schwellenländer-Investoren, muss jetzt auf die Hilfe des IWF hoffen. 

 

Wer aber einen alten Wahlspruch beherzigen möchte, nämlich zu kaufen, wenn die Kanonen donnern, könnte Gefallen an dem Gedanken finden, dass sich jetzt eine gute Gelegenheit zum Einstieg bietet. Signale dafür gibt es bereits. So wird kolportiert, Russland und Saudi-Arabien wollten ihre Fördermengen drosseln. Die ersten Fracking-Unternehmen, unliebsame Konkurrenz für die Förderstaaten, gehen schon in die Insolvenz. Ölverknappung droht. 

 

Wer an die Bodenbildung glaubt, kann jetzt auf einen steigenden Ölpreis setzen. Hierfür gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Eine naheliegende Variante wäre, sich einen Lagerraum anzumieten und sich einige Fässer des schwarzen Goldes abzufüllen. Wer 10.000 Euro anlegen möchte, muss bei dem derzeitigen Preis allerdings mehr als 300 Fässer unterbekommen. Aber wer möchte schon Betreiber eines Gefahrgutlagers werden? Unpraktisch. 

 

Eine Alternative sind Zertifikate. Rohstoffindexfonds folgen direkt der Entwicklung des Ölpreises, entweder der Nordsee-Sorte Brent oder der US-Sorte WTI. Da sie im Gegensatz zu den klassischen Indexfonds ETF nicht dem gesetzlichen Gebot der Diversifikation entsprechen, müssen sie den Umweg über Futures nehmen. Sie investieren in Terminkontrakte, die vor einem möglichen Liefertermin umgeschichtet werden, sonst stünden nämlich plötzlich wieder mehrere Fässer Öl vor der Haustür der Fondsgesellschaft. Dieses Umschichten oder „Rollen“ bringt Rendite, wenn nämlich günstig gekauft und teuer verkauft wird. Außerdem gibt es eine Reihe von Discount-, Bonus- oder Hebelprodukten auf die beiden wichtigsten Ölsorten. Für alle Produkte gilt: Nur dann einsteigen, wenn man das Prinzip des jeweiligen Wertpapiers vollständig verstanden hat. 

 

Alternativ kann man Aktien von Unternehmen erwerben, deren Geschäftsmodell vom Öl abhängt. Ein steigender Ölpreis dürfte nicht nur die Gewinne der eingangs erwähnten Öl-Konzerne wieder zum Sprudeln bringen, sondern auch wieder das Augenmerk auf Branchen lenken, die mit der Verteuerung von Öl attraktiver werden. Etwa Unternehmen, die Lösungen für Erneuerbare Energien entwickeln, Elektro-Fahrzeuge, Energieeffizienz-Lösungen. Folgt man der aktuellen BP-Studie „Energy Outlook 2035“, wäre eine Investition sowohl in Erneuerbare Energien als auch in Ölfirmen langfristig in jedem Fall eine lukrative Sache. In der Studie prognostiziert der Ölkonzern einen massiv steigenden Weltenergieverbrauch, der zum einem Großteil durch fossile Energieträger wie Öl und Gas gedeckt wird. Gleichzeitig würden die erneuerbaren Energien stark wachsen, einschließlich Bio-Kraftstoffen. Von einem absehbaren Ende der fossilen Reserven ist in der Studie keine Rede, im Gegenteil: Laut BP würden 2030 fossile Energieträger im Überfluss zur Verfügung stehen. 

 

Aber zumindest für kurzfristig orientierte Anleger ist Vorsicht geboten: Laut Morgan Stanley wird aufgrund der niedrigen Zinsen immer noch zu viel in Fracking investiert, die Ölflut also anhalten. Die britische Bank Standard Chartered prognostiziert sogar einen Preissturz für ein Barrel Rohöl um zwei Drittel auf bis zu zehn US-Dollar. In diesem Fall wäre ein Engagement in Öl noch zu früh angesetzt. Geht man hier mit und spekuliert darauf, dass die Ölpreise noch weiter sinken, könnten etwa Airlines, Reedereien, Speditionen oder Logistik-Unternehmen interessant sein. Für sie, deren Flugzeuge, Lkw und Schiffe mit fossilen Energieträgern betrieben werden, ist der niedrige Rohölpreis ein Segen.

 

Ganz Wagemutige können natürlich auch mit Zertifikaten auf einen steigenden oder sinkenden Ölpreis spekulieren. Futures, Turbozertifikate und Knock-out-Papiere bieten diese Möglichkeiten, mit oder ohne Hebel. Wer auf diese Weise wettet, kann auf hohe Gewinne hoffen. Das Risiko ist allerdings ebenfalls immens. 

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